Kapitel 146

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Ich schaute zu Andi, der mit seiner Gabel auf dem Teller herumpickte. Scheinbar hatte er meinen Blick wohl bemerkt, denn sein Kopf fuhr hoch und er schaute mich an. „Das Ei ist wirklich lecker." Er versuchte sich sogar an einem Lächeln, ehe er den Kopf wieder senkte und weiter herumstocherte. Wie wollte er wissen, ob das Ei lecker war, wenn er es noch überhaupt nicht probiert hatte? „Ist dir übel?" Er zuckte mit den Schultern. Was war das denn für eine Antwort. Er musste doch wohl wissen, ob ihm übel war oder nicht? So langsam wurde es echt lächerlich. Mein Magen signalisierte mir lautstark, dass es ihm egal war und er eine zügige Befüllung wünschte. Ich schnappte mir die Gabel und schob eine größere Portion Rührei in meinen Mund. Boah, auch wenn man den Mineralstoffhaushalt ausgleichen sollte, wenn man etwas getrunken hatte. Dieses Rührei lief eher unter Vergiftungsgefahr. Wieso hatte ich das so versalzen? Weil du verliebt bist, hörte ich die Stimme meiner Oma. Ja, das war einer ihrer Lieblingssprüche, wenn sie etwas versalzen hatte und Opa meckerte. Da war der Koch wohl verliebt, grinste sie ihn dann immer an und er revanchierte sich dann mit einem Kuss bei ihr. Vielleicht sollte ich es auch mit dem Spruch versuchen. Mein Blick ging wieder zu Andi, der mich anstarrte. „Das Ei ist völlig ungenießbar." Ich schnappte mir unsere beiden Teller und stellte sie an die Spüle. Dann gab es halt Müsli und dazu frisches Obst. Das war bestimmt auch gut gegen einen Kater. Die Banane und der Apfel waren flott geschnippelt. „Hier, das ist besser." Na bravo. Ein zustimmendes Nicken und ein Löffel, der nun herumstocherte. So ging das nicht weiter. Da verging mir ja auch der Appetit. „Was ist mit dir los?" Ich musterte Andi intensiv. Er schloss kurz seine Augen, ehe er mich wieder anschaute und sich mit der Hand durch das Gesicht fuhr. „Hat Carmen mitbekommen, wie ich mich abgeschossen habe?" Ach daher wehte der Wind. Er benahm sich gar nicht wegen unserer kuscheligen Nacht so, sondern wegen der Kleinen. Also ehrlich gesagt wusste ich gerade nicht, ob ich das gut oder schlecht fand, denn es war ja gleichbedeutend damit, dass ihn unser Kuscheln nicht wirklich wichtig war oder er es einfach vergessen hatte. „War sie sehr enttäuscht von mir?" Ups, ich hatte ja noch gar nicht geantwortet. Manno, warum schaute er denn wie ein verurteilter Mörder vor der Exekution? „Flipper hat nichts mitbekommen. Die war mit Dani beschäftigt und schläft auch bei ihm." Andi nickte, schaute aber immer noch beklommen. „Man, das hätte einfach nicht passieren dürfen. Ich weiß doch genau, wie beschissen es ist, wenn man Alkohol trinkt und was dann alles passieren kann." Er schüttelte wütend über sich den Kopf. Ja klar, der Unfall von seinen Eltern und seiner Schwester und ihrem Mann. „Was wäre, wenn Carmen sich verletzt und ich es nicht einmal mitbekommen hätte? Man macht jede Menge Mist und merkt es dann nicht einmal." Na super, damit war dann wohl die Kuschelrunde gemeint. „Das kann doch jedem mal passieren", versuchte ich ihn zu beruhigen. Empört schüttelte er den Kopf „Nein, so etwas darf mir nicht passieren. Ich bin Vater und das steht an erster Stelle. Alles andere ist unwichtig." Unwichtig? Jetzt war ich neugierig. Was war es denn, was so unwichtig war, dass er seine Prinzipien vergessen hatte? Ehe ich das herausfinden konnte, signalisierten Andis und mein Handy den Eingang einer Nachricht. Beide griffen wir danach. Das konnte doch nur die Horoskop App sein. Natürlich! Ich öffnete sie und begann zu lesen. Nur wer die Wahrheit kennt, kann auch mit ihr leben Das hörte sich alles andere als positiv an. Mist! Was wollte es mir damit überhaupt sagen? Andi starrte nicht weniger skeptisch auf das Display seines Handys, ehe er es beiseite legte und sich wieder seinen Löffel griff. Scheinbar hatte er mittlerweile aber Appetit, denn er schob sich die erste Fuhre in den Mund. Vielleicht sollte ich seinem Beispiel folgen. Mit vollem Magen war die Welt immer viel runder. Ich begann auch Müsli in mich zu schaufeln. Diesmal räumte ich die leeren Teller in die Spüle. Mein Blick ging wieder zu Andi, der kein weiteres Wort mehr von sich gegeben hatte und dasaß wie eine Henne, die ein Ei ausbrütete. Verflucht, diese Stille zwischen uns nervte extrem. Sonst quatschten wir immer beim Frühstück miteinander. Sollte das ab jetzt immer so sein? Nee, so ging das nicht weiter. Ich ließ mich wieder auf den Stuhl ihm gegenüber plumpsen und starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Was hatte das Horoskop gesagt? Die Wahrheit!  Aber wie? „So, und jetzt erzählst du mir, warum du dich gestern so betrunken hast", begann ich ganz ruhig. Andi starrte mich an wie ein Reh im Scheinwerferlicht, fing sich aber schnell. „Weil ich dumm war." „Das mit Sicherheit, das ist aber kein wirklicher Grund." Er fuhr sich mit der Hand durch seinen Nacken. „Ich vertrage halt keinen Alkohol." „Das ist mir klar. Bei zwei ganzen Cocktails!" „Die waren ziemlich stark. Ich habe dem Barkeeper gesagt, ich will etwas stärkeres. Da war mehr Vodka und Rum drin als Sirup und Fruchtsaft." Typisch Mann, nur keine Schwäche zugeben. „Wow, dann wäre das auch geklärt. Aber nicht der Grund, warum du etwas Stärkeres wolltest." So leicht würde ich ihn nicht davon kommen lassen. Ich wollte die Wahrheit. Egal, wie mies sie war. „Einfach so, weil mir danach war." Ein abfälliges Schnauben entwich mir. Genau, und aus genau diesem Grund hatte er sich dann auch Vorwürfe wegen Carmen gemacht. Das war ja lächerlich. „Genau, und das Rührei war auch nur versalzen, weil mir der Salzstreuer ausgerutscht ist." Manno, was haute ich denn da raus? Ich wollte die Wahrheit hören und sie nicht sagen. „Ja, klar, warum sonst?" Andi schaute mich irritiert an. Sein Blick klärte sich. Na toll, dann war ihm der Spruch wohl auch gerade in den Kopf gekommen. Sofort verfinsterte sich sein Gesicht wieder.  „Vielleicht habe ich ja getrunken, weil dein Salzverbrauch in letzter Zeit zu hoch ist", brummte er.  

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt