Kapitel 73

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Ich verteilte die Teller auf dem Tisch und schaute zu Papa, der gerade die Würstchen auf dem Grill drehte. „Danke für deine Hilfe", Mama stellte eine weitere Schüssel mit Grünfutter auf dem Tisch ab. Mmhh, duftete das lecker. Ich schnappte mir ein Stück von dem Brot mit Kräuterbutter, das auf dem Teller lag, den Mika gerade abstellte. „Kann ich noch etwas helfen?" Scheinbar wollte er wohl gleich einen guten Eindruck bei meinen Eltern hinterlassen. Uh, uh, das würde Luca dem Faulbären garantiert nicht gefallen. Schließlich versuchte er Mama doch immer Glauben zu machen, dass es schon alleine durch sein angeborenes Geschlecht ihm unmöglich sei, Geschirr in den Geschirrspüler zu bewegen, geschweige dann erst noch andere Dinge, die schlichtweg durch die Anatomie bedingt nur Frauen möglich waren. „Also so wie es aussieht, haben wir alles." Mama ließ einmal ihren Blick über den Tisch gleiten und nickte dann noch einmal bestätigend „Ja, hier ist alles fertig. Vielleicht braucht ja Leon noch deine Hilfe." Mika setzte sich sofort zu Papa in Bewegung. Also ich bezweifelte das ganz stark, dass Papa am Grill Hilfe benötigte. Das Teil war sein Heiligtum. Da ließ er niemand freiwillig ran, nicht einmal Marco und das wusste Mama. Also was sollte das? „Wann wolltest du uns eigentlich sagen, dass du mit Mika zusammen bist?" Aha, das sollte die Grillaktion. Sie wollte mich ungestört in die Mangel nehmen. Ich zuckte mit den Schultern. „Ist ja erst seit letzter Woche und ich habe das total vergessen." Das war ja nicht einmal gelogen. Irgendwie war der Gedanke für mich noch ziemlich ungewohnt. „Der Mika ist aber scho a Fescher", zwinkerte sie mir lächelnd zu. Ich nickte nur und griff mir ein weiteres Stück von dem leckeren Brot. Dann musste ich wenigstens nicht reden, denn das gehörte sich ja mit vollem Mund nicht. „Hier die Würste sind fertig." Mika hielt uns den Teller, den Papa ihm immerhin anvertraut hatte, entgegen. Mmmh, dufteten die lecker. Schnell schnappte ich mir gleich drei davon. Ja, drei. Schließlich hatte ich ja beim Training genug Kalorien verbrannt. Mika setzte sich neben mich und griff sich das Salatbesteck. „Du möchtest doch bestimmt Kartoffelsalat?" Ich nickte und er häufte einen kleinen Berg auf meinen Teller. Also dieser Futterservice hatte echt was für sich. Als Single war ich immer alleine für die Essensbeschaffung zuständig. „Ach wenn es erst wieder richtigen Krautsalat bei Oma gibt und den Leberkas vom Metzger Rieder." Mama bekam einen ganz schwärmerischen Blick. „Ich habe heute die Flüge für deinen Geburtstag gebucht. Maja kommt diesmal auch mit." Ihr Blick blieb bei Mika hängen. „Ja Herrgotkruzinoamoi", fluchte sie los. „Hättest du uns früher aufgeklärt, würde uns jetzt nicht ein Flug fehlen. Du kommst doch auch mit, oder?", wandte sie sich an Mika. „Wohin?" „Na nach München auf die Wiesn zu Lucys Geburtstag" klärte sie ihn schnell auf. „Ähm..." „Da ist er doch garantiert schon in Berlin beim Studium", unterbrach Papa ihn. Und wie es mir schien ziemlich zufrieden. „Außerdem ist das doch überhaupt nichts für einen Preußen." „Aber für einen Ruhrpottler?" Mama schaute ihn kopfschüttelnd an. „Ich war ja durch den Verein vorbereitet", grinste Papa „Aber so ein Preuße steht das nicht." „Also, ich würde gerne mitkommen." Mika schien sich nicht so leicht abdrängen zu lassen. „Außerdem bin ich ja halb Schwabe." „Das ist ja noch schlimmer", brummte Papa. „Da werde ich schon mit den Bierzelten klarkommen. Ich will doch Lucy auch in ihrem neuen Dirndl sehen. Einer muss ja kontrollieren, dass die Schleife auch ordnungsgemäß rechts gebunden ist." Er zwinkerte mir zu. „Ah, du kennst dich damit aus." Mama war sofort begeistert. „Da kannst du dir mal ein Beispiel dran nehmen, Krapfen." Papa verzog nur das Gesicht und brummte etwas unverständliches vor sich hin. Ich könnte gerade nicht sagen, ob es sich dabei um etwas gegen Mika oder gegen das bayrische Brauchtum handelte. Beides war ziemlich wahrscheinlich. „Dann lass uns mal gleich schauen, dass wir noch einen Flug nachbuchen." Mama schnappte sich eine von den Bratwürsten und verschwand im Wohnzimmer. Mika sprang auch auf, um ihr zu folgen. „Setz dich. Sie holt nur das Tablett." Ich zog ihn an seiner Hand wieder auf den Stuhl neben mir und schob ihm den Teller mit dem leckeren Brot hin „Musst du probieren, ist voll lecker." Ja, zu so einer Partnerschaft gehörte dann ja wohl auch, dass ich ihn genauso mit Essen versorgte. „So, dann lasst uns mal gleich schauen." Mama setzte sich wieder und begann am Tablett zu tippen. „So ein Mist aber auch. Der ganze Flug ist ausgebucht." Sie schaute uns verzweifelt an. „Was machen wir denn jetzt? Dann canceln wir die alle und fahren mit dem Auto", grinste sie im nächsten Moment. „Spinnst du?" Papa schaute sie schockiert an „Für ein Wochenende kurbele ich da doch nicht stundenlang über die Autobahn." „Aber mit Marco auf dieser blöden Rennstrecke, oder wie?" Papa winkte ab „Der Nürburgring ist doch ganz was anderes. Ich habe aber keinen Bock Stau zu spielen." „Ähm .... ich könnte ja vielleicht von Berlin fliegen", mischte sich Mika ein. Mama schlug sich mit der Hand vor die Stirn „Na klar, warum bin ich da nicht gleich draufgekommen? Das ist ja auch für dich viel praktischer." Sofort tippte sie wieder und fing an zu grinsen. „Flug ist gebucht. Jetzt müssen wir nur noch Oma Bescheid sagen, dass wir Zuwachs haben. Ja mei, die wird sich damisch freuen." Ja, das vermutete ich auch, denn meine Oma konnte die Hütte nie voll genug haben. „Da müssen wir gleich drauf anstoßen. Magst du auch ein Bier?" Mama hielt Mika eine Flasche hin. Natürlich traute er sich da nicht nein zu sagen. „Warst du denn schon einmal auf der Wiesn?" Oh nein, Mika schüttelte den Kopf, das bedeutete..."Also das ist ja...." Ja, das bedeutete, dass er jetzt eine rundum Einführung von Mama bekam. „So, nachdem wir jetzt satt sind und alles über das Münchner Oktoberfest wissen, wird es langsam Zeit für das Bett." Papa gähnte übertrieben. Ich schaute auf meine Uhr. Okay, es war wirklich schon kurz vor 10. Der Signalton von Mikas Handy und meinem ertönte gleichzeitig. Ich schaute auf mein Display. Eine Nachricht mit einem Foto von Max und Leo, wie die beiden mit einem Delfin zusammen in die Kamera grinsten. „Grüße von Leo aus Curacao." Mika reichte Mama sein Handy. „Sie bombardiert die ganze Familie in den letzten 14 Tagen damit und denkt in aller Regel nicht an die Zeitverschiebung." Er schüttelte nur grinsend den Kopf. „Das muss da echt schön sein. Und so wie es ausschaut, genießen die beiden ihre Hochzeitsreise und die Karibik." Papa schaute auch auf das Handy „Also ich hatte andere Ideen damals auf der Hochzeitsreise als mit Delfinen zu kuscheln", grinste er Mama frivol an. „Krapfen!" Ihr Blick war warnend. Ich schaute noch einmal auf den Delfin und musste sofort an Carmen und ihren Wunsch denken. Ja, so mit einem Delfin schwimmen war bestimmt toll. Sie wäre garantiert total aufgeregt und ihre blauen Augen würden nur so funkeln.  „So, ich werde denn auch mal gehen." Mika erhob sich langsam. „Wo hast du überhaupt dein Auto?" Mir fiel wieder ein, dass ich es nirgends gesehen hatte. „Mika hat Alkohol getrunken, der kann doch nicht mehr Auto fahren." Mama schaute mich empört an. Nicht? Okay.  „Seit wann ist Bier Alkohol. Bei euch in Bayern ist das doch ein Grundnahrungsmittel, Schnuggerl", zog Papa Mama auf. „Ja, aber hier nicht, Krapfen. Ihr wisst ja nicht, wie man das richtig braut und haut deshalb so viel Alkohol rein." „Dafür müssen wir wenigstens nicht in die Muckie-Bude, damit wir überhaupt das Glas anheben können. Und das richtige Bier kommt von hier aus dem Pott."  Mama schien völlig unbeeindruckt. „Ich gebe euch gleich noch Bettzeug in dein Zimmer." „Nichts da", knurrte Papa „Er schläft im Gästezimmer." Häh? Musste ich das verstehen? „Aber Luca schläft doch auch immer bei Maja." Also nicht, dass es mir wirklich so wichtig war, dass Mika in meinem Bett schlief.... aber Ungerechtigkeit konnte ich nicht ausstehen. „Das ist ja auch Marcos Tochter und nicht meine. Er..." Papa deutete mit seinem Kopf auf Mika. „Kann gerne meine Bratwürste essen, aber nicht seine hier versenken." Boah, ging es noch peinlicher? „Vorher wird erst einmal ein ernstes Gespräch geführt." „Lass dieses blöde Gespräch, Krapfen. Du hast ja bei Tessa gesehen, wo das hinführt. Da baue ich lieber auf den Aufklärungsunterricht in der Schule", mischte Mama sich ein. „Na das hat dann ja wohl auch nicht gefruchtet. Und Dodo und sie waren waren in einer Klasse." Ich spürte wie mein Kopf fast platzte, weil so ziemlich jeder Blutstropfen dort angekommen schien. Es ging also wirklich noch peinlicher. „Also, wann wollen wir das Gespräch unter Männern führen?" Papa schaute Mika herausfordernd an. Okay peinlich, peinlicher, am peinlichsten. Ich riskierte einen Seitenblick, ob er schon in den Startlöchern stand, um einen Abgang zu machen. „Jederzeit, wenn es dir passt", kam aber nur die selbstbewusste Antwort. „Na dann, willkommen in unserem Gästezimmer." Mama schüttelte nur den Kopf und ich atmete erleichtert auf, denn so wie mein Zimmer aussah, hätte sich Mika ja die Ohren gebrochen, um ins Bett zu kommen. Zimmer aufräumen musste ab sofort nach ganz oben auf meine To-do-Liste. Ja, so ein bisschen kuscheln wäre ja vielleicht ganz cool.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt