Kapitel 3

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Ich hatte meinen Erwin wieder vor dem Haus von Tessas Eltern eingeparkt. Neben mir auf dem Beifahrersitz lagen drei Tüten mit Brötchen, die einen himmlischen Duft verströmten.  Sie waren gerade frisch aus dem Ofen gekommen, als ich sie beim Bäcker geholt hatte. Ja, mir war die Idee gekommen den Besuch beim Bäcker als Ausrede zu nehmen, wenn ich gleich an der Haustür klingelte. Irgendwie musste ich ja wieder zurück ins Haus. Ich schaute auf die Uhr in Erwins Display. Es war kurz vor sieben. Manno, um die Zeit sollte ich eigentlich gemütlich in meinem Bett kuscheln und nicht schon auf einem Flughafen, tanken und beim Bäcker gewesen sein. Jedenfalls konnte ich da noch nicht rüber marschieren und mit meinem Klingeln alle wecken. Mist. Ich kuschelte mich etwas tiefer in Erwins Sitz und angelte mir ein  Brötchen aus der Tüte. Wenn ich kaute, verging die Zeit vielleicht schneller. Okay, ein trockenes Brötchen war zwar keine Delikatesse - dazu fehlte noch das Nutellla - aber wie sagte meine Oma immer? Trocken Brot machte Wangen rot. Na dann sparte ich doch wenigstens das Make up. Außerdem war ich beschäftigt damit aufzupassen, dass kein Krümel in meinen Erwin fiel. Der war ja schließlich keine Rumpelkammer. Okay, das aus meinem Mund war vielleicht erstaunlich, denn mein  Zimmer bezeichnete Papa genau als dieses. Aber Erwin war ja auch etwas ganz anderes. Bei ihm achtete ich schon auf sein Erscheinungsbild. Schließlich war er etwas ganz Besonderes. Ja, was anderes Besonderes hatte ich ja auch nicht in meinem Leben. Nicht schon wieder....was war denn heute mit mir los? Mein Blick ging zur anderen Straßenseite. Da war das Haus von Leokardias Mama, in dem auch ihre Sportagentur war, in der auch meine Mama arbeitete.........und Andi. Andi war ihr Kollege und ein ziemlich schnuckeliger Typ. Vielleicht sollte ich da mal wieder zu Besuch vorbeigehen, wenn Mama arbeitete. Es wäre ja ziemlich wahrscheinlich, dass ich Andi dann auch traf und......nichts und. Der sah in mir doch nur ein kleines Mädchen, dass ab und zu der Babysitter seiner Tochter war. Das war echt zum Haareraufen. Klar war er schon 31 und hatte ein siebenjährige Tochter, aber diese Tochter hatte keine Mutter mehr. Also was sprach dagegen, wenn er mich für diese Rolle engagieren würde? Nichts! Trotzdem würde es wahrscheinlich nie passieren. Andererseits war ich eine Goretzka und wir waren nicht direkt dafür bekannt aufzugeben. Vielleicht war er ja auch wieder auf Ibiza, wenn wir da Urlaub machten. Wenn ja, musste ich mich aber geschickter als im letzten Sommer anstellen, um mich an ihn heranzupirschen. Nur um Carmen kümmern reichte da nicht. Mein Blick wurde von der Reusschen Haustür angezogen, die sich gerade öffnete. Da war ja Tessas Papa. Ich öffnete schnell die Tür und sprang aus Erwin. Erschrocken schaute er zu mir. "Was machst du denn hier draußen, Lucy?" Ich lief schnell um das Auto herum und öffnete die Beifahrertür, um meine Brötchentüten herauszuholen. "Ich war schon einmal schnell beim Bäcker." Die Wahrheit, dass ich das Fluchtfahrzeug seiner Tochter war, musste ich ja verschweigen. "Na, das ist ja prima, dann muss ich gar nicht mehr los." Er grinste breit und nahm mir die Tüten ab. "Du konntest wohl auch nicht mehr schlafen?" Ähm doch, das hätte ich eigentlich schon gekonnt und eigentlich auch gewollt, aber irgendwie war es halt anders gekommen. " Na dann komm mal mit rein. Wir können ja schon mal auf der Terrasse decken und du kannst mir beim Rührei machen helfen. Bestimmt macht der Leo gleich auch noch ein paar Waffeln für Tessa. Sie wird heute garantiert noch ein bisschen durchhängen. So eine Verletzung steckt man ja nicht in einer Nacht weg. Und schon gar nicht, wenn es die erste ist." Na, wenn der wüsste. Ich folgte ihm einfach, ohne  weiter darauf einzugehen, ins Haus. Manchmal war einfach 's Goschn halten angesagt. Das war auch so ein Spruch von meiner Oma. Also der aus Bayern. Ja, ich war ja schließlich ein Münchner Kindl, genau wie meine Mama und Luca. Nur Paps war aus dem Pott. Er war in Bochum geboren und aufgewachsen und dann nur wegen des Fußballs nach München gewechselt, wo er meine Mama kennengelernt hatte. Na ja, ich war jetzt nicht wirklich die Vorzeige- Münchnerin. Seit ich klein war, schlug mein Herz schon für den coolsten Verein der Welt - für Schalke 04. Schließlich hatte Papas große Karriere da begonnen und ich wollte unbedingt in seine Fußstapfen treten. Es war wohl auch kein Wunder, dass blau meine Lieblingsfarbe war, also genauer gesagt königsblau. Und ich war mehr als nur ein bisschen stolz, als wir nach Bochum gezogen waren, und ich für genau diesen Verein auflaufen konnte. Das war eine echte Ehre. Und Papa freute sich so darüber und war stolz auf seine Schalker Tochter. Ich verstand meinen bekloppten Bruder absolut nicht, warum der für Bochum spielte. Aber ehrlich gesagt, verstand ich den sowieso meist nicht.  "So, dann packe mal die Brötchen da in die Körbe und verteile sie auf dem Tisch draußen." Also Anweisungen geben konnte Tessas Vater echt gut.  Er klapperte mit den Pfannen, die er aus dem Schrank holte, als die Küchentür aufflog. "Du sollst doch nicht mit den Krücken...." Leonard brach ab. "Ist Tessa nicht hier?" Er scannte die ganze Küche ab. Okay, dann ging es jetzt los. "Die wird im Bad sein oder auf der Toilette", beruhigte ihn Marco sofort, denn der sah echt wuschig aus, so wie er da nur in seinen Unterhosen mit dem verwuschelten Haar stand. Scheinbar war er wohl geradewegs aus dem Bett gesprungen, als er gemerkt hatte, dass da keine Tessa mehr kuschelte. Manno, ich wollte auch so jemand haben. Und nebenbei bemerkt, sah der auch echt ganz nett aus, mit den ganzen gut definierten Bauchmuskeln. Nicht sabbern, ermahnte ich mich. Außerdem sah Andi noch viel besser in seiner Badehose aus. Nicht ganz so definiert, aber das war ja auch übertrieben. Und seine blonden Haare strahlten auch viel mehr in der Sonne. So wie ein Heiligenschein. Okay, hier in der Küche fiel nur das bisschen Sonne durch das Fenster. Aber trotzdem..."Nee, Tessa ist weder im Bad noch auf der Toilette." Leo schaute total panisch. "Vielleicht hat sie sich ja bei dem schönen Wetter schon in den Garten gesetzt. Du weißt doch, sie ist Frühaufsteher. War heute mit Sicherheit ein schöner Sonnenaufgang", zwinkerte Marco.  Ja, den gab es wirklich und den hatte Tessa auch geschaut. Aber nicht im Garten. Leo startete sofort durch in Richtung Wohnzimmer. Also für einen Torwart war der ziemlich schnell auf den Füßen unterwegs. "Sie hat ja Gips und Krücken, also wird sie nicht weit gekommen sein" Marco lachte in meine Richtung. Na, wenn der wüsste.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt