„Schau mal", Carmen wedelte aufgeregt mit dem Tonkarton vor mir herum. „Ich habe einen Stern aufgezeichnet. Und einen Weihnachtsmann", ergänzte sie grinsend und ihre strahlend neuen Schneidezähne blendeten mich fast. „Das sieht richtig toll aus", lobte ich sie „Da wird dein Papa sich ganz sicher freuen." Ein wildes Nicken war die Antwort. Ja, wir bastelten eine Weihnachtskarte für Andi „Wann ist denn der Bilderrahmen fertig?" Carmen rutschte unruhig auf ihren Pobacken hin und her. Ich schaute auf meine Uhr. „Gleich" Das war dann wohl der Startschuss, denn sie sprang auf und rannte in die Küche. Wir hatten einen Bilderrahmen aus Modelliermasse geknetet, der dort gerade seine endgültige Form annahm. Nachher mussten wir dann noch an Mamas Fotodrucker das Einschulungsbild von Carmen mit ihrem Papa ausdrucken und dann war ihr Geschenk fertig. Na ja viel Zeit war ja auch nicht mehr, denn in zwei Wochen war schon Weihnachten und vorher sollte ja auch noch der Umzug von den beiden stattfinden, so wie Papa es versprochen hatte. Alle standen schon in den Startlöchern, um zu helfen. Morgen wollten Andi, Carmen und ich los, um die Möbel auszusuchen. Glücklicherweise hatte ich auch schon alle Weihnachtsgeschenke frühzeitig besorgt und sie warteten in meinem Kleiderschrank, versteckt hinter Wäschebergen, darauf eingewickelt zu werden. Das Klingelgeräusch meines Telefons riss mich aus meinen Gedanken. „Hallo", meldete ich mich also, ohne vorher auf das Display zu schauen. „Ja, hallo mei Spatzl." Das war ja Oma. Ein fettes Lächeln schlich sich in mein Gesicht. Ich freute mich immer mit ihr zu reden. Andererseits, normalerweise rief sie mich wenn immer Sonntags an und nicht außerhalb der Reihe. Sofort fing mein Herz an zu rasen. Hoffentlich war nicht irgendetwas Schlimmes in München passiert. Mein Horoskop von heute Morgen schoss durch meinen Kopf Manch schlechte Nachricht ist Grundlage für etwas ganz Besonderes, das Ihnen die Augen öffnet und den Weg in die Zukunft weist. Der klare Weg in die Zukunft wäre schon cool, aber ich wollte auf keinen Fall eine schlechte Nachricht von meiner Oma. „I wollt nur B'scheid geb'n, des I Weihnachten alloi kimm. Der Opa fahrt mit seine Kumpanis auf a Biketour nach Marokko. Des is so a narrisches Adventure Ding, des nur da stattfind und sie ham den Startplatz kurzfristig g'wonna." Da Oma mich gerade sozusagen auf dem falschen Bein erwischt hatte, versuchte ich schnell alles Gesagte geistig zu verarbeiten. Opa kam zu Weihnachten nicht, Oma schon. „I hob mir denkt, des I scho am Freitag aufi kimm, da konn I der Mama und dir a bissl helfen mit der Christkindlfeier." Ja, die große jährliche Weihnachtsfeier fand ja diesmal bei uns statt. „Das ist super, Oma", freute ich mich. Dann hatte ich sie noch ein paar Tage länger für mich. Vielleicht konnten wir ja eine tolle Wanderung hier in der Nähe machen. „Sag aba nix der Mama. Des soll a Überraschung wern. Servus, mei Spatzl" Ich musste schmunzeln. Oma liebte es die Leute zu überraschen. Irgendwie kam ich da auch ein bisschen nach ihr. Ich liebte es sowohl überrascht zu werden, als auch andere zu überraschen. Ich setzte meinen Weg in die Küche fort „Da warten wir aber lieber auf Lucy. Die weiß besser, ob das schon fertig ist", hörte ich die Stimme meiner Mutter. Bestimmt saß Carmen vor dem Herd und drückte sich fast die Nase an der Scheibe platt. Ja, tat sie, als ich die Küche betrat. „Da bist du ja endlich, Lucy." Die Kleine schaute mich vorwurfsvoll an. Schnell öffnete ich den Backofen und schaute nach der Modelliermasse „Perfekt. Die kann raus." Ich befördert sie auf die Arbeitsplatte, als ich das Schließen der Tür hörte. Hoffentlich war das nur Papa. „Mensch was soll ich denn jetzt machen?" Nein, das war Andis Stimme. Genauer gesagt Andis verzweifelte Stimme. Carmen schaute mich panisch an und ich ließ schnell den Topflappen auf ihr Kunstwerk gleiten. So konnte man es wenigstens nicht gleich sehen. Wieso aber war Andi so verzweifelt? „Ach, das wird schon", hörte ich Papa aufmunternd. Was bitte wurde schon? Mir fiel ein, dass heute doch eigentlich die Abnahme des Hauses sein sollte. Verflucht, was war da passiert? Scheinbar nichts Schlimmes, so positiv wie Papa war. Andererseits war er das immer. Er rülpste ja förmlich Sternschnuppen und pupste Regenbögen. Ja, ich kannte keinen so positiven Menschen wie meinen Papa. Also sollte ich doch lieber Andi als Skala nehmen. „Papa, Papa." Carmen stürmte auf ihn zu als er in der Küchentür auftauchte. Er hob sie auf seine Hüften und drückte sie. Irgendwie sah er ziemlich deprimiert aus und seine Haare standen in alle Richtungen. Dann war er sich wohl nicht nur einmal mit seinen Händen da durchgefahren. Ich dachte wieder an mein....also unser Horoskop. Wir waren ja beide Waage. Manch schlechte Nachricht ist Grundlage für etwas ganz Besonderes, das Ihnen die Augen öffnet und den Weg in die Zukunft weist. Welche schlechte Nachricht hatte er wohl bekommen? Ehrlich gesagt fragte ich mich zwar noch, was Opas Fehlen an Weihnachten für Auswirkungen auf meine Zukunft haben sollte, aber das würde ich bestimmt noch herausfinden. „Was ist denn passiert?", stellte Mama die Frage, die mich auch brennend interessierte. „Nichts wirklich Schlimmes", beruhigte Papa uns sofort. „Nichts Schlimmes. Du bist gut", Andi schüttelte seinen Kopf und fuhr sich schon wieder mit einer Hand durch die Haare. „Die Baufirma hat noch heute im letzten Moment ein blöden Rohrbruch fabriziert." „Was?" Mama schaute genauso schockiert wie ich. Rohrbruch hieß doch, dass alles unter Wasser stand. „Ach Tinos Leute sind da etwas abgerutscht, aber alles halb so schlimm, das Wasser war ja abgestellt", winkte Papa ab. „Das schon, aber jetzt müssen noch einmal die Wände aufgestemmt werden." Ach du große Sch....Staubwolke. Das dauerte doch bestimmt ewig und bald war Weihnachten, wie sollte das denn mit dem Umzug klappen? „Dafür hast du dann aber auch ein ganz neues Rohrsystem für lau." Gab es eigentlich irgendetwas, was Papa nicht positiv sah? „Ja, aber ich kann frühestens nach Weihnachten mit der Renovierung beginnen. Und wo sollen wir so lange bleiben? Sollen wir Weihnachten bei der Bahnhofsmission feiern?" Andi warf einen kurzen Seitenblick auf Carmen, die aber scheinbar nicht mitbekam, worum es ging, denn sie starrte die ganze Zeit auf den Bilderrahmen unter dem Topflappen, als wäre sie bereit ihn sofort zu verteidigen, wenn ihm jemand zu nahe kam. „Ihr bleibt natürlich bei uns. Das ist doch klar", kam es sofort von Papa und Andi entspannte sich etwas. „Krapfen, du weißt aber schon, dass meine Eltern an Weihnachten kommen und hier wohnen?" Ich sah, wie ungern Mama das gerade sagte und ich sah auch, wie verzweifelt Andi sofort wieder schaute. Das tat mir in der Seele weh. „Oma kann doch in meinem Zimmer mit schlafen, dann ist das Gästezimmer doch frei", rutschte es mir heraus. Das war doch alles kein Problem. „Und Opa? Den stellen wir auf die Terrasse, oder was?"Mama schüttelte verständnislos den Kopf. Okay, da half alles nichts. Oma hatte bestimmt Verständnis, wenn ich ihre Überraschung ausquatschte. Das war ja ein Notfall. „Er kommt nicht mir, der hat eine Biketour in Marokko mit seinen Freunden gewonnen." „Woher weißt du denn das?" Mamas zweifelnder Blick lag auf mir. „Oma hat gerade vor einer halben Stunde angerufen", erklärte ich kleinlaut. „Und da hast du mir nichts von erzählt?" Wie sagte ich Mama jetzt am besten, dass es eine Überraschung war, ohne noch mehr zu verraten. „Ich...ich...", begann ich herumzudrucksen. Sie winkte ab „Okay, sie will uns überraschen. Diese oder nächste Woche?" Mama kannte ihre Mutter wohl zu gut. Manno, was sollte ich denn jetzt machen? Wahrheit oder für Oma schwindeln? „Ich zähle die Tage auf und du nickst einfach. Dafür tun wir dann ganz überrascht, wenn sie hier reinschneit", schlug Mama vor „Mittwoch, Donnerstag, Freitag." Mein Kopf bewegte sich ganz von alleine. „Na bravo, dann kann sie uns ja bei der Feier helfen und ihr bleibt bis ins neue Jahr unsere Gäste." Sie klatschte zufrieden in ihre Hände. „Dann feiern wir hier Weihnachten und nicht in unserem neuen Haus, Flipper. Ist das okay?" Carmen schaute ihren Papa begeistert an „Jaaaa, wir feiern mit Lucy Weihnachten." Sofort kam sie auf mich zugestürzt und umarmte mich übermütig. Dann hatte das Horoskop ja recht. Die beiden schlechten Nachrichten waren die Grundlage für den Weg in die Zukunft....... wir feierten gemeinsam Weihnachten. O du fröhliche.....was ich mich freute. Verflucht, dann musste ich aber doch noch ein Weihnachtsgeschenk mehr für Andi besorgen. Aber was???
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Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️
RomanceLucy kommt sich so langsam wie das letzte Einhorn vor. Alle ihre Freundinnen haben einen Freund, nur sie nicht. Und der Kerl für den sie schwärmt, sieht in ihr alles mögliche - die Babysitterin und die Tochter seiner Kollegin - aber nicht das, was s...