Kapitel 44

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Ich ließ mich auf der Terrasse neben Nessa in die Hollywoodschaukel plumpsen. Obwohl am Himmel schon die ersten Sterne aufgetaucht waren, war es noch richtig schön warm hier draußen. Maja, Luca und ich hatten uns entschieden hier in Dortmund bei den beiden Besuchern aus Berlin zu übernachten. Das große Haus der Familie Reus stand ja leer, und ich hatte nicht das geringste dagegen mir das Gästezimmer mit Nessa zu teilen. Ich fand es sogar richtig schön mal wieder etwas Zeit mit ihr zu verbringen, denn letztes Jahr auf Ibiza hatten wir uns richtig gut verstanden und das letzte Mal hatten wir uns an Silvester gesehen, als sie hier mit ihren Eltern zu Besuch war. „Wahnsinn, dass Tessa echt geheiratet hat. Das hätte ich niemals erwartet." Nessa schüttelte neben mir den Kopf. „Letztes Jahr um die Zeit hatte ich noch Hoffnungen, dass ich bei ihr landen kann." Stimmt, da war ja was. Ein Glück, dass das ihre Freundschaft nicht kaputt gemacht hatte. „Ganz ehrlich, ich war mir auch bis zum letzten Moment nicht sicher, dass sie wirklich ja sagt. Schließlich hat sie oft genug betont, wie bescheuert sie heiraten findet. Besonders in der letzten Zeit, seit Brautzilla unterwegs ist." Nessa fing an zu lachen. „ Den Spitznamen Brautzilla finde ich echt hammer. Aber mal ehrlich, dreht die wirklich noch mehr frei als sonst?" Ich nickte „Nichts kann ausgefallen und aufwendig genug sein." Sie verzog ihr Gesicht „Man, was ich mich jetzt auf diese blöde Hochzeit freue. Meine Eltern und ich sind auch eingeladen." Ich stupste sie an „Ach komm, wir werden schon dafür sorgen, dass wir an dem Tag auch Spaß haben." Nessa fing sofort an zu grinsen „Na da kannst du einen drauf lassen." „Wer pupst hier ohne mich?" Phil kam mit einer Flasche Cola in der Hand auch zu uns auf die Terrasse. Ihm folgten Maja und mein Bruder. „Tessa sah heute richtig happy aus." Irgendwie schien Maja immer noch ziemlich emotional, so wie sie dabei aussah. „Das mit dem Biergarten war echt perfekt für die beiden", grinste Phil „Meine kleine Sis hatte garantiert ihre absolute Traumhochzeit. Im Stadion mit Trainingshose und Trikot. Ich könnte schwören so hat sie sich das schon als kleines Mädchen immer vorgestellt." Ja, irgendwie hatte alles perfekt zu den beiden gepasst. Und auf dem Rückweg nach Hause hatten wir sogar noch bei Mecces angehalten und mit einem Milchshake angestoßen.....und na ja gut auch noch zwei Cheeseburger und zwei Apfeltaschen verspeist. „Na ja, du bist dann ja die Nächste", stupste mich Nessa grinsend in die Seite. „Dazu bräuchte sie ja erst einmal einen Kerl." Eigentlich wäre ein Leben als Einzelkind doch bestimmt auch ganz nett. „Kein Mensch glaubt doch an diesen Blödsinn mit dem gefangenen Brautstrauß. Und vielleicht solltest du dir Gedanken mache, warum deine Freundin lieber beiseite hüpft als das Teil zu fangen", funkelte ich diesen Blödmann an. Ja, Nessa und Maja waren echt beiseite gesprungen als Tessa darauf bestanden hatte dieses blöde Ding zu werfen. Und dann war er auch noch genau mir in die Arme gesegelt, dieser blöde schwarz gelbe Rosenstrauß. Der Blumen waren ja nicht einmal blau. Ich fragte mich echt, wer überhaupt so abergläubisch war. Ich jedenfalls nicht. Das war ja lächerlich. „Wie habt ihr das überhaupt mit dem Aufgebot hinbekommen? War dafür nicht Tessas Unterschrift erforderlich und auch ein paar Papiere, so wie die Geburtsurkunde und so Zeug?" Nessa hatte kaum ausgesprochen, da schoss mein Bruder schon wieder hoch. „Ich hoffe doch wohl nicht, dass du ihre Unterschrift gefälscht hast oder irgendeinen anderen Mist gebaut, der strafrechtliche Folgen für dich haben könnte." Wenn ich schon sah, wie mich dieser Erbsenzähler wieder musterte. Hielt der sich für meinen Erziehungsberechtigten? „Meinst du ich komme dafür in das Gefängnis? Bringst du mir dann etwa keinen Kuchen mit Feile?" Ich zog einen Schmollmund. „Lucy, das ist nicht dein Ernst. Weißt du denn nicht, was das für Folgen haben kann. Wann schaltest du denn endlich mal erst dein Hirn ein, bevor du solchen Mist fabrizierst", plusterte er sich auf. Boah, der nervte echt. „Mit ausgeschaltetem Gehirn hätte ich ja gar nicht schreiben können", forderte ich ihn weiter heraus. „Das ist jetzt nicht dein Ernst", wie alt bist du eigentlich?, ereiferte er sich weiter und ich war kurz verführt ihm die Zunge herauszustrecken. „Sie hat das doch gar nicht gemacht. Rege dich nicht so auf", versuchte Maja ihn zu beruhigen und strich mit ihrer Hand über seinen Arm. „Nils ist an dem Tag als wir im Haus drüben....." ich deutete mit meiner Hand über meine Schulter in die ungefähre Richtung, wo das Haus von Leo und Tessa stand „die Möbel angefangen haben aufzubauen mit Pizza gekommen und hatte jede Menge Papiere mit, die sie für das Shooting heute unterschreiben musste. Na ja, und darunter hatte er auch die Vollmacht, um die ganzen Unterlagen vom Standesamt zu holen und den Antrag für das Aufgebot. Tessa hat es ihm dann blind unterschrieben, weil sie vorher keine Pizza bekommen hätte." „Gut, dann hast du damit ja nichts zu tun." Wieso schaute mich mein Bruder so erleichtert an? Hatte er sich wirklich Sorgen um mich gemacht? Manchmal war der echt komisch. „Das passt so zu der Fressraupe, dass sie sich damit ablenken lässt", lachte Phil und klatschte sich auf die Knie „Hättet ihr mich früher eingeweiht, hätte ich euch aber sagen können, wo unsere Alten das Stammbuch gebunkert haben, dann hättet ihr euch die Rennerei und das Getrickse sparen können." Ja, das hätten wir sicher, aber ehrlich gesagt war er in dem ursprünglichen Plan ja auch nicht aufgetaucht. „Ich dachte echt mein Schwein pfeift, als mich Leo vorgestern angerufen hat." Ja, dann war das wohl eine sehr kurzfristige Entscheidung des Bräutigams. „Und, ob sie schon mitten bei der Hochzeitsnacht sind?" Phil schmulte in Richtung Hecke. „Die Treiben es scheinbar bei Festbeleuchtung. So viel Licht wie da an ist. Oder die suchen wieder nach dem Kondom. Sollten wir mal rübergehen und ihnen sagen, dass sie das nicht mehr brauchen?" Der Kerl war was das anging echt auf zu vielen Hormonen unterwegs. Maja schaute mich an und grinste breit. „Also ich wette, dass da noch nichts mit Hochzeitsnacht ist." Ich begann auch breit zu grinsen. „Wieso nicht?" Phil schien irritiert. „Die Hochzeitsnacht ist doch das einzige, was dem Tag einen Sinn verleiht." „Na ja sagen wir mal so, wenn die beiden ins Bett wollen, müssen sie erst einmal so an die tausend schwarzen und gelben Luftballons zerplatzen lassen." Ja, das war Majas und meine Überraschung für die beiden. Wir hatten gestern den ganzen Abend damit verbracht die Dinger aufzublasen. „Nicht euer Ernst", gackerte Nessa los und Maja und ich nickten nur. „Wir haben ihnen aber auch vorhin ein kleines Kästchen mit Stecknadeln überreicht, damit sie es einfacher haben", verteidigte ich uns. „Also falls ich jemals heirate, lasse ich euch jedenfalls nicht in meiner Wohnung allein.", kam es mit einem Schmunzeln im Gesicht von Phil. Dabei wusste er noch nicht einmal, dass wir noch zehn analoge Wecker gestern besorgt hatten, die im Abstand von einer Stunde immer klingelten und im ganzen Schlafzimmer versteckt waren. Maja hatte wohl auch gerade daran gedacht, so wie sie sich grinsend auf ihre Lippen biss. Zeitgleich ertönte der Signalton unserer Handys. Wir zogen sie beide aus unserer Tasche. Ups, eine Sprachnachricht von Tessa. Ich öffnete sie schnell. Man hörte erst einmal nur das Knallen von Luftballons. „Ja, sie sind noch beschäftigt", gackerte Phil als dann doch Tessas Stimme ertönte „Ihr seid zwei echte Mistbiester.......aber die besten Mistbiester auf der Welt. Wir wollten uns noch einmal bei euch für alles bedanken......" „Außer für die Luftballons", redete Leo dazwischen, ehe das nächste Knallen zu hören war. „Danke. Ich habe euch ganz doll lieb", schluchzte Tessa auf einmal und dann brach die Sprachnachricht ab. Waren das jetzt die Hochzeits - oder die gefürchteten Schwangerschaftshormone? Egal, ich musste auch etwas schlucken. Ich freute mich einfach so für die beiden und dass am Ende wirklich alles gut geworden war. „Was heulst du denn, Dodo?" Mein Bruder beugte sich zu mir und legte seinen Arm um meine Schulter. „War heute ein bisschen viel Aufregung für dich, was? Ich nickte. Ja , es war mehr als nur ein bisschen viel Aufregung und nicht nur heute, sondern schon die letzten Wochen und Tage. Ich spürte wie die ganze Anspannung endgültig von mir abfiel. Außerdem war ich ja während der Trauung gar nicht dazu gekommen ein paar Tränen zu verdrücken. Dann war es doch mein gutes Recht das jetzt nachzuholen. Wie oft heiratete schließlich die beste Freundin? Im besten Fall nur ein einziges Mal. Ich kuschelte mich an die Schulter meines Bruders - vielleicht war Einzelkind sein, doch nicht so erstrebenswert - und wischte mir mit meiner Hand über die Wangen.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt