„Ja, so ist das prima, Spatzl. Lehn dich da gegen das Geländer und schau zu mir", feuerte mich Mama begeistert an, ehe wieder der Auslöser zu hören war. Ich trug gerade eine total bunte Jeans im Grafiti-Style und dazu ein cooles Shirt. Das war schon das zweite Outfit, das fotografiert wurde. Dieses Label produzierte richtig hippe Klamotten. Schade, dass die so teuer waren. Vielleicht konnte ich mir ja ein Shirt davon zu Weihnachten wünschen.....obwohl, nee. Es gab wichtigere Dinge, die mir da einfielen, als so ein Fummel. Zum Beispiel die Inspektion für meinen Erwin. Die war viel wichtiger und verschluckte eine ganze Menge Geld. „So jetzt läufst du die Treppen runter", kam die nächste Anweisung von Mama, auf die ich mich lieber schnell wieder konzentrierte. Schließlich machte ich das ja hier nicht nur zum Spaß, sondern wurde ordentlich dafür bezahlt. Dann hatte ich auch ordentliche Arbeit zu leisten. „Perfekt" Und wieder klickte es. „So, dann geh bitte das nächste Outfit anziehen." Ich nickte ihr zu. Ja, das musste ich wohl noch ein paarmal, so viele Klamotten wie da auf dem Ständer hingen. Schnellen Schrittes lief ich zur Garderobe. Wir wollten ja alle hier irgendwann fertig werden und nach Hause. Ja, heute Abend wollten Mika und ich nämlich ins Kino gehen und ich freute mich schon mächtig darauf. Der Film war gerade neu herausgekommen und die Vorschau war schon voll interessant. Dazu noch Popcorn und an Mikas Schulter kuscheln..... das war doch ein perfekter Samstag Abend. „Die Kleine macht das echt gut", hörte ich Renées Stimme, als ich mich der Garderobe näherte. „Na auf alle Fälle viel besser als die letzte", stöhnte Roger. „Bei der frage ich mich immer noch, mit wem die im Bett war, um den Job zu bekommen. Die hatte mit einem Model so viel gemein wie ein Elefant mit einer Gazelle." Sprachen die gerade über die Brunzkachl? Oder über jemand bei einem anderen Auftrag? Egal, es war nicht höflich zu lauschen, gerade als ich mich räuspern wollte, ertönte wieder Renées Stimme „Na und an den Andi hat sie sich doch auch nur rangemacht, damit sie noch ein paar Aufträge bekommt." Die sprachen wirklich von der oiden Trutschn. „Dabei ist ihre Zenit doch schon längst überschritten. Die bekommt doch nur noch Aufträge für Rheuma-Wärmepflaster oder Antifaltencreme", lachte Roger. Auch wenn ich beiden voll zustimmen konnte, hatte ich jetzt wirklich genug gelauscht. Gutgelaunt räusperte ich mich laut, während ich in die Garderobe lief und die beiden verstummten sofort. „So, dann ziehst du die Leggins und das Oversize-Shirt an." Roger deutete auf die Klamotten, die er an den einzelnen leeren Ständer gehangen hatte. Schnell schlüpfte ich aus der Jeans und dem Shirt. Der Klingelton meines Handys durchschnitt die Stille des Raums. Mist, wer rief denn jetzt an? Die wussten doch alle, dass ich heute Shooting hatte. Trotzdem flitzte ich schnell zu meiner Tasche und zog das Handy heraus. Das war Carmen. Sofort drückte ich auf annehmen und hielt mir das Handy ans Ohr. „Carmen" als Antwort kam ein leises „Lucy" Im Hintergrund war es ziemlich laut. Wo war denn die Kleine? Vielleicht war sie ja wieder mit der Brunzkachl unterwegs. „Wo bist du denn?" Das konnte ja nicht schaden, wenn ich es wusste. Obwohl ich mir sicher war, dass die Alte sich seit dem letzten Vorfall besser um sie kümmern würde. „Ich..." und dann war das Gespräch weg. Schnell wählte ich ihre Nummer, aber da ertönte nur Andis Stimme von ihrer Mailbox. Dann war sie wohl gerade in einem Empfangsloch oder der Akku war alle. Ich konnte sie ja später noch einmal anrufen. Wenn sie Hilfe benötigt hätte, hätte sie garantiert ihren Papa angerufen, beruhigte ich mich. Und schaute auf mein Display. Da war ja noch eine Nachricht von Mika. Bestimmt wünschte er mir Erfolg. Ich schmulte schnell über meine Schulter. Roger und Renée schienen noch beschäftigt. Dann konnte ich die Nachricht ja noch schnell lesen. Ich hoffe, das Shooting läuft gut. Bestimmt bist du nachher k.o. und willst dich ausruhen. Ich dachte wir verschieben das Kino lieber auf nächste Woche. Ich bin gerade mit Sascha und den anderen aus der Mannschaft zum Auswärtsspiel nach Münster unterwegs. Hoffentlich haben wir nachher einen Grund feiern zu gehen. Hoffe, das ist für dich in Ordnung. Wir sehen uns dann morgen.
Das war überhaupt nicht in Ordnung. Ich hatte mich schon auf den Film gefreut. Und warum fragte er nicht, ob ich mit feiern kommen wollte? Weil er glaubte, dass ich k.o. war. Das war ja irgendwie rücksichtsvoll. Trotzdem war ich enttäuscht. „So, jetzt aber hop", riss mich Renée aus meinen Gedanken und wuschelte noch einmal durch meine Haare. Roger schob mich eiligst aus der Garderobe und Mama erwartete mich schon vor einem riesigen Grafiti-Gemälde. Das sah echt cool aus. „So, dann wollen wir mal wieder. Stütz deine Hände in die Hüften und drehe dich langsam." Artig folgte ich den Anweisungen auch bei den nächsten sieben oder acht Outfits. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen. „So, jetzt noch der letzte Set und dann haben wir es geschafft." Mama marschierte mit ihrer Kamera los. Das war dann wohl mein Startzeichen wieder in die Garderobe zu verschwinden. „Also, die Kleine nehmen wir ab sofort als unser Werbegesicht. Sie strahlt diese Frische und Jugend aus, die wir für unser Label brauchen. Nicht wie der letzte Kleiderständer", hörte ich einen der drei vom Label sagen. Keine Ahnung, ob es Paul, Mario oder Steve war. Scheinbar redeten sie aber über mich. Ich verlangsamte also meine Schritte, um noch mehr aufzuschnappen. „Na diese Marlen war ja auch ein Totalreinfall. Ich frage mich echt, was dir da eingefallen ist, die beim Shooting anzuschleppen, Steve." Der älteste von den dreien zuckte die Schultern. „Man, was sollte ich denn machen. Das eigentliche Model hatte kurzfristig abgesagt und sie war gerade bei mir im Bett und hat gesagt sie ist Model. Woher sollte ich denn wissen, dass da so eine Diskrepanz zwischen ihren Leistungen im Bett und vor der Kamera ist. Da kann sie sich nämlich echt gut bewegen. Soll ich euch mal ihre Nummer geben? Für ein gutes Essen und zwei Grüne ist sie zu haben." Die anderen beiden fingen an vor lachen zu wiehern und der Blonde winkte ab „Lass mal gut sein. Die ist mir zu alt, da zahle ich nicht auch noch für." Ich hatte genug gehört. Eigentlich brauchten meine Ohren ein Wasserbad. Ob Andi wusste, wie die über seine Freundin sprachen? Wahrscheinlich nicht. Aber was eigentlich viel schlimmer war, Roger hatte recht. Sie hatte den Job wirklich nur bekommen, weil sie mit Steve im Bett war. Bei dem Gedanken, dass irgendjemand genauso über mich sprechen könnte, wurde mir speiübel und ich beeilte mich wieder in die Garderobe zu kommen. „So, jetzt noch das Kleid und dann sind wir durch." Roger reichte mir einen ziemlich kleinen Fetzen Stoff, der dem Kleid ähnelte, dass ich mir für Ibiza gekauft hatte. Der Schnitt war etwas anders und auch der Print, aber es saß ähnlich knapp. „So, jetzt noch die Haare etwas wilder." Renée bauschte mit einem Kamm meine Haare wild auf. „Wow, du siehst echt stark aus." Begeisterung strahlte aus ihren Augen. Mein Blick fiel zum Spiegel. Oh man, war das wirklich ich? „Und alles klar?"Andi kam in die Garderobe und blieb wie angewurzelt stehen, ehe er kurz seinen Kopf schüttelte und zu grinsen anfing. „Wo habt ihr denn Lucy gelassen?" Boah, war das ein blöder Spruch. Wollte er damit sagen, dass ich sonst Scheiße aussah? „Baggerst du gerade unser nächstes Model an?"Roger hob drohend seinen Finger. „Nicht im Traum. Lucy ist der Babysitter meiner Tochter und die Tochter meiner Kollegin."Andi hob abwehrend seine Hände. Na danke. „Außerdem sind wir beide in festen Händen." Das stimmte auffallend. „Ich muss mal kurz mit dir reden", wandte er sich an mich und ignorierte das Brummen von Roger und das Kichern von Renée. „Die drei von dem Label haben mich eben angesprochen. Sie wollen einen Vertrag mit dir als festes Markengesicht. Sie waren total begeistert von dir." Ich musste an mein Horoskop denken Eine Tür in ihre Zukunft öffnet sich. Sollte das modeln meine Zukunft sein? „Sie bieten wirklich hervorragende Konditionen", lächelte mir Andi zu „Vielleicht sollten wir uns da nächste Woche mal mit deinen Eltern zusammen hinsetzen und darüber beraten." Ich nickte nur kurz. Sollte ich wirklich modeln? Aber eigentlich wollte ich doch Logopädin werden. Obwohl, das eine schloss das andere ja nicht aus. Aber wollte ich, dass jemals jemand so über mich sprach wie die drei vorhin über die Brunzkachl? Wollte ich als Kleiderständer bezeichnet und degradiert werden? Nee, eigentlich nicht. Andis Telefon schnarrte los. Entschuldigend schaute er zu mir und nahm das Gespräch an. Ich spannte kurz meine Ohren auf, ob es Carmen war. „Ja Hallo, Chris", hörte ich ihn. „Was, um Gottes Willen. Soll ich kommen?" Mir rutschte das Herz in die Kniekehlen und begann zu rasen. War doch etwas mit Carmen passiert. „Was heißt nur Hexenschuss?" Ich blieb unbewegt stehen. Hexenschuss hatte Oma auch ab und zu. Aber bei Kindern? „Dann lass dich von Dani pflegen. Ich finde schon einen andern Babysitter für Carmen heute Abend." Erleichtert atmete ich auf. Dann war nichts mit der Kleinen. Das war gut. Ich setzte mich in Bewegung und lief zu meiner Mama, die schon mit der Kamera in der Hand auf mich wartete.
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Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️
RomanceLucy kommt sich so langsam wie das letzte Einhorn vor. Alle ihre Freundinnen haben einen Freund, nur sie nicht. Und der Kerl für den sie schwärmt, sieht in ihr alles mögliche - die Babysitterin und die Tochter seiner Kollegin - aber nicht das, was s...