„Mensch Spatzl, du bist ja ganz blass um die Nase." Mama hielt mir die Autotür auf, damit ich aussteigen konnte. „Sie hat Angst einen von den kleinen Windelscheißern im Taufbecken zu ertränken", kicherte mein Bruder dämlich neben mir. Er war auch gerade aus Papas Auto ausgestiegen. „Ach Quatsch, Dodo. Da musst du keine Angst haben, erstens sind die Teile viel zu klein, da passen die Wonneproppen gar nicht rein und außerdem gehen die beiden Opas mit denen ja immer zum Babyschwimmen. Die beiden sind also schon geübt untergestukt zu werden." Scheinbar fand Papa Marcos Einsatz als Opa wohl etwas übertrieben. Wenn ich ehrlich war, ging mir wirklich die Flatter. Ich hatte noch nie ein Kind über ein Taufbecken gehalten. Was, wenn mir Chrissi durch meine verschwitzten Hände rutschte und da hineinfiel? Oder wenn ich überhaupt irgendetwas falsch machte? Ich war doch katholisch und hatte keine Ahnung, wie das in einer evangelischen Kirche funktionierte. Andi hatte gestern noch versucht mich zu beruhigen. Er hatte gesagt, ich müsse Chrissi einfach nur halten. Manno, wenn ich da vorne so im Rampenlicht stand, dann bekam doch jeder mit, wenn ich etwas falsch machte. Selbst der Gedanke an Andi konnte mich gerade nicht beruhigen, obwohl er das sonst immer konnte. Blöd, dass wir uns und unsere Gefühle heute verstecken mussten. Ich schaute mich um und entdeckte ihn zusammen mit Marvin. Sie standen vor dem großen Kirchenportal und unterhielten sich. Andi trug einen dunklen Anzug und dieses türkisfarbene Hemd mit einer passenden Krawatte, das immer seine Augen wie das Meer vor Ibiza leuchten ließ. Ich liebte diese Augen und sein kurzes leicht verwuscheltes blondes Haar. In mir breitete sich dieses Kribbeln aus, auf das ich nie wieder verzichten wollte. Manno, wie gerne würde ich zu ihm gehen und mich von ihm in den Arm nehmen lassen. Das würde mich mit Sicherheit beruhigen. Scheinbar hatte er meine Blicke wohl bemerkt und zwinkerte mir unauffällig zu. Sofort schlug mein Herz noch etwas schneller. Auf wackeligen Beinen folgte ich Luca zum Kofferraum. „Soll ich die Luftballons mit den Geschenken nehmen?" Er griff nach den beiden Teilen. Ich hatte für meine beiden Patenkinder eine Kette mit einem kleinen Kreuz besorgt und die kleinen Schmuckschatullen hübsch in Luftballons mit Konfetti verpacken lassen. „Nicht dass du loslässt und sie davon flattern, so aufgeregt wie du bist." Er legte seinen Arm beruhigend um meine Schulter und ich nickte. Wieso packte er die Ballons denn zurück in den Kofferraum? „Komm mal her, Dodo" Ehe ich wusste wie mir geschah, zog er mich in seine Arme und drückte mich ganz fest „Du ertränkst schon keins von den Schreihälsen. Keine Angst." Ich nickte sparsam. Wie konnte er sich da so sicher sein? Was wenn mir Chrissi doch durch die Hände glitt? Sofort fiel mir wieder mein Horoskop ein Sie sorgen für eine Menge Aufsehen und Aufregung Das konnte doch nur heißen, dass ich bei der Taufe Mist baute. Es war wirklich das erste Mal, dass ich mich ärgerte, dass ich das blöde Ding gelesen hatte, denn seitdem war ich noch nervöser. Wenn es sogar schon in den Sternen stand, dass ich als Taufpate versagte. Ich musste schlucken. Tessa hätte sich doch lieber jemand anderen aussuchen sollen. Luca löste sich von mir und griff wieder nach den Ballons, ehe er mir die Taufkerzen reichte, die ich für die beiden verziert hatte. „Und wenn du sie im Becken versenkst, denk dran, die Zwerge haben einen natürlichen Reflex die Luft anzuhalten." Schmunzelnd zwinkerte er mir zu. Idiot! „Ach, da ist ja meine wunderschöne Mitpatin." Nils kam zu uns und umarmte mich. In seinem dunklen Anzug mit der rosa Krawatte sah er ungewohnt konservativ aus. Die Krawatte passte perfekt zu dem rosa Kleid, das ich trug. Das war wahrscheinlich auch der Plan, denn Nils hatte das Kleid zusammen mit mir bei unserem letzten Shoppingtrip für Tessas Geburtstag ausgesucht. Sofort musste ich wieder an den Abend in der Beachvolleyball-Halle denken und mir wurde etwas wärmer. Das war der Abend an dem alles mit Andi ins Laufen kam. Vier Wochen war das jetzt schon her. Mist! Bis jetzt hatte ich weder Nils noch Tessa über die Änderung meines Singlestatus informiert. Durch die ganze Abipaukerei und mein abendliches Kuscheln war ich gar nicht dazu gekommen, mit ihnen zu telefonieren. Na ja, die beiden hatten ja auch nicht viel Zeit im Moment, versuchte ich mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Tessa steckte mitten in den Zwischenprüfungen und Nils war dabei die neue Merchandise Kollektion für die nächste Saison zusammen zu bekommen. Da hatten wir nur ab und zu geschrieben und so etwas Wichtiges wollte ich schon persönlich von Angesicht zu Angesicht erzählen. Vielleicht ergab sich ja nachher noch eine kurze dezente Gelegenheit dafür. Obwohl nee, heute war ganz alleine Chrissi und Allis Tag. „Dann lass uns mal nach unseren bezaubernden kleinen Weidi-Mäusen schauen." Nils hakte sich bei mir unter und zog mich zum Kircheneingang, wo Tessa und Leo bereits warteten. „Wo sind denn unsere beiden Weidi-Mäuse?" Nils schaute die Eltern der beiden enttäuscht an. „Wo wohl", schnaubte Tessa und deutete mit ihrem Kopf Richtung Kircheninneres. „Die Opas zeigen ihnen schon einmal alles, damit sie nachher keine Angst bekommen", klärte uns Leo auf. Ja, das war gut. Es war bestimmt leichter ein entspanntes Baby über das Taufbecken zu halten, als ein wild strampelndes und schreiendes. Vielleicht sollte ich mir auch alles anschauen, um ruhiger zu werden? Nee, ich kannte die Kirche ja schon von der Hochzeit. „Na, aufgeregt?" Nickend schaute ich zu Phil auf, der mich zur Begrüßung in seine Arme gezogen hatte. „Du machst das schon." Er strich mir beruhigend über meinen Rücken. Das tat gut und entspannte mich wirklich etwas. Die Glocken begannen lautstark über uns zu läuten. „Dann wird es wohl Zeit reinzugehen." Wieder nickte ich nur und fühlte mich wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wurde. Klar, wollte ich gerne die Patin von den beiden Windelpupsen sein, aber den Auftritt vor den vielen Leuten hätte ich dafür nicht gebraucht. Ich wollte doch nur für die beiden da sein, wenn sie mich brauchten. Egal, das gehört halt dazu. Wer das eine wollte, musste auch das andere lieben. Ich schaute mich noch einmal um. Manno, warum waren das so viele Leute? Weil es ein großer Taufgottesdienst mit mehreren Täuflingen war. Mit weichen Knien schloss ich mich dem Strom, der in die Kirche drängte, an. Manno, war die zur Hochzeit auch schon so groß? Ich schaute das lange Kirchenschiff entlang und entdeckte Tessa, die mir zuwinkte. Sie hatte ja Plätze für Nils und mich in den vorderen Reihen reserviert. Ich schluckte. Dann wurde es jetzt wohl ernst. Ich schaute auf die Kerzen in meiner Hand. Hoffentlich schmolzen die nicht. Eine leichte Berührung in meinem Rücken ließ mich umdrehen. Ich schaute in die schönsten blauen Augen, die es auf dieser Welt gab und die mir mutmachend zuzwinkerten. Ja, es konnte gar nichts schief gehen. Andi war ja hier. Und wenn er in meiner Nähe war, dann schaffte ich alles. Ich straffte meine Schultern und lief zügig nach vorne zu Tessa. „Na endlich. Ich dachte schon du ergreifst die Flucht", kicherte sie. „Ich doch nicht", antwortete ich im Brustton der Überzeugung und drückte ihr die Kerzen in die Hand, ehe ich mir von Marco, der mich schmollend anschaute, die kleine Chrissi schnappte. Ja, ich war hier die Taufpatin und das würde ich auch allen voller Stolz zeigen, genauso wie ich immer für diese kleinen Mäuse da sein würde, wenn sie mich brauchten.
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Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️
RomanceLucy kommt sich so langsam wie das letzte Einhorn vor. Alle ihre Freundinnen haben einen Freund, nur sie nicht. Und der Kerl für den sie schwärmt, sieht in ihr alles mögliche - die Babysitterin und die Tochter seiner Kollegin - aber nicht das, was s...