Kapitel 186

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„Aber ich habe ihn doch nicht hintergangen", quietschte ich empört auf. „Nicht? Wie würdest du es denn empfinden, wenn Andi hinter deinem Rücken irgendwelche Aktionen mit deinem größten Feind reiten würde?" Ich zuckte mit den Schultern. Eigentlich hatte ich keine Feinde. Und wenn, dann hätte ich so viel Vertrauen zu ihm, dass er nichts machte, was mir schaden würde. „Was du gemacht hast ist ein fetter Vertrauensbruch." Wieso? Ich war doch bisher nur noch nicht dazu gekommen ihm alles zu erzählen. Außerdem sollte er doch wissen, dass er und Carmen zusammen mit meiner Familie die wichtigsten Personen in meinem Leben waren. Ich würde doch nie etwas machen, was sie gefährdete. Vor meinem inneren Auge tauchte Andis Gesicht auf. Er hatte mich gestern erst nur enttäuscht angeschaut, ehe er dann wütend geworden war. Und die Sachen, die er mir an den Kopf geschmissen hatte, waren nicht wirklich nett gewesen. Er hatte mich verantwortungslos genannt. Sofort zog sich mein Magen wieder zusammen. Und er hatte mir verboten mich weiter um Carmen zu kümmern, nachdem ich ja scheinbar andere Prioritäten gesetzt hatte. Das war so ungerecht. Ich spürte eine ungeheuere Wut in mir aufsteigen.„Er hat doch kein Vertrauen in mich. Ist das vielleicht okay?" Luca verzog nur sein Gesicht. „Dodo, du hast einfach tierische Scheiße gebaut. Du wusstest, dass er sogar eine einstweilige Anordnung gegen sie erwirkt hat. Du hast gesehen, was sie mit Flipper angestellt hat. Ist doch klar, dass er seine Familie vor dieser Frau beschützen will. Und dann bekommt er mit, wie du mit ihr auf dicke machst. Jetzt denkt er doch, er und die Kleine bedeuten dir nichts und du bringst sie einfach so in Gefahr." Luca starrte mich sauer an. „Ich frage mich echt manchmal, wie blöd du eigentlich sein kannst?" Man, warum war der denn jetzt auch wütend auf mich. Ich verstand das überhaupt nicht. Ich wollte doch nur jemandem helfen, der unbedingt Hilfe brauchte. Was konnte denn daran falsch sein? „Aber Marlen...." „Boah, wenn ich den Namen von dieser abgehalfterten Trude schon höre." Wo kam Papa denn auf einmal her. „Reicht ihr die Bude jetzt nicht mehr? Braucht sie vielleicht auch noch ein Auto und ein paar Schönheits OPs?" Luca schaute mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir. Ich wusste, was das heißen sollte. Wieso wusste Papa davon und ich nicht? „Was ist überhaupt los? Du siehst ja völlig verheult aus, Dodo?" Papa zog sich auch einen Stuhl neben mir heran und legte besorgt seinen Arm um mich. „Was hat diese alte Schabracke gemacht? Ich sage dir, wenn sie dir irgendetwas getan hat, kommt sie nicht ungeschoren davon. Dann mache ich sie fertig. Ich habe doch gleich gesagt, dass sie es überhaupt nicht verdient, dass ihr ihr helft. Wer so viel Scheiße baut ändert sich nicht", wütete er lautstark los. „Aber ..... aber Genia hat doch...", schluchzte ich los. „Wer ist jetzt schon wieder Genia? Hat sie jetzt noch eine Nutte angeschleppt, oder was?" „Marlen ist eigentlich mit richtigem Namen Genia", klärte Luca ihn im ruhigen Ton auf. Papa winkte ab. „Ist ja auch egal. Also was hat die alte Hexe jetzt schon wieder verbrochen? Ist etwas mit dir oder mit Carmen?" Er musterte mich besorgt. Ich schüttelte den Kopf. „Andi ist sauer auf mich, weil ich ihr helfe", schluchzte ich. „Das kann ich verstehen. Ich finde es auch total bekloppt, aber deine Mutter ist ja genauso dämlich veranlagt wie du. Die Alte hat ihr Leben selbst verbaselt also ihr Problem. Alles was sie bekommen hat, hat sie auch verdient. Und eure Hilfe hat sie mit Sicherheit nicht verdient. Die gehört einfach in die Gosse und fertig." Papas Ansicht schockierte mich. Ob ihre Eltern wohl genauso gedacht haben? „Und wenn ich das wäre? Würdest du dann genauso denken?", schoss es mir aus dem Mund. Papa schaute mich schockiert an. „Natürlich nicht, Dodo. Was für eine dusselige Frage. Wir hätten dafür gesorgt, dass es gar nicht erst soweit kommt." „Tja, dieses Glück hat aber nicht jeder", mischte sich Luca ein. „Also wirf Dodo gefälligst nicht vor, dass sie jemand ist, der sich um andere kümmert. Sie ist einfach ein hilfsbereiter Mensch und das ist auch gut so." „Aber nicht, wenn sie sich ausnutzen lässt", widersprach Papa. „Ich lasse mich nicht ausnutzen", begehrte ich auf. „Genau, trau deiner Tochter mal ein bisschen mehr Menschenkenntnis zu. Außerdem kann es ja wohl nicht sein, dass du der Meinung bist, wer einmal einen Fehler macht, hat keine Unterstützung verdient. Wo ist denn da deine immer so hoch gepriesene soziale Verantwortung für die Gesellschaft? Gehören Leute, die aus verschiedenen Gründen am Rande der Gesellschaft gelandet sind nicht mehr zu dieser Verantwortung? Oder besteht die nur darin einen Scheck auszufüllen und sich gut zu fühlen?" provozierte Luca ihn. „Pass mal auf, du Klugscheißer", echauffierte sich Papa sofort. „Ich übernehme eine Menge soziale Verantwortung und fülle nicht nur Schecks aus. Wer hat denn für die Wohnung von der Alten gesorgt?" „Man, nun hört doch mal auf zu zoffen!" Ich wollte nicht noch mehr Streit. „Darum geht es doch gar nicht." „Worum dann?" Papa schaute irritiert. „Andi.....", fing ich an. „Der Vollidiot hat einen Streit mit Dodo vom Zaun gebrochen, weil sie Genia hilft", schnitt Luca mir das Wort ab. Hatte er eben Andi Vollidiot genannt? Aber vorhin war er doch noch auf seiner Seite? „Und das stört ihn erst jetzt? Das geht doch schon mindestens zwei Wochen so." Papa schüttelte ungläubig den Kopf „Der ist aber auch nicht der Schnellste." „Er hat es erst gestern mitbekommen, als sie mich angerufen hat und er an mein Handy gegangen ist", gab ich wieder einmal kleinlaut zu. „Wie bitte?" Papa schaute mich mit aufgerissenen Augen an. „Das ist doch wohl nicht dein Ernst, dass du mit ihm über so etwas Wichtiges nicht gesprochen hast. Ich hätte dir echt mehr Reife und Verantwortung zugetraut. Da kann ich gut verstehen, dass er stinksauer ist." Ich zuckte zusammen. Das war schon die zweite Ansprache heute, die in diese Richtung ging. Wahrscheinlich würde Luca auch gleich wieder mit auf den Zug aufspringen und sie würden mich beide fertig machen. Prima, das war genau das, was ich gerade noch gebrauchen konnte. Am besten sollte ich einfach die Ohren anlegen und dann in mein Zimmer verschwinden und meine Wunden lecken. Vielleicht hatten sie ja recht und ich war viel zu unreif für eine Beziehung. Aber ich hätte doch auch nicht einfach die Augen vor Genias Not verschließen können. Dann könnte ich ja nicht mehr in den Spiegel gucken. „Das hat doch nichts mit Verantwortung zu tun. Der Idiot sollte lieber stolz sein, dass Dodo Verantwortung für jemand übernommen hat, der Hilfe brauchte", verteidigte mich Luca. Überrascht schaute ich zu ihm und er zwinkerte mir aufmunternd zu. „Wenn der Idiot kein Vertrauen in sie hat, hat er sie nicht verdient. Und fertig!" Papa schaute noch nicht ganz überzeugt. „Was hat er denn gesagt?" Ich wiederholte ein paar der Sachen, die Andi mir an den Kopf geschmissen hatte, obwohl es mir eigentlich peinlich war, aber irgendwie wollten sie halt raus. „Wie bitte?" Papa fuhr hoch. „Er hat dir verboten dich um die Kleine zu kümmern?" Ich nickte und schluckte fest. „Der hat doch wohl ein Rad ab. Den knöpfe wir uns nachher gleich vor." Sein Blick wanderte zu Luca, der nur zustimmend nickte. Oh nein, bitte nicht. Ich hatte so das Gefühl, dass das alles nur noch schlimmer machte. „Nein, das müssen wir alleine klären", wies ich sie also in ihre Schranken. Wenn die beiden bei Andi aufschlugen, hielt er mich doch wirklich für ein Kleinkind, das nicht einmal die Verantwortung für sein Tun übernahm. Nee, ich würde mir etwas einfallen lassen und dann ein vernünftiges Gespräch mit ihm in Ruhe führen, wo ich ihm erklärte, warum ich Genia half. Das würde er dann auch garantiert verstehen. Aber nicht heute. Heute musste ich erst einmal ein bisschen schlafen, denn so langsam spürte ich doch die Müdigkeit über mich hereinbrechen, und mir dann einen guten Plan zurecht legen. „Okay, da hast du recht." Papa nickte einsichtig. „Aber dann lenken wir dich jetzt erst einmal ab. Los zieht euch an. Wir gehen in den Zoo und dann zu Mecces." Er grinste mich breit an und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel, so wie er es immer gemacht hatte, wenn ich als ich kleiner war, ein Problem hatte. Damals ging es dann auch immer in den Zoo. Eine unglaubliche Wärme breitet sich in mir aus. Ja, egal was kam, ein paar Sachen blieben doch wie sie waren. Und dafür liebte ich meine Familie umso mehr. Mir würde es nie wie Genia gehen. Und das war ein echt gutes Gefühl, zu wissen, dass da immer jemand war, egal was passierte.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt