Kapitel 93

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Immer noch terrorisierte die Türklingel unsere Gehörgänge. Im Flur hörte ich etwas rollen und dann das Öffnen der Wohnungstür. Ließ er die oide Brunzkachl jetzt wirklich hier rein? Das konnte ich nicht verstehen. Ich spürte, wie eine Welle der Enttäuschung über mich schwappte. Er hatte Carmen doch versprochen, dass sie nie wieder hier reinkam. Wieso brach er dieses Versprechen nach so kurzer Zeit schon. Ich legte meinen Arm bei der Kleinen um die Schulter und zog sie an mich. Die Wohnungstür wurde wieder geschlossen und abrupt verschwand das nervige Geräusch der Türklingel. Toll, dann konnte es ja nur noch Sekunden dauern bis uns die holde Stimme der Alten aus den Ohren bluten ließ. Ich zog Carmen noch fester an mich. „Was ist denn hier für eine Stimmung?" Andi setzte sich wieder gutgelaunt an den Tisch. Wo war die oide Trutschn? „Hast du Marlen nicht reingelassen?" Carmen schaute ihren Vater skeptisch an als würde sie gleich hinter ihm auftauchen. Andi schüttelte grinsend den Kopf. „Ich habe dir doch etwas versprochen, Schne.....Flipper." Die Kleine stieß einen Jubelschrei aus und fing an zu strahlen. „Ich habe nur ihren Koffer vor die Tür gestellt. Das sollte sogar der dümmste Mensch verstehen und dann die Türglocke ausgestellt." „Marlen ist aber noch viel dümmer", gackerte die Kleine gut gelaunt. Wie zur Bestätigung ertönte lautes Gebummer an der Haustür und danach Gekeife. Andi schaute genervt in die Richtung, stand auf und schloß einfach die Küchentür. „So, dann ist es nicht mehr so laut." Ich schaute ihn verwundert an „Hast du keine Angst, dass sich die Nachbarn beschweren?" Andi schüttelte grinsend den Kopf „Das ist der Vorteil, wenn du in einem Haus mit älteren schwerhörigen Leuten wohnst. Die beschweren sich ja auch nicht über unsere Radaubraut da neben dir. Außerdem hat Marlen keine gute Kondition. Die gibt sowieso bald auf." „Ist ja auch nicht mehr die Jüngste", schoss es mir aus dem Mund, ehe ich es stoppen konnte. „Ich bin keine Radaubraut", protestierte Carmen glücklicherweise im gleichen Augenblick. Ich schaute zu Andi, der es sich zumindest nicht anmerken ließ, wenn er meinen Ausspruch gehört hatte. „So, dann lasst uns jetzt schön essen." Ich begann zu löffeln. „Das ist ja mal lecker", lobte er uns und ich sah wieder den Stolz in Carmens Augen aufblitzen. Auch der Kuchen war ein voller Erfolg. Ich fragte mich, was sich Andi wohl beim Ausblasen der Kerze gewünscht hatte. So wie er zu seiner Tochter geschaut hatte, hatte der Wunsch bestimmt etwas mit ihr zu tun. „Jetzt musst du aber das Geschenk aufmachen." Carmen reichte ihrem Papa den Karton und er zog sofort die Schleife auf und öffnete den Deckel. Zum Vorschein kam eine Tasse und eine Müslischale mit einem Foto darauf. Wir hatten das extra in einem Shop aufdrucken lassen. Andi drehte beides in seinen Händen hin und her und betrachtete es ganz genau. „Das ist ab sofort meine neue Lieblingstasse und Müslischale." Mir fiel ein Stein vom Herzen als ich seine Begeisterung sah, denn ich war mir nicht so sicher, ob ihm das wirklich gefiel. Mit seinem Daumen strich er über das Foto auf der Tasse. „Wann habt ihr denn das Foto gemacht? Das ist echt schön." „Das hat Dumbo im Zoo von uns gemacht", klärte ihn die Kleine begeistert auf. Ja, sie hatte auf ein Foto von uns beiden bestanden, weil das Geschenk ja auch von uns beiden war. Mir war bei der ganzen Sache ja nicht so wohl gewesen, aber gegen Carmen kam man einfach nicht an, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. „Papa können wir noch einen Film gucken? Den von Ratatouille, weil ich doch heute auch gekocht habe?" „Na klar. Heute ist ja Freitag und morgen ist schulfrei. Also ab auf die Couch, Flipper." Ich begann den Tisch abzuräumen. „Was machst du da?" Wie meinte Andi das? Sah man das nicht? „Ich spüle noch schnell ab und stelle alles in den Geschirrspüler und bin dann auch gleich weg." Schaute er gerade enttäuscht? Nee, das bildete ich mir garantiert nur ein. „Bist du noch verabredet?" Ich schüttelte den Kopf. Nee, Mika kam ja heute erst abends und wollte dann auch noch zum Training von seiner alten Mannschaft. Wir waren erst morgen verabredet und wollten endlich unseren Kinobesuch nachholen. „Dann setzt du dich jetzt auf die Couch zu der Kleinen und ich räume hier alles weg." Er schob mich zur Küchentür. Mm, was sollte ich da machen. Ergeben lief ich ins Wohnzimmer und wurde schon freudig von einem kleinen Mädchen im Schlafanzug erwartet.....
Andi schaute auf Carmen, die zwischen uns eingekuschelt auf dem Sofa eingeschlafen war. Sie hatte es nicht einmal mehr die Hälfte des Films geschafft die Augen aufzuhalten. „Ich werde dann auch mal gehen." Vorsichtig versuchte ich mich zu erheben, ohne die Kleine zu wecken. „Warte." Andi hob sie auf seine Arme „Ich lege sie nur schnell ins Bett." Ehe ich etwas antworten konnte, war er auch schon mit ihr verschwunden. „So, da bin ich wieder." Lächelnd tauchte er ein paar Minuten später wieder mit einer Flasche Cola und zwei Gläsern in der Hand auf. „Leistest du einem alten Mann noch etwas Gesellschaft?" Was sollte ich denn da sagen? Nein wäre ja unhöflich, wo er heute doch Geburtstag hatte. „Wo ist hier ein alter Mann? Mein Papa ist doch gar nicht da", rutschte es mir heraus. Ich spürte sofort eine gewisse Hitze in meinen Wangen. „Danke, für das Kompliment, aber ein ziemlich älterer Bruder könnte ich schon sein." Das war nicht gerade die Antwort, die diese blöde Hitze verschwinden ließ. Manno, das war gerade mega peinlich. Ich schnappte mir schnell das Glas Cola, das Andi gerade eingegossen hatte und versuchte mich dahinter zu verstecken, ehe ich noch mehr Müll von mir gab. „Ihr habt mich heute echt überrascht. Danke, das du dich immer so um Carmen kümmerst." Mist, ich spürte schon wieder so eine Wärme aufsteigen. Verflixt no amoi. „Die Störung von Marlen tut mir echt leid." Wieso entschuldigte er sich denn? Er konnte doch nichts dafür, wenn sie hier antanzte. Und seine Reaktion war ja 1A. Andi schaute mich nachdenklich an. „Ich würde mich auch irgendwie besser fühlen, wenn du heute hier übernachtest. Nicht, dass sie da noch irgendwo draußen rumrennt und dich auflauert." So besorgt wie er schaute, machte er sich wohl wirklich Gedanken. Ich schaute zur Uhr. Es war schon 22 Uhr. Ehrlich gesagt hatte ich da auch keine Lust mehr nach Bochum zu rödeln. So gerne fuhr ich auch nicht alleine im Dunklen. „Okay, ich bleibe hier", stimmte ich zu und tippte schnell eine Nachricht an Mama, damit sie Bescheid wusste. „Gute Nacht, Spatzl", kam auch sofort die Antwort zurück. „Und du willst also Logopädin werden", wechselte Andi auf einmal das Thema und schaute mich interessiert an. „Weißt du denn schon, wo du studieren willst?" Ja, da hatte ich mich schon schlau gemacht. „An der Hochschule für Gesundheit in Bochum." Ich hatte nämlich absolut keine Lust von meiner Familie wegzuziehen. Okay, München wäre auch noch in Frage gekommen, aber nein.....ich wollte in Papas und Mamas Nähe bleiben, schließlich baute ich mit Papa doch gerade eine richtig coole Damenmannschaft beim VfL auf und ich hatte versprochen den Teamleiterschein zu machen, damit ich eine Mannschaft mit den Stöpseln übernehmen konnte. Vielleicht konnte ich ja Carmen in die Mannschaft locken? „Dann bleibst du uns ja erhalten", strahlte Andi mich erleichtert an. Klar, er hatte Angst, dass er sich einen neuen Babysitter suchen musste. Aber ehrlich gesagt wollte ich auch weiter in Carmens Nähe sein. Schließlich hatte ich doch den Deal mit da oben gemacht, dass ich sie nie wieder im Stich lassen würde.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt