Kapitel 85

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„Und Spatzl, bist du schon aufgeregt?" Ich saß neben Mama im Auto und wir fuhren zu dem Shooting, für das sie mich als Nachfolgerin von der oiden Brunzkachl vermittelt hatte. Heute war Samstag und ich hatte schulfrei. Das passte echt gut. Und da weder Mari, noch Baby Lulu momentan einen Babysitter benötigten, war dieses Shooting eine willkommene Einnahmequelle. Andi und Carmen hatte ich absichtlich die letzten Wochen gemieden, so wie Luca es mir geraten hatte, damit es nicht wieder Streß mit der oiden Trutschn gab. Blöderweise vermisste ich die Kleine aber langsam. „Na ja, ich bin jedenfalls nicht so aufgeregt, wie letzte Woche mit Tessa im Krankenhaus." Das war echt ein Ding gewesen. Ich war mit Vollkaracho aus Gelsenkirchen nach Dortmund gebrettert und Tessa hatte die ganze Fahrt über nur schmerzverzerrt geschaut. Man, war mir die Flatter gegangen, dass sie plötzlich mitten auf der Autobahn in meinem Erwin die Windelpupse bekam. Pünktlich zum Abpfiff des Derbys, das im übrigen der BVB gewonnen hatte, waren wir über die Stadtgrenze von Dortmund gerollert. Und genau in diesem Moment hatten diese beiden kleinen tyrannischen Untermieter von ihr auf Ruhemodus umgeschaltet. Weil ich aber darauf bestanden hatte, waren wir trotzdem ins Krankenhaus gefahren. Der Arzt hatte zur Sicherheit einen Ultraschall gemacht und dann lachend festgestellt, dass die beiden wohl wirklich nur im Derbymodus waren. Verflucht war mir da ein Stein vom Herzen gefallen. „Wie weit ist Tessa denn jetzt überhaupt?" Mama schaute mich neugierig an. „Na so rund wie sie ist, wahrscheinlich schon ziemlich weit", grinste ich. Ja, von mal zu mal war der Bauch größer. Ich fragte mich, wann da endlich mal Schluss war. „34. Woche oder so hat der Arzt gesagt." Mama verzog ihr Gesicht. „Na dann hat sie es ja wirklich bald geschafft." Besser war es. Ich freute mich nämlich schon darauf meine Patenkinder kennenzulernen. Ja, Nils und ich waren dazu auserkoren worden und das machte mich mächtig stolz. Tessa war nämlich der Meinung, dass sie nicht wüsste, wen sie von ihren Geschwistern nehmen sollte, ohne dass einer von ihnen übergangen wurde. Außerdem waren sie Familie und sowieso für die beiden da. „Ich hatte ja eigentlich gedacht, dass Mika uns heute begleitet." Ich spürte Mamas Seitenblick. „Er wollte sich wohl mit Sascha treffen und dann noch etwas für die Uni vorarbeiten", klärte ich sie auf. „Dabei zuzugucken, wie du mich fotografierst wäre doch sowieso nur langweilig für ihn." Ehrlich gesagt wäre es mir sogar etwas peinlich gewesen, wenn er zugeschaut hätte. Ich war mir nämlich noch nicht so sicher wie Mama, dass ich wirklich als Model taugte. Es war ja eins, wenn man für die Familienfotos posierte, aber es war etwas ganz anderes, wenn das professionell aussehen sollte. Mama setzte den Blinker und bog in die Einfahrt von einem Industriegelände. Dann war hier wohl die Location. „Es soll ja alles ein bisschen Urban Style sein, deshalb haben wir hier die Halle angemietet", weihte sie mich ein. Ich schaute mir das Gebäude genauer an. Irgendwie sah es von außen mit den Backsteinklinkern schon interessant aus. Mama parkte vor dem Eingang, wo schon einige Autos standen und stieg aus. „Hilfst du mir gleich das ganze Equipment reinzutragen?" Ich nickte und griff mir das Stativ und zwei Scheinwerfer aus dem Kofferraum. „Ich kann dir ja auch beim Aufbau helfen", schlug ich vor, erntete aber nur ein Kopfschütteln. „Nee, wenn wir da jetzt reinkommen, bist du nicht meine Tochter sondern das Model und ich die Fotografin. Und deshalb wirst du auch gleich in die Garderobe marschieren, wo schon Renée auf dich wartet und dich zurecht macht. Sie ist wirklich eine ganz Liebe und ein absoluter Profi. Du brauchst also keine Angst haben. Für die Outfits ist Roger zuständig. Er wirkt manchmal ein bisschen grummelig. Ist er aber nicht wirklich. Und Paul, Mario und Steve schauen nur zu. Sie sind von dem Label für das du shootest. Die Jungs sind in etwa so cool wie die Mode, die sie verkaufen." Ich nickte und versuchte mir schnell die Namen einzuprägen. „Ach ja, wenn irgendetwas ist, kannst du dich an Andi wenden. Er ist als Vertreter unserer Agentur da und soll dich betreuen." Ich riss die Augen auf. Hatte Mama Andi gesagt? Aber doch nicht mein Andi......ähm der von der oiden Brunzkachl, korrigierte ich mich selbst schnell. „Aber hast du nicht gesagt, dass er...." Mama unterbrach mich sofort mit einem Handwink. „Er durfte sich nur nicht um die Betreuung der oiden Trutschn kümmern, weil sie eine persönliche Verbindung haben, aber genauso bin ich jetzt nur die Fotografin und habe nichts mit dir zu tun. Deshalb ist Andi für dich zuständig." Okay, das klang irgendwie logisch. Trotzdem war ich nicht darauf vorbereitet gewesen. Egal, was interessierte mich schon Andi. Ich hatte jetzt Mika und er war nur mein betreuender Agent. Wir hatten also eine rein professionelle berufliche Verbindung. „Hallo, da seid ihr ja." Wie war das noch einmal? Wenn man vom Teufel sprach...

ich saß auf einem echt bequemen Stuhl und schaute in den Spiegel. Wow, war das wirklich ich? „Ich habe das alles mehr natürlich gelassen und nur die Vorzüge heraus gehoben. Die Kleine hat ja eine Menge davon", wandte sich Renée an Andi, der mich über den Spiegel anschaute und mir zuzwinkerte. „Ich gebe dann mal Roger Bescheid, dass wir soweit sind." Ich nickte nur und traute mich gar nicht mich zu bewegen. Nicht dass ich die Frisur oder das Make up ruinierte. „Ich habe dir was vom Catering mitgebracht." Andi zog einen Teller hinter seinem Rücken hervor. Mmm, das war eine Salami- und eine Käsesemmel. Mein Magen fing sofort laut an zu knurren. Boah, war das peinlich. Verflucht, warum hatte ich heute morgen nicht mehr gefrühstückt. Sehnsüchtig schaute ich auf die Semmeln und schüttelte den Kopf. „Wenn ich die esse, passe ich nachher nicht mehr in die Klamotten und verschmiere den Lippenstift." Andi winkte ab „Ach Quatsch, erstens zieht den Renée ganz am Schluss sowieso noch einmal nach und so schlank wie du bist, passt du da garantiert rein, selbst wenn du dich noch über die ganzen Muffins hermachst, die auf dem Buffet stehen." Hat er gerade Muffins gesagt? Als Antwort knurrte sofort mein Magen wieder. Schnell schnappte ich mir die Semmel mit Salami und biss hinein. Mm, war die lecker. „Und ich kann dann nachher sehen, wie sie in die Klamotten passt." Ein kleiner untersetzter Mann mit Glatze kam in den abgetrennten Bereich, der eine Garderobe darstellen sollte. Das war dann wohl dieser Roger. Hatte Mama nicht gesagt, dass der nett war? „Na dann komm mal her, Süße", forderte er mich auf, ehe er sich an Andi wandte „Und du machst hier flott einen Abgang, nicht dass du wieder das Model abschleppst." Mit Genugtuung sah ich, wie peinlich Andi dieser Spruch war und er verschwand schnell. „Wobei du viel hübscher als die andere bist", zwinkerte mir Roger zu. Ja, Mama hatte recht. Er war wirklich sympathisch. 

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt