„Jetzt stoßen wir erst einmal auf die Täuflinge an." Roman Weidenfeller stand mit einem Champagnerglas in der einen Hand und seiner einen Enkeltochter im anderen Arm in dem großen Wintergarten des Restaurants in dem die Tauffeier stattfand. „Du meinst wohl auf das Wohl unserer bezaubernden, wunderhübschen kleinen Enkelinnen", korrigierte Marco ihn und strahlte die kleine Chrissi, die mal wieder zufrieden in seinem Arm kuschelte, an. Ja, ich hatte die Kleine nicht in dem Taufbecken ertränkt und sie auch so bei den gefühlt tausend Fotos, die Mama gemacht hatte, nicht fallen gelassen. Und das, obwohl meine Hände die ganze Zeit schweißnass waren. Wahrscheinlich war das schwarzgelbe Taufkleid, das Franzi extra für ihre Enkelinnen entworfen hatte, total klamm. Momentan war ich nur erleichtert, dass ich alles hinter mich gebracht hatte und dass mein Horoskop nicht dazwischen funkte. Ein Glück hatten die Dinger auch eine Fehlerquote. Und die kam mir heute mehr als recht. Sie sorgen für eine Menge Aufsehen und Aufregung. Nee, das musste echt nicht sein. Heute war ganz alleine Chrissi und Allis Tag. Und ehrlich gesagt, war ich nie scharf für Aufsehen und Aufregung zu sorgen, egal an welchem Tag. „Was möchten Sie? Champagner oder Orangensaft?" Die freundliche Bedienung war mit einem gefüllten Tablett vor mir aufgetaucht. „Ich nehme Champagner." Nils, der neben mir stand, griff begeistert zu. „Orangensaft, bitte." Alkohol war nicht wirklich mein Ding. Die Mass auf dem Oktoberfest hatte mir gereicht. Oder besser gesagt, die Kopfschmerzen danach. Mein Blick ging zu dem Geschenktisch, über dem meine Luftballons schwebten. „Du die Luftballons sind echt der Hammer, die will man gar nicht kaputt machen. Besonders bei der Farbe", grinste mich Tessa an und stellte sich auch zu Nils und mir. Auch sie hatte zu Orangensaft gegriffen. „Ich möchte mich bei euch allen bedanken, dass...." Marco setzte zu einer Rede an. „Haltet ihr nicht die Rede?", flüsterte ich Tessa zu, die sofort den Kopf schüttelte. „Nö, die beiden Opas wollten den Riesenauftrieb, dann sollen sie auch das Gesabbel übernehmen. Ich übernehme nur einen Satz." Ein breites Grinsen trat in ihr Gesicht. „Du weißt schon, den mit Buffet und eröffnet. Das ist aber auch der wichtigste." Ja, da hatte sie recht. Und so wie sich mein Magen anfühlte, hoffte ich, dass sie bald zu Wort kam. Klar wusste ich, dass Tessa und Leo eigentlich die Taufe nur im kleinen gemütlichen Rahmen bei sich zu Hause hatten feiern wollen. Und ich wusste auch, welche Diskussionen es gegeben hatte, bis sich die Opas schlussendlich doch durchgesetzt hatten. Um mich von meinem Hungergefühl abzulenken, das sich bei dem Wort Buffet verstärkt hatte, schaltete ich meine Ohren wieder auf Empfang und hörte Marco zu, der voller Begeisterung über seine Enkelinnen und ihre Zukunft philosophierte. Ja, eine wirklich glückliche und behütete Zukunft wünschte ich den beiden auch. Als Patentante würde ich mein bestes geben, um sie dabei zu unterstützen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Sie sollten wissen, dass sie egal mit was auch immer eine feste Anlaufstelle bei mir hatten. „Auch ich möchte noch ein paar angemessene Worte zu meinen beiden Enkelinnen sagen...." Na toll, wenn der andere Opa auch noch anfing zu reden, dann konnte es ja mit Tessas Das Buffet ist eröffnet noch etwas dauern. Mein Blick wanderte wie magnetisch angezogen zur anderen Seite des Raums, wo Andi zusammen mit Carmen stand. Unsere Blicke trafen sich und mir wurde gleich ein kleines Bisschen wärmer. Andi zwinkerte mir unauffällig zu. Sofort breitete sich ein Lächeln in meinem Gesicht aus. Hoffentlich hatte das niemand bemerkt. Ehrlich gesagt fiel es mir heute nicht gerade leicht, nicht der ganzen Welt zu zeigen, dass wir beide zusammengehörten. Wie gerne würde ich jetzt neben Andi stehen. Aber wir hatten ja unseren Plan zu warten. Ja, und nicht ohne Grund. Wir mussten ja auch auf Carmen Rücksicht nehmen und ihr das Ganze erst einmal schonend beibringen. Zwar glaubten wir nicht, dass das ein wirklich großes Problem wurde, aber trotzdem war sie noch ein Kind. Andis Kind. Deshalb würde sie auch die erste werden, die es erfuhr. Irgendwann in einem Vierteljahr. Verflucht, das war noch so lange. Wieder ging mein Blick zu Andi und wieder zwinkerte er mir zu. „So, dann bitte ich jetzt die Taufpaten zu Wort." Wie bitte? Hatte Opa Roman einen Vollknall? Ich war doch überhaupt nicht darauf vorbereitet hier eine Rede zu schwingen. Sie sorgen für eine Menge Aufsehen und Aufregung. Das hatte mein Horoskop dann wohl gemeint. Ich würde mit meinem Gestotter garantiert für eine Menge Aufsehen sorgen und alle würden sich über meine Unfähigkeit aufregen. Verflucht, meine Hände waren schon wieder total schweißnass und ich schaute hilfesuchend zu Nils. Hoffentlich würde er wenigstens als erster reden. „Ladies first", lächelte Opa Roman mir zu. Wer war jemals auf die dämliche Idee gekommen, dass man Frauen immer den Vortritt lassen musste? Bei sinkenden Schiffen und in Notsituationen okay, aber doch nicht bei so etwas wie einer völlig überflüssigen Rede. Warum hatte mich denn niemand vorgewarnt? Dann hätte ich wenigstens eine Chance gehabt, etwas vorzubereiten und auswendig zu lernen. Mit einem finsteren Blick bedachte ich Tessa, die nur mit den Schultern zuckte. Ich räusperte mich „Ich wün... wünsche" Manno, warum hörte sich meine stimme so dünn an? Schnell atmete ich noch einmal tief durch „Chrissi und Alli alles Glück dieser Welt und werde immer für sie da sein." Das musste reichen. So schnell wie ich das gepipst hatte, war davon wahrscheinlich nichts in den Ohren der Anwesenden angekommen, denn alle Blicke ruhten noch erwartungsvoll auf mir. Ich schaute zu Nils, der sein Glas Champagner in seinen Fingern drehte. Scheinbar nahm er meinen lautlosen Hilferuf wahr, denn er lächelte mich aufmunternd an und räusperte sich auch. Lässig legte er seinen Arm um meine Schulter und hauchte einen Kuss auf meinen Scheitel. „Ich schließe mich ganz meiner wunderbaren Vorrednerin an. Gemeinsam werden wir immer für die bezaubernden Weidi-Mäuse da sein und sie unter unsere Fittiche nehmen, um sie behütet durch ihr Leben zu führen. Wir werden sie vor den Modesünden ihrer Mutter bewahren." Ein Lachen ging durch die Feiergesellschaft. Nur Tessa schaute Nils finster an und hob drohend ihren Finger. „Tessa-Maus, Trainingsanzüge sind definitiv eine Modesünde, wenn man sie auch im Alltag trägt." Ich grinste, als ich sah, wie Leo seine Frau in den Arm nahm und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Scheinbar war es genau das Richtige, denn sie strahlte sofort wieder und ihr finsterer Blick war schlagartig verschwunden. „Und wir werden sie immer beim Fussball anfeuern, denn ich fürchte ihr Lebensweg in den besten Verein der Welt wird unumgänglich sein bei ihrem Stammbaum." Ein theatralisches Seufzen sorgte wieder für einige Lacher. „Also lasst uns unser Gläser erheben und auf diese beiden wundervollen kleinen Mädchen anstoßen und darauf, dass sie immer glücklich und gesund sein werden. Santé!" Nils hob sein Glas und prostete allen zu. Ich nahm auch schnell einen Schluck von meinem Orangensaft. Puh, das Schlimmste war überstanden. Ab jetzt konnte es nur noch angenehmer werden.
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Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️
RomanceLucy kommt sich so langsam wie das letzte Einhorn vor. Alle ihre Freundinnen haben einen Freund, nur sie nicht. Und der Kerl für den sie schwärmt, sieht in ihr alles mögliche - die Babysitterin und die Tochter seiner Kollegin - aber nicht das, was s...