Kapitel 11

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„Schön, dass du es so kurzfristig einrichten konntest", begrüßte mich Andi an der Tür. Mein Herz schlug mir sofort bis zum Hals als er mich anlächelte. Schnell versuchte ich mir auch ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. „War überhaupt kein Problem." Das war schlichtweg eine Lüge, denn eigentlich hätte heute noch eine Party in der Schule stattfinden sollen. Okay, auf die hatte ich nicht wirklich Lust. Besonders jetzt, wo niemand von meinen Freunden mehr dort war. Außerdem hätte ich eigentlich noch meinen Schrank durchforsten wollen und schon einmal die Sachen für Ibiza zusammensammeln. Na ja, vielleicht auch erst einmal den Klamottenstapel auf meinem Schreibtisch und die restlichen im Zimmer verteilten Klamotten durchforsten und zum Wäschekorb transportieren, wäre auch ein Anfang gewesen. Nachdem ich heute morgen bei Andi angerufen und er mich darum gebeten hatte, heute bei Carmen babyzusitten, musste ich meinen ganzen Tagesplan umstellen. Das war aber überhaupt kein Problem. Während ich meine Zeit im Konzerthaus abgesessen hatte, war in meinem Kopf schon ein neuer Plan entstanden. Das Einkaufen in der Innenstadt wurde auf heute Abend ins Internet verlegt. Online Shopping war sowieso viel bequemer als durch die ganzen Läden zu tigern. Und wenn ich Expressversand auswählt, dann kam auch noch alles rechtzeitig an. Die Zusatzkosten dafür konnte ich mir ja von meinem Babysitter-Lohn leisten. „Lucy, Lucy." Carmen kam strahlend auf mich zu gehüpft und umarmte mich. Ich beugte mich zu ihr runter und drückte ihr einen Kuss auf ihren Scheitel, ehe ich kurz ihre kleinen Rattenschwänze um meine Finger wickelte. Die Kleine war echt Zucker. Mein Blick wanderte zu Andi, der uns beide beobachtete. Ja, ihr Papa war nicht nur Zucker, der war Puder-, Würfel- und Candiszucker in einem. Ich war schon gespannt, was er heute zu essen geplant hatte. Jedesmal, wenn ich auf Carmen aufpasste, kochten und aßen wir erst einmal zusammen, bevor er losging. Das war immer mein absolutes Highlight. Mit Andi konnte man so toll quatschen beim Kochen......wir drei waren dann fast wie eine richtige Familie. „Lucy, du musst dir unbedingt meinen neuen Fußball ansehen." Carmen zog mich an meiner Hand hinter sich her in ihr Zimmer und präsentierte mir stolz den Bundesligaball der letzten Saison. „Ich muss da nur noch Unterschriften drauf sammeln." Die Kleine war total aufgeregt. „Ob du in den Ferien mal mit mir zum öffentlichen Training gehen kannst?" Das ließ sich garantiert einrichten. Vielleicht konnte uns ja Tessa helfen, dass wir auch wirklich alle Unterschriften bekamen. „Na klar, machen wir das." Sie grinste mich breit an und hüpfte schon wieder los „Papa Lucy geht mit mir Unterschriften sammeln." Ich folgte ihr ins Wohnzimmer, wo Andi stand und auf eine Zeitschrift starrte. Erschrocken schaute er auf. „Das.....das ist ja super, Schnecke." Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er gerade gar keinen Plan hatte, wovon seine Tochter gerade sprach. Man, musste der in Gedanken gewesen sein. Das war irgendwie untypisch für ihn, denn eigentlich hatte er immer ein offenes Ohr für Carmen und ging auf sie ein. Na ja, vielleicht war das heute noch ein wichtiger Geschäftstermin und wahrscheinlich hatte er auch so kurz vor den Ferien noch genug in der Agentur um die Ohren. Da konnte das schon passieren. Er legte die Zeitschrift, die er betrachtet hatte auf den Wohnzimmertisch. „So, ich werde dann auch mal los." Wie los? Wir hatten doch noch gar nicht gekocht und gegessen? „Ach Lucy, ihr könnt euch heute etwas beim Lieferservice bestellen. Das Geld und die Karte vom Italiener liegen in der Küche auf dem Tisch." Wie Lieferservice? Aber........erst jetzt fiel mir auf, dass Andi schon einen schicken dunklen Anzug trug. Man, der sah......verflucht gut aus. „Gute Nacht, Schnecke. Und du bist lieb zu Lucy." Er zog seine Tochter in seine Arme und knuddelte sie, ehe er ihr einen dicken Schmatzer auf die Wange drückte. „Iiiiii, Papa.", quietschte die Kleine auf und wischte sich mit der Hand grinsend über die Stelle, auf der der Kuss gelandet war. „Ich weiß noch nicht, wie spät es wird", wandte er sich an mich. „Du kennst dich ja hier aus. Es steht alles zu deiner freien Verfügung", zwinkerte er mir zu und umarmte mich auch kurz. Ob wohl der Duft von seinem Rasierwasser und Parfum an meinem T-Shirt haften blieb? Wenn ja, würde ich es garantiert nicht waschen. Der Duft war so....so männlich. „Also dann." Er winkte uns noch einmal zu, ehe er aus der Tür verschwand. Manno, so heiß wie sich meine Wangen anfühlten, glühte ich wahrscheinlich. Hoffentlich hatte er das nicht mitbekommen. Das war doch voll peinlich. „So, dann lasse uns mal gucken, was wir essen wollen." „Können wir auch selber kochen?" Carmen schaute mich bettelnd an. „Aber klar." Da war sie auch gleich sinnvoll beschäftigt. „Was magst du denn?" Hoffentlich war ihr Wunsch nicht zu ausgefallen und wir mussten erst noch in den Supermarkt flitzen. „Pfannkuchen mit Nutella." Die Augen der Kleinen blitzten hoffnungsvoll auf. Ich ging zum Kühlschrank „Perfekt. Da haben wir alles für da." Eine Viertelstunde später saßen wir am Tisch und verspeisten unsere Meisterwerke von Pfannkuchen. „Mmmm, die sind voll lecker", schmatzte Carmen zufrieden und rieb sich den Bauch. „Und was machen wir jetzt?" „Erst einmal den Abwasch und dann kannst du dir ein Spiel aussuchen." Ich hielt immer nichts davon die Kinder vor dem Fernseher zu parken, wenn ich auf sie aufpasste. „Foosball", jubelte Carmen. Ja, das Spiel mochte ich auch, denn es war ganz gut für die Motorik. Zwei Stunden und etliche verlorene Runden später, gähnte die Kleine am Tisch. „So, ab Zähneputzen und dann ins Bett." Ohne Widerstand erhob sie sich und marschierte Richtung Bad. „Und jetzt wird schnell geschlafen. Morgen ist wieder Kindergarten." Carmen nickte gähnend, ehe sie plötzlich die Augen aufriss. „Kommst du am Freitag auch zu meiner Abschiedsfeier in den Kindergarten. Bitte, bitte." Zwei bettelnde blaue Augen schauten mich an. „Das muss ich erst mit deinem Papa besprechen. Da kann ich nicht so einfach hinkommen." „Papa hat garantiert nichts dagegen. Bitte, bitte." Wie sollte ich da jetzt nein sagen? Wollte ich überhaupt nein sagen? Eigentlich nicht. „Ich komme nur mit, wenn du jetzt ganz schnell schläfst." Sofort kniff Carmen ihre Augen zusammen und gab Schnarchgeräusche von sich. Ich musste grinsen. „Schlaf schön. Ich habe dich lieb." Ich beugte mich zu ihr und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich dich auch.", kam ganz leise die Antwort, als ich aus dem Zimmer ging.
So, jetzt wurde es aber Zeit für mein Express-Shopping. Ich musste an mein Horoskop von heute morgen denken. Heute ist Ihr Tag. Sie werden den Kauf Ihres Lebens tätigen.  Na dann wurde es doch Zeit für den Kauf meines Lebens. Mein Blick fiel zu der aufgeschlagenen Zeitung auf dem Tisch. Ich schnappte sie mir. Wow, das war.....das war ein echt geiler Bikini. Kein Wunder, dass Andi so weg gewesen war. Und das Kleid in dem kleineren Bild daneben, das das gleiche Modell trug sah auch echt heiß aus. Schnell überflog ich die Anzeige. Manno, warum standen denn da nirgendwo die Preise für die Sachen? Na, wenigstens hatte ich den Namen der Firma. Damit ließ sich doch auch schon etwas anfangen. Irgendwie kam er mir bekannt vor. Ja klar. Ich schlug mir mit der Hand vor die Stirn. Mama hatte davon erzählt. Die Agentur war für die Werbekampagne beauftragt worden. Deshalb hatte Andi das bestimmt auch so intensiv betrachtet. Aber - schnell begann ich zu googlen - vielleicht würden ihm die Sachen an mir ja noch besser gefallen. Hinter dem Model musste ich mich mit meiner Figur nicht verstecken. Und jünger war ich auch alle Male. Boah, was war denn so teuer an diesem bisschen Stoff? In meinem Kopf tauchten die Bilder von meinen ollen Badeanzügen auf. Okay, die waren zwar sportlich, aber eben auch nur sportlich und wenn ich Andi auf Ibiza auf mich aufmerksam machen wollte, dann musste ich halt investieren. Das Kleid aus der Kampagne klickte ich auch in meiner Größe an und legte es in den Warenkorb. Als ich zum Schluss auf kaufen drückte, wurde mir doch etwas flau im Magen. Ich hatte noch nie einen Bikini für knapp 300 Euro gekauft. Egal, dann blieb es halt bei den beiden Sachen für Ibiza. So schlecht waren meine anderen Klamotten ja gar nicht, wenn sie endlich den Weg in den Wäschekorb fanden. Außerdem sagte Papa doch auch immer, wer Gewinn machen will, muss auch investieren. Hoffentlich sah er das auch noch so, wenn er seine Kreditkartenabrechnung zu Gesicht bekam......aber das war mit Sicherheit frühestens nach dem Urlaub....... und da sollte eigentlich schon das Vorhaben ‚ich schnappe mir Andi' erfolgreich abgeschlossen sein.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt