Kapitel 171

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„Wo brennt die Hütte?" Tessa zog mich sofort in ihr Haus und bugsierte mich auf das Sofa im Wohnzimmer. Wie kam sie denn darauf, dass irgendetwas brannte? „Wenn du mich anrufst, ob ich Zeit habe und dass, obwohl du ganz genau weißt, dass ich heute meinen freien Tag von den Windelpupsen habe, damit ich volle Möhre trainieren kann, dann ist irgendetwas Dramatisches passiert. Also, was ist los? Ist noch so eine schwangere Grete bei Andi aufgetaucht und du willst, dass ich dich sofort zu Phil nach Berlin bringe?" Scheinbar hatte sie wohl mein verwirrten Blick richtig gedeutet. Andererseits kannte sie mich auch gut genug, dass sie wusste, dass ich für etwas dringend ihre Unterstützung brauchte. „Ich zieh mich nur schnell um und hole die Schlüssel für das Auto. Wir müssen Constantin von Durstig nur noch tanken und dann geht es ab die Lucy nach Berlin." Ich schüttelte lachend meinen Kopf und winkte ab. „Nee, mit Andi ist alles bestens." Tessa zog kurz eine Schnute. „Also nicht, dass ich mich nicht freue, dass du mit ihm so glücklich bist, aber dich als Schwägerin hätte dich ich auch geil gefunden. Wenn es das nicht ist, was ist es dann? Abi?" Sofort schüttelte sie wieder den Kopf und ließ sich neben mich auf das Sofa plumpsen. „Nee, das ist Quark. Du bist ja zur Streberin mutiert, seit ich dich da nicht mehr auf Kurs halte. Also jetzt hau endlich raus." „Würde ich ja, wenn du mich mal zu Wort kommen lässt." Ich machte eine kurze Pause und pustete mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Tessa wedelte schon wieder auffordernd mit ihrer Hand. Manno, wie sollte ich es ihr denn sagen, ohne dass sie mich für total bekloppt hielt? „Also, wir haben doch die oide Brunzkachl gestern nach Essen betteln gesehen." Tessa nickte „Joa, sie hat ja von mir auch einen Zehner bekommen." Ich nickte. „Ja, gestern. Heute hat sie aber bestimmt wieder Hunger." „Dat is wohl so", kicherte Tessa. „Wir haben beide sogar ständig Hunger. Und jetzt willst du ihr ein paar geschmierte Stullen vorbeibringen, oder was?" Ich zuckte mit den Schultern „So in etwa. Also eigentlich wollte ich schauen, ob ich ihr irgendwie helfen kann, weil..." Ich pustete einmal kurz, ehe ich entschlossen weitersprach „...weil ich glaube, dass das kein Trick von ihr ist, sondern sie wirklich ziemlich in der Klemme steckt und du recht hast, dass sie das Kind nicht wirklich aus Bösartigkeit Andi unterschieben wollte, sondern weil sie keinen anderen Ausweg gefunden hat." Ich hatte gestern Abend und den ganzen heutigen Vormittag darüber gegrübelt und war zu keinem anderen Ergebnis gekommen. Tessa schaute mich aufmerksam an, ehe sie zu grinsen begann „Natürlich habe ich immer recht. Das weißt du doch. So und was hast du nun wirklich vor? Willst du die Fussgängerzone auf blauen Dunst absuchen?" Ich zuckte mit den Schultern. „Was anderes wird uns nicht bleiben. Wir wissen ja nicht, wo sie wohnt, wenn sie denn irgendwo wohnt. Und ihre Handynummer, wenn sie die denn noch hat, habe ich auch nicht. Ich habe heute früh als Andi beim Duschen war schon in seinem Handy geschnüffelt, aber er hat sie gelöscht." „Wie bist du an der Face ID vorbeigekommen?" Ich zog meine Nase kraus. „Andi hat mir im Urlaub seinen Code verraten." Bei dem Gedanken, dass ich heute dieses Vertrauen mit meinem Schnüffeln missbraucht hatte, wurde mir gleich ein wenig übel. Trotz der Enttäuschung, dass ich dort nicht die Nummer von der Brunzkachl gefunden hatte, überwog die Freude, dass er sie wirklich abgehakt hatte und keinen weiteren Kontakt mit ihr wollte. „Okay, ich springe schnell in andere Klamotten und dann geht es los." Tessa sprang von Sofa auf und rannte los. So wie es aussah, hatte ich sie mit meinem Anruf vom Sport abgehalten. Ein leichtes schlechtes Gewissen machte sich breit. Ich wusste ja, wie wenig Zeit sie durch die Windelpupse zum Trainieren hatte. Aber sie war die einzige, die mir einfiel, um der Brunzkachl gegenüber zutreten. Alleine war mir das zu..... zu komisch. Aber mit Tessa an meiner Seite würde ich das packen. Warum tat ich mir das überhaupt an, wenn ich solchen Schiss hatte? „Weil es nichts Gutes gibt, außer man tut es." Hatte ich laut gegrübelt? Scheinbar schon. „Und jetzt los", Tessa griff sich meine Hand und zog mich hoch. „Für ein Bisschen Pfefferkörner spielen, lasse ich den Sport gerne sausen. Ist ja bald Urlaub und dann kann ich voll mit Leo reinklotzen." Ja, ich freute mich auch wieder auf die Zeit auf Ibiza und diesmal zusammen mit Andi am Strand. Das würde... „Boah, jetzt hör auf von Andi Junior unter den Palmen zu träumen. Sex on the Beach ist voll Kacke, da hast du nur nachher Sand inne Ritze." Sie schüttelte sich und ich fragte mich, ob ich das jetzt wissen wollte und ob es mich wirklich stören würde. Wahrscheinlich nicht. „Also wenn ich das jetzt genau analysiere, fangen wir bei null an, Watson." Ich nickte. „Uns bleibt nur die Fussgängerzone." Tessa schüttelte den Kopf „Nö, dafür hast du ja mich mit den guten Ideen. Komm mit, Sherlock hat einen Plan." Sie zog mich aus dem Haus, aber nicht zum Auto, sondern zur Agentur. Was sollte das denn werden? Wollte sie etwa Andi fragen? Das wäre ziemlich ...... egal, denn er hatte heute den ganzen Tag einen Termin in Wuppertal. „Andi ist nicht da", informierte ich sie. „Zu dem wollen wir ja auch nicht." Sie stockte kurz. „Obwohl, du kannst ja mal kurz einen Abstecher in sein Büro machen und in den Unterlagen vom Anwalt schnüffeln. Da muss es ja eine Adresse geben, an die er alles zugestellt hat. Du kennst doch bestimmt auch das Passwort für den Firmenrechner." Ich grinste. Natürlich kannte ich das. Ich wusste aber auch, dass Andi den Schriftverkehr dort in einem Ordner abgelegt hatte. Und ich wusste, wo der Ordner stand. Mensch, warum war ich nicht schon früher darauf gekommen? „Und wenn ich Jasi ablenke, suchst du im PC noch die alten Daten von der ollen Brunftkachel heraus...." „oiden Brunzkachl", verbesserte ich sie schnell. „Ist doch latte. Ich habe es nur ins Ruhrdeutsch übersetzt." Tessa winkte grinsend ab.  „Also wir brauchen Handy Nummer und so weiter. Am besten alles, was du finden kannst." Das war klar, aber ich hatte noch keine Vorstellung, wie Tessa das mit dem Ablenken sich vorstellte. Fragen war aber nicht mehr, denn sie marschierte schon mit mir durch die Tür. Wenigstens saß heute niemand am Empfang, dachte ich erleichtert, als dort auch schon das Telefon klingelte und Jasi angesprintet kam. Ihr Gesicht war puterrot. „Kleinen Moment, ich habe gleich Zeit für euch." Sie hechtete weiter zu dem Telefonhörer und redete kurz mit jemandem am anderen Ende. „Ich glaube wir haben so richtig Glück", zischelte Tessa mir zu. „Manno, ich bin heute ganz allein. Natascha ging es schlecht und alle anderen sind ausgeflogen." Stimmt, Mama hatte auch einen Termin in Düsseldorf. „Das wird erst in einer Stunde wieder besser, wenn Nataschas Ablösung kommt. Also ihr müsst warten oder mit Unterbrechungen leben. Worum geht es denn überhaupt?" „Also warten ist blöd. Ich muss ja gleich wieder zu den Windelpupsen. Aber Lucy kann ja so lange das Telefon übernehmen." Tessa zwinkerte mir zu. Ja, ihr Vorschlag verschaffte mir genau den Raum und die Zeit, die wir zum Schnüffeln brauchten. „Wird gemacht, Sherlock!" Ich salutierte kurz. Jasi schaute uns mit gekrauster Stirn an „Sherlock?" Tessa hakte sich bei ihr unter „Ja, ist ein Insider von uns beiden. So, jetzt musst du mir aber unbedingt helfen. Kehli hat mich vorgestern die ganze Zeit wegen eines Shootings mit Chrissi und Alli weichgekocht. Und ich weiß jetzt nicht so genau...." Die Tür von Jasis Büro fiel ins Schloß. Wollte der BVB wirklich die beiden Babys vermarkten? Das hatte mir Tessa ja noch gar nicht erzählt, da musste ich sie doch gleich..... nein später einmal ausquetschen. Jetzt musste ich etwas ganz anderes, nämlich hoffen, dass das Telefon nicht klingelte und mich im Firmen PC einloggen.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt