Kapitel 35

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„Und schon aufgeregt?" Ich schaute zu Maja über den Frühstückstisch. Sie nickte mir zu und schob sich den letzten Happen von ihrer Semmel in den Mund. „Ach, so ein Shooting ist gar nicht so aufregend, wie sich das immer anhört", versuchte Mama, die auch mit am Frühstückstisch saß, sie zu beruhigen. Ehrlich gesagt hatten wir gar nicht über das Shooting gesprochen, sondern über Leos Überraschung. Natürlich hatte ich gestern Maja mit eingeweiht, denn ich brauchte ja auch ihre Unterstützung. Für den Fall, dass Leos Plan aufging, hatten wir auch noch eine Überraschung für die beiden geplant. Ich gähnte. Ja, wegen unserer Überraschung war ich auch so müde, denn wir hatten beide bis um 23 Uhr daran gesessen. Und wenn Leos Plan schief ging, okay dann......ach Quatsch, der musste einfach funktionieren. „Was denn Spatzl, hast du schlecht geschlafen?" Ich schüttelte den Kopf. Das war ja nicht gelogen. Vor Aufregung hatte ich so gut wie gar nicht geschlafen und das obwohl ich eigentlich stehend k.o. gewesen war, denn wir hatten den ganzen Tag die Klamotten von Leo und Tessa in das neue Haus geschleppt und dann auch noch das ganze Geschirr, das sie gekauft hatten, abgewaschen und verräumt. Ihr neues Zuhause war also bezugsfertig geworden und sie hatten nur noch ein letztes Mal im Haus von Marco und Franzi übernachtet. Ja, das gehörte ja auch zu Leos Plan und auch zu unserem. „Wo findet denn das Shooting statt? Und wer ist der Fotograf? Vielleicht kenne ich ihn ja", griff Mama das Thema wieder auf. Maja zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Da haben sich Tessa und Nils drum gekümmert. Aber ich glaube es ist eine Fotografin." Ihr Blick ging zu meinem Bruder, der immer noch nur medium begeistert von ihrem Job war. „Also eins kann ich dir sagen, ich lasse dich jedenfalls nicht aus den Augen. Und wenn das zu sexy ist, machst du die Fotos nicht", brummte er sofort. „Mensch Luca, wir reden hier von dem Katalog für das Merchandise eines Fußballvereins und nicht vom Playboy oder Penthouse", wies Mama ihn sofort wieder zurecht. Ehrlich gesagt schmeckte es mir überhaupt nicht, dass er heute auch da die ganze Zeit herumturnte. Das bedeutete, dass er alles mitbekam. Auf alle Fälle hatte ich ihn nicht eingeweiht, damit er sich nicht schon vorher verquatschte. „Wo ist denn nun das Set?" Ein Glück, dass Mama so überhaupt nicht neugierig war. „Im Stadion", grinste Maja begeistert. „Wow, das wird bestimmt cool. Schade, dass ich heute zu einem Termin nach Köln muss, sonst wäre ich auch einmal vorbeigekommen." Wie bitte? Nicht schade, sondern Gott sei Dank. Das hätte ja gerade noch gefehlt. „Wie viele Leute seid ihr jetzt eigentlich in der Agentur?" Ein Themenwechsel konnte ja nicht schaden. Und die Agentur war ein Lieblingsthema von Mama seit sie Teilhaberin war. „Wir sind mittlerweile 47 Angestellte und 5 Teilhaber. Wenn es so weiterläuft, wollen wir mit dem großen Büro in ein eigenes Gebäude in Höchsten umziehen. Da haben wir schon eins im Auge. Das würde sich auch lohnen, weil wir dort sowohl Studio als auch Büros alles unter einem Dach hätten. So müssen wir ja immer hin und her gurken und nur einer von uns Teilhabern ist immer im Hauptbüro anwesend. Ich wusste, dass das meist Erik oder Kathie waren, weil sie dort gleich in der Nähe wohnten, während Jasi, Marvin und Mama die Abgeschiedenheit im alten Ursprungsbüro der Agentur in Jasis und Marvins Haus bevorzugten......genau wie Andi, der Jasis rechte Hand war. Mein Handy gab einen Signalton von sich. Ah, eine Pushnachricht von  meinem Horoskop. Darauf hatte ich schon sehnsüchtig gewartet. Am Ende wird alles gut Was hieß hier am Ende? Mein ganzer Körper war sofort in Aufruhr versetzt. Das hieß ja, dass am Anfang erst einmal alles schief lief. Schnell ging ich den ganzen Plan in meinem Kopf durch. Mist, da gab es garantiert tausend Möglichkeiten für Fallstricke. „Schlechte Nachrichten?" Mama schaute mich besorgt an. „Das Horoskop", antwortete ich einsilbig und in meinem Kopf ratterten immer noch alle Möglichkeiten durch, was schief gehen konnte, und was ich davon schon im Vorhinein an Problemen ausschalten konnte. „Ach, das ist doch sowieso nur alles Humbug, den sich irgendein Spinner ausdenkt." Das war so typisch für meinen einfältigen Bruder, dass er nicht an höhere Mächte glaubte, die alle Fäden in der Hand hielten. „So weiß wie du aussiehst, muss es aber echt sehr negativ sein." Mama strich mit ihrem Zeigefinger über meine Hand. „Was sagt es denn?" „Am Ende wird alles gut", gab ich kleinlaut von mir und schielte zu Maja, die zu grinsen anfing „Das ist doch das wichtigste", zwinkerte sie mir zu. Die hatte ja Nerven. „Da hat Maja vollkommen recht. Das ist doch gut, wenn man weiß, dass selbst wenn etwas schief geht, zum Schluss doch wieder alles gut wird.", versuchte Mama mich auch zu beruhigen. Eigentlich hatten sie recht. So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Egal wie viele Pannen, am Ende würde der Plan funktionieren. „So, wir müssen jetzt aber auch los, sonst kommen wir noch zu spät." Maja sprang sofort auf. Sie wusste ja, dass wir noch ein paar Sachen abholen und vorbereiten mussten, denn das Shooting begann ja erst gegen Mittag und sollte auch nur knapp zwei Stunden dauern. Klar war vorher schon das ganze Make up und so angesagt. Ich dachte an unseren Zeitplan. Der war genau getimed. Es durfte beim Shooting einfach keine Verzögerung geben. „Schnuggerl, warum steht denn die so blöd an der Garderobe herum? Ich habe mich da fast auf den Pinsel gelegt, weil ich mit dem Fuss in den Schulterriemen eingehakt habe." Papa kam mit Mamas Kameratasche in der Hand in die Küche marschiert und hielt sie wie eine Jagdtrophäe vor sich hoch.  Verflucht. Konnte der nicht aufpassen, wo er mit seinen Quadratlatschen langlief.„Keine Ahnung wie die dahin kommt." Mama schnappte sie ihm aus der Hand und öffnete die Tasche schnell. „Na ein Glück ist ihr nichts passiert." Ja, ein Glück, aber mein Pech war, dass Mama sie jetzt wieder in ihren Händen hatte. Ich hatte sie doch schon extra da so versteckt deponiert, dass sie eigentlich keinem hätte auffallen sollen. Ja, eigentlich. Danke Papa. Scheiß Horoskop. Der Tag fing ja schon gut an. Mein Blick fiel zu Maja, die mich auch alarmiert anschaute. Aber hatte das Horoskop nicht auch gesagt, am Schluss wurde alles wieder gut? Dann wollte ich doch mal schauen, ob das stimmte. Ich brauchte diese Kamera nämlich dringend. „Ich habe die da hingepackt, weil ich habe doch nächstes Jahr Fotografie in Kunst und da wollte ich schon einmal ein paar Fotos vom Stadion machen, wenn ich da schon die Chance zu habe. Weil so Architektur ist doch immer gefragt. Nicht wahr Maja? Das war doch bei euch in dem Kurs auch Thema." Maja nickte sofort „Ja, die Klaus nimmt das immer sehr wichtig und im Stadion kannst du garantiert ausgefallene Fotos machen." Mama schaute mich begeistert an. „Ja, das ist eine super Idee. Auch, wenn ich so viel Eifer schon vor Beginn des neuen Schuljahres gar nicht von dir gewöhnt bin. Du kannst mir die Fotos ja dann am Wochenende zeigen und ich zeige dir noch ein paar Hacks bei der Bearbeitung." Nein, die Fotos würde sie garantiert nicht am Wochenende sehen, sondern frühestens.....ach keine Ahnung, aber mit Sicherheit nicht all zu bald. Sie reichte mir die Kamera. „Wenn du das Automatikprogramm nimmst, dann stimmt auch die Belichtung, aber.....", bekam ich auch gleich noch praktische Tipps von ihr. Puh, erleichtert schnappte ich mir die Kamera. Man, das wäre echt blöd gewesen, wenn es am Ende von Leos Überraschung nur ein paar kümmerliche Handyfotos gegeben hätte. Und den Umgang mit dem Teil beherrschte ich eigentlich ganz gut, auch ohne Mamas Tipps. Schließlich war ich von kleinauf schon an ihrem Job interessiert gewesen und hatte genug mitbekommen. „So, jetzt müssen wir aber wirklich los." Maja folgte mir sofort zusammen mit Luca aus der Küche. Wir schlüpften schnell an der Garderobe in unsere Schuhe und ich hängte mir die Kamera über die Schulter. Dann hatte mein Horoskop ja doch recht. Am Schluss war alles wieder gut geworden. Schnurstracks marschierten wir zu Lucas Auto, der heute den Chauffeur spielte. Ich kletterte auf den Rücksitz und Maja auf den Beifahrersitz. Mein Bruder hatte es sich auf dem Fahrersitz bequem gemacht. Warum startete der denn nicht endlich mal den Motor? „Los jetzt, wir müssen uns beeilen. Bestimmt ist auf der A40 wieder Stau.", versuchte ich ihn zu animieren endlich loszufahren. Er drehte sich zu mir um „Auf der A40 ist immer Stau. Aber wir fahren hier nicht los, bevor ihr mir nicht sagt, was hier gespielt wird. Du hast Kunst doch schon letztes Jahr abgewählt." Verflucht. Musste der denn gerade mal heute nicht auf der Leitung stehen? Dann blieb uns wohl nichts anderes übrig als ihn schon jetzt in den Plan einzuweihen und zu hoffen, dass er sich bei Tessa nicht verplapperte, denn als Geheimnisträger war er eine totale Fehlbesetzung. Herrgottskruzitürkennoamoi, das Horoskop hatte wohl noch gar nicht bei der Kamera zugeschlagen. Da ging scheinbar noch mehr.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt