Ich lief an Mikas Hand und ließ meinen Blick schweifen. Hier waren Himmel und Menschen unterwegs. „Schau mal da hinten ist die Bavaria." Ich deutete auf die Statue, die man gerade so erkennen konnte. „Sie ist die Schutzpatronin Bayerns und König Ludwig hat ihr zu Ehren dort vor der Ruhmeshalle ein Denkmal bauen lassen." Ich drehte mich zu Luca und Maja um, die hinter uns liefen „Hast du die Bavaria schon gesehen?", wandte ich mich an meine Freundin, die sich an die Schulter meines Bruders kuschelte, während er seinen Arm um ihre Schulter gelegt hatte. „Die hat mir Luca schon letztes Mal gezeigt, als wir in München waren. Da war aber der ganze Platz hier leer." Ja, normalerweise war es ein leerer betonierter Platz, außer einmal im Jahr, wenn hier die Fahrgeschäfte und Bierzelte aus der Erde wuchsen. „Ja schaut's euch do nur a moi diese Weibersleit o. Hauptsache a Designer Daschen, aber in die Strumpf habens Laufmaschen." Oma schüttelte ihren Kopf, als uns zwei deutlich als Touris erkennbare Tussen mit ihren gut erkennbaren teuren Taschen überholten. Obwohl heute konnte man sich ja nicht einmal mehr sicher sein, dass das nicht irgendwelche Plagiate aus dem letzten Urlaub waren. Ehrlich gesagt wäre mir mein Geld dafür zu schade. Am Ende glaubte ja sowieso jeder, dass die Tasche im besten Fall mal neben einer echten Gucci gelegen hatte, wenn jemand in meinem Alter damit herumlief. Da gab es doch so viele coolere Sachen, die man mit der Kohle anfangen konnte. Kein Mensch war mehr wert, weil er irgendwelches Designer Zeug besaß. Es kam doch ganz alleine auf den Charakter an. Meistens schloss sich sogar das eine mit dem anderen aus. „Fahren wir auch mit dem Riesenrad?" riss mich Maja aus meinen tiefschürfenden Gedanken. Sie schaute ganz begeistert zu dem Ding. Na ja, mir war das immer zu langweilig. In aller Regel war auch das ein wahrer Touri-Magnet wegen der tollen Aussicht. „Ja, das wäre Klasse. Da kann man bestimmt schön über München gucken." Das war doch nicht wirklich Mikas Ernst. Ich schaute zu ihm, aber so begeistert wie er aussah, war er wohl fest dazu entschlossen. Luca brummte nur etwas vor sich hin. Klar, mein Bruder und ich waren immer bei den etwas actionreicheren Fahrgeschäften zu finden. „Wir gehen schon einmal ins Bierzelt. Ihr könnt ja erst einmal einen Rundgang machen und dann nachkommen. Wir sind wie immer beim Schaufelbier und haben den gleichen Tisch wie immer", lachte meine Mutter in meine Richtung. Ja, als kleines Kind war das halt für mich eine Schaufel und kein Spaten. „Na dann lasst uns mal schauen, was es hier so alles gibt." Mika zog mich an meiner Hand weiter. „Da müssen wir unbedingt mit fahren." Ich deutete auf mein Lieblingskarussell. „Die Waschmaschine", lachte Luca auch sofort und setzte sich in Bewegung, um die Jetons zu holen. Ich liebte das Teil, in dem man stand und von der Zentrifugalkraft an die Außenwand gedrückt wurde, wenn es sich mit Speed drehte. „Hier." Luca drückte jedem von uns eine Plastikmünze in die Hand, während das Teil vor uns gerade fast abhob und das Gekreische immer lauter wurde. „Da fahr ich nicht mit." Maja schaute meinen Bruder schockiert an und gab ihm den Jeton zurück. „Mensch Biene, nun hab dich doch nicht so." Oh oh, ganz falsche Ansprache, befürchtete ich mal. „Ich soll mich nicht so haben." Ja, ich hatte mit meiner Befürchtung recht. Dieser Spruch war wie ein roter Knopf. „Du glaubst doch wohl nicht, dass ich mit dem Kleid mich dort hineinstelle, wo mir jeder unter den Rock schauen kann. Und dann stürze ich aus dem Ding vielleicht noch raus." Luca schüttelte nur den Kopf. „Warst du nicht das Physikgenie? Schon einmal was von Zentrifugalkraft gehört? Das haut dich so an die Wand, dass da weder der Rock hochfliegt noch du hinausstürzt. Los, komm jetzt." Maja verschränkte aber nur die Arme vor der Brust und bewegte sich keinen Millimeter. „Dann fahrt doch ihr beide und ich bleibe bei Maja. Für mich ist das sowieso auch nichts." Mika drückte mir seine Plastikmünze in die Hand. Ich zuckte mit den Schultern. „Dann fahren wir halt zweimal." Luca griff nach meiner Hand und zog mich mit sich..... „Das war megageil. Ihr wisst gar nicht, was ihr versäumt habt." Lachend lief ich nach der zweiten Runde wieder zu Maja und Luca. Na nu, was hatte meine Freundin denn da um den Hals? Und was hielt Mika da in der Hand? Nee, das war doch nicht echt so ein Lebkuchenherz, wie es die ganzen Touristen immer kauften. Doch, war es. „Schau mal, was Mika für uns gekauft hat." Maja deutete strahlend auf das Herz um ihrem Hals, auf dem dick und fett Ich mag dich stand. Genau wie auf dem, das er mir gerade um den Hals baumelte. Ja, echt mit bayrischem Charme. Das hieß gefälligst I mog di in Bayern. Da hatte wohl wieder der chinesische Importeur nicht darauf geachtet, wo der Mist hinging. „Danke" Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Irgendwie war das ja schon nett, auch wenn ich das Gelump nicht mochte. Das störte nur beim Karussell fahren. „Gerne" Er griff wieder meine Hand und wir liefen weiter. Auch die nächsten Kotzschleudern - so nannte Papa sie immer - ließen die beiden Spaßbremsen aus und schauten uns lieber dabei zu, wie wir durch das verdrehte Haus mit den vielen Schleuderplatten liefen. „Aber auf die Rutsche kommt ihr doch wenigstens mit." Ich versuchte es noch einmal sie einzubeziehen, erntete aber wieder nur ein Kopfschütteln. „Komm, lass die Schlafmützen." Luca griff sich meine Hand und zog mich mit zu der Riesenrutsche. Der Mitarbeiter drückte uns einen Teppich in die Hand und wir liefen zu dem Laufband. „Auf die Plätze...." Ich ließ Luca gar nicht aussprechen und rutschte schon los. Bei einigen Wellen hob ich richtig ab. Das war so geil. „Des wor a mords Gaudi, Dodo", lachte Luca und zog mich in seinen Arm. So aufgedreht und lustig hatte ich meinen Bruder schon ewig nicht mehr erlebt. Seit wir in München waren, war er wie ausgewechselt. „Können wir dann jetzt mit dem Riesenrad fahren?" Maja hörte sich ja fast wie ein quängelndes Kind an. Klar hatten sie die ganze Zeit nur blöd herumgestanden, aber das war ja nicht unsere Schuld, wenn sie so g'schissert worn. Wir machten uns also auf den Weg zu den anderen Touristen, die dort in Schlangen anstanden. „Hier."Mika reichte mir wieder das Lebkuchenherz, das ich vorher nicht getragen hatte, weil es weder auf der Rutsche noch bei den anderen Sachen äußerst praktisch war so ein Gebimmsel um den Hals zu haben. Schweren Herzen machte ich mir das blöde Ding um und lächelte ihn an, während er seinen Arm um meine Schulter legte. Jetzt fehlte nur noch so ein deppiger Herzluftballon, schoss es mir durch den Kopf, als wir aus dem Riesenrad ausstiegen und ich damit die ganzen Auswärtigen herumstrawanzen sah. „Dodo, wir müssen noch zur Achterbahn." Luca wedelte ganz aufgeregt in die Richtung der riesigen Loopings, die vor uns auftauchten. Ich nickte nur genauso wild mit meinem Kopf zurück und löste mich aus Mikas Klammergriff um meine Schulter. Die beiden brauchten wir gar nicht mehr zu fragen. Ich startete sofort mit meinem Bruder durch. „Das war der Wahnsinn. Ihr wisst gar nicht, was euch da entgangen ist." Immer noch leicht aus der Puste vom vielen Kreischen, stand ich etwas später wieder vor den beiden. „Hier, für dich." Mika nahm meine Hand und befestigte das Band von so einen damischen Herzballon an meinem Handgelenk. Ja Herrgottkruzi, das war doch nicht wahr. Ich war doch kein Kleinkind. „Danke", drückte ich mir möglichst überzeugend heraus und schaute zu meinem Bruder, der nur finster zu Maja schaute, die auch so einen Ballon an ihrem Handgelenk hatte und strahlte wie bei der Firmung. „Kommt jetzt lasst uns ins Zelt gehen." Es wurde langsam Zeit, dass ich was zwischen meine Magenwände bekam. So a Haxn wär jetzt gut und was zum Trinken. Luca konnte garantiert a Mass gut vertragen, damit er nicht mehr so grantig schaute, wie seit er den Ballon bei Maja entdeckt hatte. Vielleicht sollten Mika und sie auch eine trinken, damit sie mal ein bisschen spaßiger wurden. Ich würde meinem Bruder jedenfalls Gesellschaft leisten. Ja, heute würde ich meine erste Mass trinken, das stand fest.
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Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️
RomanceLucy kommt sich so langsam wie das letzte Einhorn vor. Alle ihre Freundinnen haben einen Freund, nur sie nicht. Und der Kerl für den sie schwärmt, sieht in ihr alles mögliche - die Babysitterin und die Tochter seiner Kollegin - aber nicht das, was s...