„Bist du jetzt ausgezogen und wohnst fest bei Andi?" Papa schaute mich vorwurfsvoll an. „Man sieht dich ja kaum noch hier." Okay er zog auch noch die Schmollkarte. „Keine Angst, ich bleibe dir noch lange erhalten. Im Moment muss Andi nur immer so lange arbeiten und dann muss ich das Lernen nicht unterbrechen, um nach Hause zu laufen. Und morgens muss ich ja Carmen dann sowieso wieder zur Schule fahren."„Und mein kleiner Flipper fehlt mir auch", brummte er wenig überzeugt. „Ihr könntet doch beide hier schlafen, wenn Andi noch unterwegs ist. Dann wärt ihr auch nicht alleine." Ich musste lachen. Ja, Carmen hatte sich ganz tief in Papas Herz geschlichen seit sie bei uns gewohnt hatten. „Genau, dann wären wir nicht alleine und du würdest Carmen bis in die Puppen wach halten. Mit Lernen wäre dann Essig." Papa verzog sein Gesicht. „Ich komme aber morgen mit der Kleinen zum Training. Sie will zugucken und dann kannst du sie vielleicht überzeugen zu den Minis vom VfL zu wechseln." Sofort erhellte sich sein Gesicht. „Der VfL spricht für sich selbst, da brauche ich sie nicht lange zu überzeugen. Aber ich spreche morgen gleich einmal mit Juppi, dass er zuschaut. Carmen soll einfach auch ihre Trainingssachen mitbringen und bei euch ein Bisschen mitmachen." „Geht klar. So, ich muss dann aber auch mal wieder. Carmen war heute bei Dani und Jasi wollte sie gleich nach Hause bringen." Schnell schlüpfte ich an der Garderobe in meine Stiefel und Jacke und machte mich auf den Weg. Wenn ich mich beeilte, konnte ich bevor die Kleine kam noch schnell Staubsaugen und das Essen vorbereiten.
Als ich die Haustür aufschloss, hörte ich leise Stimmen aus dem Wohnzimmer. Das waren eindeutig Männerstimmen. Nanu, wieso war Andi denn schon Zuhause? Hatte er nicht gesagt, dass er heute erst wieder spät kam? Ich spitzte meine Ohren weiter und hörte leise Kinderstimmen aus Carmens Zimmer. Dann hatte wohl Marvin die Kleine nach Hause gebracht. Staubsaugen konnte ich dann wohl vergessen, aber ein gemeinsames Abendessen mit Andi nicht. Eine gewisse Vorfreude auf die gemeinsame Küchenarbeit breitete sich in mir aus. Vielleicht sollte ich erst einmal Hallo sagen gehen. „...Lucy." Momentmal, das war ja mein Name. Wieso redete Marvin und Andi über mich? Und wie hatte dieser Satz von Marvin angefangen? Ich sollte hier einfach stehen bleiben und noch etwas lauschen. Der Lauscher an der Wand, hört die eigene Schand, würde Oma sagen. Ja, es war überhaupt nicht in Ordnung, aber Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt sagte sie auch immer. Ich entschied mich also für die Liebesvariante und spitzte meine Ohren. „Lucy ist verflucht noch einmal zwölf Jahre und 354 Tage jünger als ich. Ich könnte damit ihr Vater sein.", ertönte Andis Stimme. „355 Tage", rutschte es mir lautlos heraus. „Rein biologisch schon, wenn du extrem frühreif gewesen wärst. Du bist aber nicht ihr Vater. Und wenn du sogar auf den Tag genau weißt, wie viel du älter bist, dann ist da einfach mehr." Ja, Marvin hatte den totalen Durchblick. Konnte er seinen Best Buddy nicht einfach überzeugen? „Meinst du ich hätte meine Mausi nicht geheiratet, wenn sie viel jünger wäre? Glaub mir im Leben nicht. Ich habe damals schon den Fehler gemacht, sie mir von einem anderen wegschnappen zu lassen. Willst du etwa auch so lange warten, bis ein anderer kommt und sie dir wegschnappt, weil du nicht aus dem Quark kommst? Vertrau mir, das willst du nicht." Ja Andi, vertrau deinem besten Freund, feuerte ich ihn in Gedanken an. „Aber Lucy hat noch so viele Möglichkeiten und da kann sie keinen Ballast wie Carmen und mich gebrauchen." „Hörst du dir eigentlich manchmal selbst zu? So wie sie mit deiner Tochter umgeht, hat sie mit dem Ballast, wie du es nennst garantiert keine Probleme. Du solltest ihr lieber die Entscheidung selbst überlassen. Aber ich sage dir, ihr passt perfekt zusammen. Du musst nur über deinen Schatten springen. Du hast nämlich nur Schiss, dass du das in den Sand setzt. Aber glaub mir, mein Freund, das hat dann nichts mit dem Alter zu tun." Ja, Marvin war echt weise. „Und ganz ehrlich, wer sich freiwillig die olle Karmelle von Effie Briest antut, der ist sowieso schon bis über beide Ohren verliebt." Ja, so richtige Männerliteratur war das wirklich nicht. Moment hatte er gesagt über beide Ohren verliebt? „Gar nicht". hörte ich Andis Stimme sagen. Manno, warum nicht? „Ja, ja. Das glaubst aber auch nur du. So, jetzt werde ich aber mal wieder Dani und Carmen einfangen und mit ihnen zu Mecces gehen. Und du nutzt deinen kinderfreien Abend." Wie kinderfreier Abend? Dann hätte ich ja eigentlich gar nicht herkommen müssen. Warum hatte mir Andi nicht Bescheid gesagt? „Ja, hallo Lucy", Marvin kam um die Ecke und begrüßte mich freundlich. Hoffentlich hatte er nichts gemerkt. „Hallo", antwortete ich schnell und spürte schon wieder dieses Brennen in meinen Wangen. Verflucht. Ging es noch auffälliger? Klar, ich könnte noch ein Schild um meinen Hals hängen, auf dem stand Lucy hat gelauscht. „Ach Lucy, du bist schon da? Das ist ja prima", begrüßte mich Andi, der Marvin gefolgt war. „Dani, Carmen Zackzack, die Burger rufen." Die beiden kamen sofort angeprescht. „Lucy, ich schlafe heute bei Dani." Die Kleine hatte ihren Delfin aus Duisburg unter dem einen und den Eisbären, den ich in Bremerhaven gekauft hatte unter dem anderen Arm. „Na dann euch beiden viel Spaß mit Fontane. Und die DVD könnt ihr gerne behalten, dann kann mich Jasi damit nicht mehr quälen." Ich schaute zu Andi, der eine gesunde Gesichtsfarbe hatte, als auch schon die Haustür ins Schloss fiel. „Fontane?" Andi fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare „Ich dachte wir schauen den Film von Effie Briest für deine Abi- Klausur." Wenn er so verlegen war, sah er immer wie ein kleiner Junge aus, der gerade etwas angestellt hatte. Mein Herz fing in meiner Brust an zu poltern. Er hatte extra die DVD für mich besorgt und wollte den Abend mit mir verbringen. Das hätte ich nach seinem gestrigen Abgang nicht für möglich gehalten. „Hast du Lust?" Ob ich Lust hatte? Das fragte er nicht wirklich, oder? „Klar, habe ich Lust. Ich kann uns ja vorher noch schnell etwas zu Essen zaubern." So langsam meldete nämlich mein Magen seine Bedürfnisse an. „Ähm, ich hatte heute etwas früher Feierabend und habe uns eine Lasagne vorbereitet. Die ist auch schon im Ofen." Jetzt wo er es sagte, roch ich das auch. Wieso hatte ich diesen leckeren Duft nicht schon früher bemerkt? Lasagne war schließlich eins meiner Lieblingsessen.
Eine Stunde später saß ich mit einer großen Schüssel Eis in der Hand auf dem Sofa und schaute wie Andi die DVD startete. Die Lasagne war absolut lecker gewesen und mein Lieblingseis hatte er auch besorgt. Das musste doch etwas bedeuten. Da hatte Marvin recht. Aber wie sollte ich Andi überzeugen, dass ich auch in ihn verliebt war? Das Polster neben mir senkte sich und er setzte sich zu mir. „Du hast ja gar kein Eis." ich hielt ihm meinen Löffel hin und er schnappte sich wirklich das Eis mit seinen Lippen herunter. Das......das war doch ein Anfang. Den nächsten Löffel schob ich in meinen Mund und dann rutschte ich etwas dichter an ihn heran, bevor ich ihm wieder den Löffel zu seinem Mund führte. Ich wollte ja schließlich nicht das nagelneue Sofa vollkleckern. Mist, warum war so eine Eisschale nicht unendlich? Ich stellte die Glasschale nur schnell auf dem Tisch ab und ließ mich wieder zurück an die Polsterlehne gleiten. Ups, da lag ja jetzt Andis Arm hinten drauf. Das war aber vorher noch nicht der Fall gewesen. Aus den Augenwinkeln schielte ich zu ihm. Er starrte gebannt zum Fernseher. Scheinbar faszinierte ihn wohl die junge Effie Briest. Mmm, so steif hier sitzen war ja auch irgendwie unbequem. Ich musste an Nils denken. Der würde mir garantiert einen Schubs geben, damit ich an Andis Schulter landete. Na dann gab ich mir doch den Schubser selbst. Mit heftigem Herzklopfen senkte ich meinen Kopf an seine Schulter und zog die Beine auf die Couch. Ja, so war das viel bequemer. Da Andi keinerlei Reaktion zeigte, schien es ihn ja zumindest nicht zu stören. Erst jetzt fiel mir auf, dass er sogar das Licht gedimmt hatte. Okay, das war ja auch sinnvoll. Im Kino brannte ja auch keine Festtagsbeleuchtung. lag da nicht auf der Sofalehne eine Decke? Klar. Die hatte ich ja selbst dort vor ein paar Tagen deponiert. Mit ausgestrecktem Arm zuppelte ich sie zu uns und breitete sie über uns aus. Ja, so war kuschelig. Wie von alleine war Andis Arm auf meine Schulter gerutscht. Man, fühlte sich das gut an. So könnte das echt immer sein.
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Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️
RomanceLucy kommt sich so langsam wie das letzte Einhorn vor. Alle ihre Freundinnen haben einen Freund, nur sie nicht. Und der Kerl für den sie schwärmt, sieht in ihr alles mögliche - die Babysitterin und die Tochter seiner Kollegin - aber nicht das, was s...