Kapitel 127

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Ich lag entspannt auf meinem Bett und las in dem Roman, der in der nächsten Deutschklausur eine Rolle spielte. Manno, diese Klassiker waren echt immer langweilig und total weltfremd. Aber es nützte ja alles nichts, ich musste ihn in einer Woche durch haben, versuchte ich mich zu motivieren. Mein Handy vibrierte neben mir. Na das war doch gerade eine willkommene Ablenkung. „Hallihallo", meldete ich mich gutgelaunt, nachdem ich Tessas Bild auf dem Display erspäht hatte. „Hallihallo, du Gurke", kam es auch von der anderen Seite des Telefons. „Darf ich denn stören oder bastelst du gerade weiter an der Beziehung mit deinem Traummann?" Warum gackerte sie dabei so blöd? „Ich habe schon gehört, dass du ihn voll an der Angel hast. Sonntagsfamilienausflug und so. Also bring mich auf den neusten Stand, wie es gelaufen ist." Woher wusste denn Miss Neugier schon wieder von dem Zooausflug? Von Phil, na klar. „Von wegen an der Angel", stöhnte ich. „Wieso? Phil hat mir ganz stolz erzählt, dass er euch sogar extra die Kleine versucht hat vom Hals zu halten und deshalb eine Zooführung gemacht hat." Das war also Phils Idee dahinter. Das war.....das war eigentlich total nett, aber......„Bloß klappen hätte es mit dem vom Hals halten müssen", schnaubte ich. „Hat es nicht?" Tessa klang total verwundert. „Also aus Phils Mund klang das ganz anders." Ich musste grinsen. Ja klar, Kerle dachten immer ihre Pläne funktionierten perfekt und übersahen dann den Misserfolg. Ehrlicherweise musste ich aber zugeben, dass er auch nicht alles mitbekommen hatte, weil er ja nachher nicht mehr dabei war. „Also Phil, hat uns zu Carmens Begeisterung die Führung angeboten. So weit stimmt es erst mal alles. Dummerweise war aber Andi auch der Meinung, dass er uns die Kleine etwas vom Hals schaffen musste, damit Phil und ich etwas Zeit füreinander haben. Jedenfalls hat er mir das so auf der Heimfahrt zu verstehen gegeben." „Wofür brauchen Phil und du Zeit?" Tessa klang genauso verständnislos, wie ich mich in dem Moment als Andi mir das erklärt hatte, fühlte. „Damit wir beide zusammenfinden können. Seit dem Zusammentreffen im Zoo ist er nämlich der festen Auffassung, ich hätte wegen Phil mit Mika Schluss gemacht und will mich dabei unterstützen, dass ich mit meiner neuen Liebe mein Glück finde." „Echt jetzt?" Tessa verschluckte sich fast vor lachen. Schön, wenn sie das so komisch fand. Ich tat es nicht. „Mensch, was soll ich denn jetzt machen?"  „Weiter wie geplant. Du kümmerst dich um ihn, Kind und Haus. Dann wird er das schon auch noch mitbekommen. Und wegen Phil musst du ja keine Angst haben, da kann Andi so viel Amor spielen, wie er will. Vielleicht ist das ja ein Punkt, über den ihr euch näher kommt." „Wie sollen wir uns näher kommen, wenn er mich mit einem anderen verkuppeln will? Weißt du wie blöd das heute war? Phil und er haben sich bei jedem Gehege förmlich um Carmen duelliert und ich stand alleine dahinter und konnte es beobachten. Die Kleine war nachher schon so genervt, dass sie die ganzen Schilder an den Gehegen versucht hat alleine oder mit meiner Hilfe zu lesen." Wieder war ein lautes Lachen am anderen Ende zu hören. „Ja Kerle sind manchmal echt schmerzfrei dämlich. Aber ich dachte auch mehr an Nachhilfe von Andi." „Nachhilfe?", quietschte ich. Wie stellte sie sich das vor? „Na ja, wenn er dir Tipps für Phil geben will, bekommst du erstens heraus, worauf er steht." Ja, das klang total logisch. „Und zweitens kannst du dich ja unsicher geben beim Flirten und anderen körperlichen Kontakten. Dann wird er doch wohl mit dir üben und daran Gefallen finden. Und Zack, hängt er an deiner Angel." „Im Traum nicht. Das ist doch total peinlich, wenn ich zugebe, dass ich zu blöd bin zu knutschen, oder was." Nee, das war total indiskutabel. „War ja auch nur eine Idee abzukürzen. Dann bleiben wir halt bei unserem Heimchen-am-Herd-Plan. Obwohl ich den ehrlich gesagt ziemlich altmodisch und überholt finde." Das war ja klar. Bei Tessa und Leo gab es ja auch nicht das übliche Rollenbild. „Und wie geht es nun weiter?" Ich atmete einmal tief durch. „Ich gehe morgen mit deinem Bruder ins Kino. Und Andi macht sogar früher Feierabend, damit ich auch ja pünktlich loskomme und mich vorher noch hübsch machen kann. So hat er es jedenfalls genannt." „Eh, du bist immer hübsch. Hat der Bauer das noch nicht bemerkt?", protestierte Tessa sofort. Ja, sie war wirklich meine beste Freundin. „Doch, irgendwie schon, denn er hat ja gesagt, Phil kann zufrieden sein, dass so ein hübsches junges Mädel auf ihn steht." „Junges Mädel", lachte Tessa auf „Ja, das war O-Ton", brummte ich. Das junge hatte mich auch mächtig gewurmt. „Vielleicht sollte ihm mal jemand verklickern, dass er auch noch kein Tattergreis und gerade einmal läppische 12 Jahre und blabla-Tage älter ist. Also genaugenommen seid ihr ja fast gleich alt, weil Männer in ihrer geistigen Entwicklung ja sowieso immer ziemlich hinter uns hinterherhinken." Ich hörte im Hintergrund einen Protest. „Ja, außer du, mein Erpel. Du bist die absolute Ausnahme", hörte ich jetzt auch Tessa etwas entfernter. Scheinbar hatte sie wohl das Telefon vom Ohr genommen. Okay, das laute Schmatzgeräusch war dann wohl ein Danke-Knutscher. Hoffentlich vergaßen sie vor lauter Knutscherei nicht, dass sie einen Ohrenzeugen hatten. Na ja, im Zweifelsfall würde ich halt schnell das Gespräch beenden, denn manche Sachen musste man wirklich nicht mit anhören. „Wie auch immer", ertönte auf einmal wieder Tessas Stimme lautstark. „Wir müssen ihm klarmachen, dass er nicht im geringsten zu alt für dich ist und dass er auf keinen Fall eine Art Bruder von dir ist. Die Nervensäge von Luca, reicht da schon allemal aus." Wo sie recht hatte, hatte sie recht. Noch einen Bruder brauchte ich wirklich nicht, ganz abgesehen davon, dass diese Position ja auch schon noch mit Phil besetzt war. „Wie läuft es jetzt eigentlich morgen bei dir?", wechselte ich das Thema. Wir hatten definitiv genug von mir gesprochen und Tessa nahm ja morgen ihre Ausbildung wieder auf. „Na ja, Paps und Roman wollen sich um die beiden Windelpupse kümmern, wenn Leo beim Training ist. Mama hat versprochen aus dem Hintergrund ein Auge darauf zu haben. Glücklicherweise." Sie kicherte plötzlich. „Du glaubst ja nicht, was die beiden heute beim Spazierengehen gebracht haben." Wollte ich das wissen? Ja, wollte ich. „Was?", fragte ich also neugierig. „Sie haben jeder mit einem Kinderwagen an der Ampel gestanden und sind dann bei grün losgerast als wären sie Mario und Luigi. Ich habe immer auf die fliegenden Bananenschalen gewartet." Ich lachte los bei dem Bild, das in meinem Kopf auftauchte. „Und wer hat gewonnen?" „Na Paps natürlich mit Chrissi", gackerte sie. „Morgen werden die beiden wahrscheinlich das nächste Rennen starten." Ja, das war mehr als wahrscheinlich. Die Frage war nur, wann Marco Papa da noch mit hineinzog und sie den Kinderwagen zu tunen begannen. „Vielleicht solltest du wieder auf Zwillingswagen umstellen", schlug ich vor. „Kannst du vergessen, dazu ist es zu spät. Mit dem quäle ich mich nur ab, wenn ich alleine unterwegs bin. So, ich muss jetzt aber Schluss machen, meine Windelpupse bekommen noch ihre Nachtration und ich meinen Schmuseteil, schließlich muss ich ja morgen ohne sie auskommen. Also Ciao Kakao." Ich musste grinsen. Ja, das würde ihr garantiert schwer fallen. Wahrscheinlich konnte sie sich gar nicht mehr vorstellen, dass sie jemals eine Abtreibung in Betracht gezogen hatte. Irgendwie war ich mächtig stolz auf meine Freundin, wie sie das alles meisterte. Und irgendwie hätte ich so etwas auch gerne. Ich legte den blöden Deutschroman endgültig auf den Nachttisch und rutschte tiefer in meine Kissen, ehe ich das Licht ausmachte und die Augen schloss. Ja, ich würde einfach um Andi kämpfen und dann hatte ich irgendwann auch so eine kleine Familie. Meine eigene kleine Familie. Das hörte sich richtig gut an.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt