Kapitel 6

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Boah, war dieser Rauchmelder laut. Aber wie bekam man das Ding aus? Hoffentlich hatte Marco das nicht direkt mit der Feuerwehr gekoppelt, sonst würden hier bald die Blaulichtcowboys auftauchen und versuchen uns zu retten. Ich schnappte mir den langen Schuhlöffel, den ich neben der Garderobe im Schirmständer entdeckte und rannte zu dem Rauchmelder.  Hüpfend versuchte ich diesen dämlichen Knopf in der Mitte zu treffen. „Man, nun steh doch da nicht so damisch herum", blökte ich meinen Bruder an, der mich nur anstarrte. „Beweg deinen Arsch her und mache das Ding aus." Er musste da garantiert nicht für hüpfen, sondern nur den Arm ausstrecken. Na endlich bewegte das Flegmon sich. Ich fragte mich echt manchmal, wie wir Geschwister sein konnten und wie Maja das mit dem aushielt. Obwohl.... manchmal war er ja auch ganz okay. Ich musste an unsere erste Zeit hier in Dortmund denken und wie ich von meinen Mitschülern gemobbt wurde. Da hatte er schon auf mich aufgepasst und mit in seine Clique genommen, die jetzt auch meine war. Trotzdem brachte mich seine Lahmarschigkeit manchmal zur Weißglut. Ganz zu schweigen von seiner Besserwisserei. Boah, war das gut. Meine Ohren atmeten erleichtert auf, als das laute Gepiepe endlich aufhörte. Meine Nase schnuffelte in die Luft. Okay das Ding war nicht ohne Grund angegangen und würde es wahrscheinlich gleich wieder tun. „Du machst das Ding wieder aus, wenn es wieder losgeht. Ich kümmere mich um den Rest", gab ich meinem Bruder die Anweisung und bekam ein Nicken als Antwort. Schnell rannte ich in die Küche, wo auf dem Herd Wasserdampf aus einem Topf aufstieg und daneben eine Pfanne qualmte. Hilfe, was hatte der hier gemacht? Die Drillinge standen zusammen in einer Ecke der Küche und begutachteten Stellas Hand. Ich schaute schnell auf den Boden. Gut, da war keine Blutlache. Dann konnte ich erst einmal einen Küchenbrand verhindern und dann das Kind verarzten. Schnell drehte ich den Herdplatten den Saft ab und suchte nach Topflappen, um den Topf und die Pfanne beiseite zu ziehen. Boah, qualmte die Pfanne. Nachdem ich sie auf eine andere Platte gezogen hatte, wedelte ich erst einmal den Rauch mit dem Topflappen beiseite. Wie zur Bestätigung hupte dieser blöde Rauchmelder sofort los. Aber diesmal nur kurz. Na wenigstens hatte mein Wächter funktioniert. „Wieso qualmt das immer noch?" Luca kam um die Ecke geschossen und funkelte mich an. „Mache, dass das aufhört.". Na der war ja lustig. Er griff nach der Pfanne „Autsch." War wohl ziemlich heiß der Griff, so wie er sich die Hand rieb. „Unter kalt Wasser", riet ich ihm also. Er schnappt sich den Topflappen aus meiner Hand und griff nach der Pfanne und beförderte sie in den Ausguss. „Nicht die Pfanne, sondern deine Hand, du Idiot. Was meinst du, was passiert, wenn du kalt Wasser in das heiße Fett machst?" Er zuckte mit den Schultern. „Es explodiert", grinste Benny aus der Ecke. „Hat Papa auch mal gemacht. Boah, hat das gezischt und gespritzt" Ja, selbst ein Elfjähriger wusste es, nur mein Bruder schaute mich irritiert an. Glücklicherweise hatte sich das Fett wieder beruhigt. „Und was ist mit dir?" Ich wendete mich Stella zu, die mich angrinste „Ich wollte die Zwiebeln für die Bolo schneiden und bin abgerutscht." Sie hielt ihren Zeigefinger hoch, an dem ein kleiner Schnitt zu sehen war, der aber nicht mehr blutete. Das war gut. Also war nur ein Pflaster und kein Arztbesuch nötig. „Hole mal bitte etwas zum Desinfizieren und ein Pflaster", wies ich Benny an, der grinsend zur Arbeitsplatte hüpfte und mir die halbe Zwiebel in die Hand drückte. „Hier zum Desinfizieren. Das hilft auch bei Insektenstichen." Da hatte aber jemand gut aufgepasst. „Das stimmt, aber ich möchte das Desinfektionsmittel aus dem Erste-Hilfe-Kasten. Da sind dann auch gleich die Pflaster." Der Zwerg nickte und marschierte los. „Das ist nur passiert, weil sie nicht auf mich gehört hat", rechtfertigte sich mein Bruder. „Die drei sollten sich einfach nur dort an den Tisch setzen und warten bis ich da Essen fertig gekocht habe." Bei seinem Tempo waren sie wahrscheinlich vorher verhungert. Ganz abgesehen davon, dass ich bezweifelte, dass er Spaghetti Bolognese überhaupt fertigbekam, ohne beim Lieferdienst anzurufen. Wahrscheinlich wussten das auch Stella und Luna und hatten deshalb versucht einzugreifen. Schließlich halfen sie ihrer Mutter oft in der Küche und waren mit Sicherheit fähiger, als mein Bruder etwas zu Essen zu produzieren. Franzi, die Mutter der Drillinge, achtete da mehr auf die Alltagstauglichkeit ihrer Kinder, als es meine Mama bei Luca getan hatte. Aber das war wahrscheinlich auch kein Wunder, wenn man acht Kinder hatte, musste man sie irgendwie mit einbinden, um allen gerecht werden zu können. Außerdem machte Küchenarbeit den Kindern meist Spaß. „Hier" Benny kam auf Socken zu mir geschlittert und überreichte mir das Desinfektionsspray und eine Kiste mit Pflastern. Schnell versorgte ich Stellas Wunde. „Ich bin voll am Verhungern", maulte Benny und schaute vorwurfsvoll zu meinem Bruder. „Hättet ihr auf mich gehört, würden wir jetzt essen", knurrte der angepisst. Ich schaute mich kurz in der Küche um. „Was haltet ihr davon, wenn wir es noch einmal mit den Nudeln und der Bolognese versuchen?" Sofort fingen die drei an zu jubeln. „Luna, du kümmerst dich um  die Tomaten und schnippelst sie klein. Stella, meinst du, du kannst es mit dem Pflaster trotzdem noch einmal mit den Zwiebeln aufnehmen?" Sofort bekam ich ein Nicken zu sehen. „Und du Benny machst die Dosen mit Tomatenmark auf." Der Kleine fing an zu grinsen „Ja, das ist eine Männeraufgabe. Papa macht auch immer die Raviolidosen auf." Das hätte mein Bruder mal lieber auch gemacht, anstatt die Küche fast in Brand zu stecken. „Du kannst den beiden doch kein Messer in die Hand drücken." Luca schaute mich kopfschüttelnd und missbilligend an. „Das ist sicherer als es dir in die Hand zu drücken", rutschte es mir heraus und die beiden Mädels prusteten los. Schnell suchte ich mir eine neue Pfanne im Schrank. So schwarz wie die andere war, schuldete mein Bruder seiner zukünftigen Schwiegermutter wohl eine neue. Als die Zwiebeln langsam im Fett vor mir brutzelten und ich das Hackfleisch dazugab, überkam mich aber doch meine Neugier. „Wo sind eigentlich alle hin, dass du hier auf die drei aufpasst?" Jeder wusste doch, dass er damit heillos überfordert war. „ Mama ist zu Oma und Opa nach Berlin", sprudelte es aus Benny heraus. Dann war Franzi bei Tessa. Das war gut. Sofort machte ich mir gleich weniger Sorgen um meine Freundin. Wenn man schwanger war, war es garantiert gut, wenn man seine Mama an der Seite hatte, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. „Und Papa ist mit Mari und Leonard dann auch noch nach Berlin gefahren, um Mama zu helfen." Das war weniger gut. Denn weder den Vater noch den werdenden Vater konnte man bei der eigenen Entscheidungsfindung in so einer Situation gebrauchen. Andererseits würde Franzi ihre Tochter garantiert nicht beeinflussen lassen. „Und wo ist Max?" Er hätte doch niemals seine kleineren Geschwister meinem Bruder überlassen. „Der hat heute Schicht und musste weg, nachdem er uns von der Schule abgeholt hat." Luna zuckt mit den Schultern. „Eigentlich sollte ja Maja auf uns aufpassen", grunzte Benny. „Da hätten wir auch garantiert schon Essen im Magen." Sein böser Blick ging wieder zu meinem Bruder. „Ja, die ist aber mit Leo abgehauen, um nach Hochzeitskleidern zu gucken", ergänzte Stella. Das verstand ich nicht. Klar, war Brautzilla ständig auf irgendeiner Jagd nach Hochzeitsartikeln, aber Maja.......die würde deshalb doch nicht einfach ihre Geschwister im Stich lassen. „Ja, sie hat gesagt, wenn er" Luna zeigte mit ihrem Zeigefinger auf meinen Bruder „sowieso immer alles besser wüsste, dann könne er sich auch um uns kümmern." Sie fing an zu kichern „Dabei hat er viel weniger Ahnung als Maja vom Kochen." Ja, da hatte sie definitiv recht. „Und vom Spielen hat er auch keine Ahnung", meldete sich Stella zu Wort. „Ja, der kann nicht einmal richtig an der Playstation zocken." Benny schüttelte mit einem verachtenden Blick in Richtung meines Bruders den Kopf. Gerade tat mir Luca echt leid. Es war schon hart so von ein paar Kindern gedisst und als unfähig bezeichnet zu werden. Vielleicht sollte ich ihn vor ihnen etwas in Schutz nehmen. „Du musst das Hack mehr anbraten." Mein Bruder war neben mir aufgetaucht und schielte über meine Schulter. „Und du musst die Klappe halten, Klugscheißer. Oder soll ich auch wie Maja abhauen?" Mein Mitleid mit ihm hatte sich gerade im Bratendunst aufgelöst. Luca schüttelte seinen Kopf und legte den Rückwärtsgang ein, um sich an den Tisch zu pflanzen. Also Maja muss heftig sauer gewesen sein, wenn sie einfach ohne Rücksicht auf ihre kleineren Geschwister abgehauen war. Andererseits.....vielleicht wollte sie Luca mal eine Breitseite verpassen, damit er mal merkte, dass man mit Besserwisserei alleine nicht durchs Leben kam, sondern auch etwas Können an den Tag legen musste.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt