Langsam schlug ich meine Augen auf und streckte mich unter der Bettdeckewolke. Ja, bei Oma gab es dieser wunderbaren dicken Federbetten, die wie eine große dicke Wolke waren. Papa nannte sie deshalb auch immer Frau Holle. Neben mir ertönte ein leises Stöhnen. Ich drehte meinen Kopf und sah in Majas schmerzverzogenes Gesicht. Ja, Maja schlief in dem Bett neben mir. Papa hatte sich gestern Abend bei der Zimmeraufteilung damit bei Oma und Mama durchgesetzt, dass ein Jungen- und ein Mädchenzimmer doch viel praktischer sei. Okay, er hatte erstaunlicherweise sogar Unterstützung von Luca erhalten und wir anderen drei hatten einfach geschwiegen. Manchmal gab es eben wichtigere Dinge im Leben als die Zimmeraufteilung....... nämlich den Leberkas und Kartoffelsalat, den Oma zum Abendbrot vorbereitet hatte. „Boah, mir tut jeder Muskel weh", stöhnte Maja schon wieder. „Das war gestern eine Mörderwanderung. Hör auf so dämlich zu grinsen", knurrte sie in meine Richtung, als ich schwungvoll aus dem Bett sprang. Gestern das war nicht einmal eine richtige Wanderung gewesen, sondern höchstens ein besserer Verdauungsspaziergang. „Du hast doch schon extra ausgiebig gebadet, um deine Muskeln zu entspannen", lachte ich und wühlte in meinem Koffer. Mit den Klamotten im Arm marschierte ich in unser angrenzendes Bad. Maja war gestern wirklich über eine Stunde in der Badewanne. Ich fragte mich, wie man es dort so lange aushalten konnte, ohne wie ein aufgequollener Kugelfisch wieder herauszukommen. Boah, hier stank es ja immer noch nach dieser blöden Kerze, die sie sich dazu angezündet hatte. Da gab es nur ein schnelles Zähne schrubben und Katzenwäsche. „Weißt du, wann Luca nach Hause gekommen ist?" Sie lehnte sich mit finsterem Gesicht an den Türrahmen und schaute mich über den Spiegel an. Ich zuckte nur mit den Schultern. Zwar hatte ich noch etwas mit Oma in der Küche gesessen und geratscht, aber darauf hatte ich nicht geachtet. Warum auch? Er war ja schon alt genug das alleine bestimmen zu können. „Ich finde das unmöglich von ihm, dass er sich einfach mit seinen Freunden getroffen hat und abgehauen ist", regte sie sich auf einmal auf. Ich spuckte die Zahnpasta in das Waschbecken. Warum kamen die Leute eigentlich immer auf die Idee mit einem zu reden, wenn man sich die Zähne putzte? Das war genau wie beim Zahnarzt, der munter mit einem sabbelte und Antworten erwartete, während er im offenen Mund herumstocherte. „Wieso? Du wolltest doch baden und dann ins Bett." „Das ist doch aber kein Grund, dass er dann alleine weggeht", maulte sie weiter. „Du weißt aber schon, dass seine Freunde alle hier leben und er sie nur sehr selten sieht?" „Unsere Freunde wohnen in Dortmund und Mika jetzt in Berlin. Also sieht er ihn auch selten." Okay, hier kam man wohl mit logischen Argumenten nicht weiter. Ich verstand meinen Bruder sehr gut. Mich hätte es auch gefreut, ein paar meiner Freundinnen mal wieder zu sehen, aber ich hatte den kürzeren gezogen und war für die Gästebespaßung zuständig. Das hatte sich zwar als überflüssig erwiesen, denn auch Mika war gestern Abend nach dem Essen ziemlich schnell in das Jungenzimmer verschwunden, aber irgendwie hatte ich dann doch so kurzfristig niemanden mehr aufscheuchen wollen und die Zeit lieber mit Oma verbracht. Ich trocknete mir schnell das Gesicht ab und verschwand mit meiner Haarbürste in der Hand aus dieser Dufthölle.
„Heute kann es regnen, stürmen oder schneien, denn du strahlst ja selber wie der Sonnenschein....." begannen Oma, Opa, Papa, Mama und Luca zu singen, als ich die Küche gefolgt von Maja betrat. Ja, ich strahlte wirklich, denn es duftete hier bereits nach Weißwurst und nachher ging es auf die Wiesn. Konnte ein Tag schöner sein? „Hier, dein Geschenk, Dodo." Papa überreichte mir einen großen Briefumschlag, den ich sofort auffetzte. „Das ist ja ein Gutschein für den Sportauspuff für Erwin", rief ich begeistert. Ich hatte das schon fast aufgegeben, wo ich doch nicht mehr auf Carmen aufpasste. Wie hätte ich denn da das Geld zusammenbekommen sollen? „Da ist noch mehr drin." Ich schaute Papa verdutzt an. Noch mehr? Tatsache, ich zog noch einen großen Gutschein heraus. „Damit der Schalke Mief abkommt und Erwin ein echter Bochumer wird", zwinkerte Papa mir zu. Wow, Sportauspuff und Lackierung. Das war der Wahnsinn. Ich fiel Mama und Papa um den Hals. Oma reichte mir einen großen Karton. „Fias Geburtsdoagskindl." Sofort zog ich die Schleife auf und öffnete den Karton. „Das...das ist ja..." „Ein neues Dirndl für d' Wiesn heit", grinste Oma mich breit an und Opa fotografierte mich, wie ich es mir sofort schnappte und vor meinen Körper hielt. „Das...das ist ein Traum." Ich drehte mich damit in meinen Armen hin und her. Das hatte Oma in dem Dirndlladen nähen lassen, in dem ihre Trachtengruppe auch alles anfertigen ließ. Das sah ich sofort an dem Namen. Ein echtes Münchener Dirndl. „Des passt scho no in dei Schronk", lachte Oma. Ja, ich hatte hier bei ihr einen eigenen Dirndlschrank. Nachdem ich auch Oma und Opa umarmte hatte, reichte mir auch Luca ein Päckchen. Man, war ich gespannt, was der Erbsenzähler für mich besorgt hatte? Wieder fetzte ich das Papier auf. „Ein Armband?" Erstaunt schaute ich ihn an und er grinste verlegen. „Ich habe dir doch gleich gesagt, dass sie auf so einen altmodischen Trödel nicht steht." Maja schaute Luca sauer an. Wie altmodischen Trödel? „Das ist ein Granatarmband, wie ich es mir schon immer gewünscht habe." Ich liebte den dunkelroten Granat und diese traditionelle Verarbeitung. So etwas passte perfekt zur Tracht, aber auch in den Alltag. „Danke, Dumbo." Ich sprang meinen Bruder förmlich an und schlang die Arme um seinen Hals. Danach bedankte ich mich auch überschwänglich bei Maja, die mich fassungslos anschaute. „Kannst du es mir gleich ummachen?" Luca griff in die Schatulle und befestigte es an meinem Handgelenk. Jetzt blieb nur noch das Geschenk von Mika. Irgendwie war ich echt gespannt, was er sich hatte einfallen lassen. Er zog eine Art Präsentkorb hinter seinem Rücken hervor. „Es musste ja alles handgepäckkonform sein", lächelte er mich entschuldigend an. Ich öffnete die Schleifen an der Klarsichtfolie und entfernte sie. Zum Vorschein kamen komische Holzstäbchen, ein komisches rotes Teil in Rosenform und so ein stinkendes Kerzenglas. Was sollte das alles sein? „Letztens als wir telefoniert haben und du gerade gebadet hast, ist mir spontan die Idee gekommen", grinste Mika „Wer so gerne badet...." Was tat ich? Nicht, dass ich wüsste. „...der braucht unbedingt eine Duftbadekugel. Da in Berlin gibt es nämlich eine spezielle Manufaktur, die diese herstellen. Und da ich ja schwer Blumen im Flugzeug mitnehmen konnte oder hier besorgen." Ich schaute auf den Frühstückstisch, auf dem ein großer Strauß mit weißen Rosen und blauem Schleierkraut stand. Stimmt, in München gab es ja kaum Blumenläden... „dachte ich, bekommst du eine rote Rose, die nicht verwelkt und auch noch praktisch nutzbar ist. Und um das Bad noch schöner zu machen, hast du dann auch noch Dufthölzer und eine Duftkerze." Wow, das war ein Vortrag, den ich eher von meinem erbsenzählenden Bruder erwartet hätte. „Das ist ja so romantisch", quietschte Maja auf. War das ihr Ernst? „Und die lösen wir zusammen ein, als kleine Erinnerung an Spanien." Er reichte mir zwei Eintrittskarten. Ich schaute sie mir neugierig an „Carmen in der Dortmunder Oper." Ich versuchte begeistert zu klingen und auszusehen. „Toll", setzte ich noch nach und hoffte, dass ich überzeugend war. Ich hasste Oper. Der Mist war immer ellenlang und einem tat hinterher der Hintern vom langen Sitzen weh, ganz zu schweigen von den Kopfschmerzen, die man von dem schrillen Gekreische der Sänger bekam, die man sowieso nicht verstand. Da war mir doch ein richtiges Rockkonzert, bei dem ich abbangen konnte lieber. Da rettete auch der Namen bestimmt nichts. Was Carmen wohl gerade machte? Und ob es ihr gut ging? „Das war aber eine schöne Idee", meldete sich Maja schon wieder begeistert zu Wort. Vielleicht sollte ich ihr zu der Karte überhelfen und an dem Tag krank sein. „Und vergiss nicht deinen Schülerausweis. Der Schwabe hat die ermäßigten Karten gekauft. Sonst kommst du nicht rein." Luca tippte über die Schulter auf die Eintrittskarte in meiner Hand. Tatsache. Aber das war ja eigentlich okay, wir waren ja beide Schüler und Studenten, also warum sollte er den vollen Preis zahlen. Komisch war es aber irgendwie auch. Andererseits, wenn ich das übersah und ihn vergaß......Danke Luca für den Tipp.
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Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️
RomanceLucy kommt sich so langsam wie das letzte Einhorn vor. Alle ihre Freundinnen haben einen Freund, nur sie nicht. Und der Kerl für den sie schwärmt, sieht in ihr alles mögliche - die Babysitterin und die Tochter seiner Kollegin - aber nicht das, was s...