Kapitel 143

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„Sweetheart, wollen wir noch eine Runde miteinander spielen?" Nils zwinkert mir keck zu. „Oder wollen wir uns lieber etwas zurückziehen und woanders spielen gehen?" Bei seinem letzten Satz verschluckte ich mich fast und spürte wieder diese Hitze in meinen Wangen. So laut wie er sprach, konnten das ja alle möglichen Leute hören. Hilfe, wenn Papa oder Mama das hörten. „Nee, sie hat versprochen mit mir zu spielen." Ehe ich überhaupt meinen Mund aufbekam, hatte mich Phil am Arm gepackt und schob mich zum nächsten Spielfeld. „Ich habe in etwa eine Ahnung, was der Mist soll, aber es ist doch nicht dein Ernst, dass du Mika mit einem Schwulen eifersüchtig machen willst.", zischelte er mir dabei ins Ohr. Wieso Mika? „Der wird garantiert eher eifersüchtig, wenn ich dich anbaggere. Warum hast du das nicht einfach vorher mit mir abgesprochen. Dafür sind doch beste Freunde da. Ich kann den Idioten sowieso nicht leiden. Und jetzt zeigen wir's ihm." Wieder schaffte ich es nicht meinen Mund aufzubekommen, weil diesmal ein paar Lippen, also genaugenommen nicht ein paar sondern Phils auf meinen lagen und er mich fest in seine Arme zog. Ähm, hallo! Was sollte denn das? Ich strampelte mich aus seinen Armen frei. „Es geht doch nicht um Mika." „Nicht?", Phil schaute mich verwirrt an und ich schüttelte den Kopf „Es geht um Andi", flüsterte ich ihm leise zu. „Ach ja, da war ja was", grinste er mich entschuldigend an. „Dann lass uns mal ein bisschen baggern, Sugar." Wieso mussten Männer eigentlich immer die Umgebung beschallen, wenn sie mir total bekloppte Kosenamen gaben? Grummelnd stapfte ich zur einen Seite des Spielfelds. Als ich meinen Kopf hob, fiel mein Blick zur Bar. Andi stand dort immer noch mit einem Cocktailglas in der Hand. Sein Blick wanderte von mir zu Phil, ehe er das Glas ansetzte und in einem Zug leerte. Oh oh, wenn er nicht aufpasste, bekam er gleich einen Zuckerschock und Vitaminüberschuss von den vielen süßen Fruchtsäften, die sie dort zusammen mischten, damit die Kiddies auch Cocktails trinken konnten. Das dumpfe Geräusch, das eine Hand, die auf einen Ball prallte, verursachte, riss mich aus meinen Gedanken und ich drehte mich schnell zu Phil. Ja, der Ball kam bereits auf mich zu geschossen und ich hatte alle Mühe ihn anzunehmen und wieder über das Netz zu befördern. „Puh, Sugar. Du bist ganz schön hartnäckig", stöhnte Phil zehn Minuten später und wischte sich mit seiner Hand den Schweiß aus dem Gesicht. „Nee, ist sie nicht. Du bist nur grottenschlecht und untrainiert", gackerte Tessa, die uns mit einer ihrer Töchter auf dem Arm zuschaute. Leo stand neben ihr und hatte seine andere Tochter ebenfalls auf dem Arm. „Lieblingsschwester, du hast nur Glück, das du meine Nichte, die ich noch viel lieber habe, auf dem Arm hast", grummelte Phil in ihre Richtung. „Ich kann nämlich sehr gut mit Bällen umgehen und über meine Kondition hat sich auch noch niemand beklagt." „Wir reden hier aber von Volleybällen und nicht welchen in der Hose oder im BH. Und auch nicht von Standfestigkeit", lachte sie ihn schon wieder aus. „Also ohne Kinder und Mann warst du eindeutig weniger versaut", brummelte Phil. „Das hat mir irgendwie besser gefallen." Er griff sich den Ball, der neben ihm im Sand lag und beförderte ihn wieder über das Netz zu mir. Ich pritschte ihn sofort zurück. „Phil, Lucy, könnt ihr mal kurz unterbrechen. Ich müsste mal kurz mit dir sprechen." Was wollte denn Marvin von mir? „Klar, ich übernehme so lange für dich und mache den Spinner platt." Tessa drückte Leo seine Tochter in den Arm und lief zu meiner Spielfeldseite. Ich nickte und lief hinter Marvin her. Wo wollte der denn hin? In einer abgelegenen Ecke stoppte er und deutete mit seinem Kopf auf einen Sitzsack, in dem eine Person zusammengefaltet hockte. Bei genauerem Hinsehen stellte ich fest, dass es nicht irgendeine Person war, sondern Andi. „Krieg isch jez noch einen", lallte er und streckte uns das leere Cocktailglas entgegen. Wieso lallte er? „Nee, Alter. Für dich gibt es höchstens noch ein Wasser." Marvin nahm ihm das Glas ab und drehte sich zu mir. „Wir müssen ihn hier rausbekommen, ehe Carmen ihn so entdeckt." Ich nickte. Klar, das war für die Kleine kein schöner Anblick, ihren Vater betrunken zu sehen. Aber.... „Er trinkt doch gar keinen Alkohol." Verständnislos schaute ich Marvin an, ehe ich wieder zu Andi schaute, der in sich zusammengesunken war. „Heute hat er da wohl eine Ausnahme gemacht." Bei Marvins durchdringendem Blick zog sich mein Magen zusammen. Doch nicht etwa wegen mir und dieser saublöden Flirtaktion. Ach Blödsinn, dafür müsste er ja ehrlich an mir interessiert sein. „Und die zwei Cocktails, die er heruntergekippt hat, waren wohl etwas zu stark für ihn." „Aba legga. Isch mag noch einen", brummte es hinter uns. Ja, Marvin hatte recht, wir mussten ihn hier schnellstmöglich rausbekommen, ohne das Carmen ihn so sah. „Soll ich Carmen mit zu mir nehmen und du bringst ihn nach Hause?", schlug ich vor. Marvin schüttelte den Kopf. „Ich kann hier an Leos Geburtstag nicht einfach verschwinden. Und wir können ihn in dem Zustand auch nicht einfach alleine lassen. Wer weiß, was er da anstellt." Ich nickte. Das klang plausibel. Marvin schaute mich ernst an „Ich dachte, du könntest ihn vielleicht nach Hause bringen und dich um ihn kümmern. Schließlich bist du ja nicht ganz unschuldig an seinem Zustand. Ich nehme dann Carmen mit zu uns. Dani und sie haben morgen sowieso nur einen Ausflug. Da braucht sie ihre Schulsachen nicht." Das stimmte. Morgen wollten sie ja mit ihrer Klasse nach Gut Böckellühr. Das war ein Ponyhof mit Streichelzoo. „Ja, kein Problem. Könntest du mir aber helfen ihn in Erwin zu verfrachten?" Marvin nickte und griff sich bereits Andi „Dann komm mal mit, du Cocktailleiche. Wir treffen uns draußen am Ausgang. Ich versuche noch ihn in seine Klamotten zu bekommen." Das war bestimmt kein leichtes Unterfangen, denn so wie Andi auf seiner Schulter hing, würde er ihm dabei bestimmt nicht viel helfen. Ich drehte auch schnell ab Richtung Umkleide. Sollte ich Tessa Bescheid sagen, dass ich den Abgang machte? Ich schaute zu dem Spielfeld, auf dem sie sich immer noch mit Phil duellierte. Nee, ich würde ihr nachher einfach eine Nachricht schicken. Schließlich wollte ich ja kein Aufsehen erregen und das würde ich sehr wahrscheinlich, wenn ich sie einweihte. In der Garderobe sprang ich schnell in meine Sachen. Wie gut, dass ich nur meinen Trainingsanzug überziehen musste und auf weitere modische Klamotten verzichtet hatte, die garantiert länger beim Anpellen gedauert hätten. Mit meiner Sporttasche in der Hand stürzte ich zum Ausgang. Gut, Andi und Marvin waren noch nicht da. Ich musste an mein Horoskop von heute morgen denken Sie kommen einen ganzen Schritt weiter. Und wohin? Richtung Abgrund? Schließlich bist du ja nicht ganz unschuldig an seinem Zustand, hörte ich Marvins Stimme sagen. Was meinte er denn damit? Eigentlich egal, denn wenn ich schuld daran war, dass Andi sich betrunken hatte, dann würde er mit Sicherheit nichts mehr von mir wissen wollen. Ja, ich war direkt auf den Abgrund zugelaufen. Ganz toll!

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt