Kapitel 79

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„Bitte verstauen Sie..." Ich hörte dieser blöden Durchsage im Flugzeug gar nicht mehr zu, sondern drückte meine Nase am Fenster platt. Gleich landeten wir in München. Wenn ich Glück hatte, konnte ich ja vielleicht sogar einen kurzen Blick auf die Alpen erhaschen. Man, wie ich es vermisste dort mit Oma herumzukraxln. Aber dieses Wochenende würde sich dafür garantiert keine Zeit finden. Nee, heute würden wir noch ein bisschen in München unterwegs sein und morgen ging es zur Wiesn und dann am Sonntag flogen wir ja schon wieder nach Hause. Ein bisschen Wehmut machte sich breit. So sehr ich den Pott auch mochte und meine Freunde dort hatte, so sehr fehlte mir doch auch München und vor allem die Berge, ganz zu schweigen von dem leckeren Essen. Bestimmt gab es bei Oma heute ofenfrischen Leberkas mit Kartoffelsalat und hinterher ein gescheiten Apfelstrudel. Ja, das machte sie immer, wenn wir kamen. Ich spürte, wie mir schon das Wasser im Mund zusammenlief. Und morgen würde ich eine Haxn zelebrieren......und a Hendl. „Und siehst du schon was, Spatzl?" Mama, die neben mir saß, beugte sich etwas vor und spitzte auch aus dem Fenster. „Soll ich den Piloten fragen, ob er für euch einmal über den Marienplatz fliegt?" Papa schüttelte grinsend seinen Kopf. Mein Blick ging zur anderen Seite der Sitzreihe, wo Luca auch aus dem Fenster schaute, während Maja sich nur an seine Schulter kuschelte. Ein Glück, dass die beiden sich dann doch ziemlich schnell wieder ausgesprochen hatten. Bei unserem Kinoabend hatte ich Luca noch einmal ordentlich bearbeitet und er war am Montag morgen dann wirklich gleich zu Maja gefahren. Ich starrte auf die kleinen Autos unter uns, als wir über der Autobahn immer weiter hinunter gingen. Dann würden wir bald landen. Ob Mika wohl auch schon aus Berlin gelandet war? Wir hatten die letzten Tage ja nur getextet und einmal telefoniert, als ich in der Badewanne gelegen hatte. Normalerweise duschte ich ja lieber, weil das schneller ging, aber an dem Tag hatte es wie aus Gießkannen geschüttet und ich war dummerweise mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Und was noch viel blöder war, die Temperaturen waren total in den Keller gerauscht. Da war dann ein warmes Bad zum Auftauen unvermeidlich gewesen und um mich in der Wanne nicht zu langweilen, hatte ich Mika angerufen und vom Möbelaufbauen abgehalten. Ich musste grinsen. Ja, er hatte dann doch mitbekommen, dass Möbel nicht ganz so schnell zusammengebaut waren, wie er gedacht hatte. Bis jetzt stand nur sein Bett, der Tisch und die Stühle und das Sofa. Die Schränke mussten wohl noch warten. „Na,schon aufgeregt, Spatzl?" Mama zwinkerte mir zu, als sie mir meinen Rucksack aus dem Gepäckfach über uns reichte. Ich nickte. Klar, ich war immer vor meinem Geburtstag aufgeregt, weil es zur Wiesn ging. „Mika wird bestimmt auch schon ungeduldig auf dich warten." Ach so. Ähm, ja.  Da war ja was. „So dann lasst uns erst einmal schauen und einen Überblick verschaffen." Papa reckte seinen Hals. „Da vorne ist eine Infotafel." Maja deutete mit ihrer Hand in eine Richtung. „Da können wir ja schauen, wo er gelandet ist." Wir setzten uns alle in Bewegung. Ja, Mika sollte eigentlich eine halbe Stunde vor uns gelandet sein und wir hatten verabredet, dass er zu unserem Gate kam.  „Vielleicht hat er sich ja verlaufen. Ist ja hier schon alles etwas größer als auf dem Dorfflughafen, wo er gestartet ist", brummte Luca. „Du meinst damit doch wohl nicht den Hauptstadtflughafen" Immer wenn es um Berlin ging, wurde Maja etwas dünnhäutig. Scheinbar schlugen bei ihr so langsam die Berliner Gene ihrer Mutter durch. Na ja, irgendwie konnte ich das auch verstehen. Ich hätte ja auch nichts auf München kommen lassen. „Wenn man bedenkt, wie lange die an dem Ding herumgeschustert haben." Papa schüttelte seinen Kopf. „Bei seiner Eröffnung war der Flughafen ja schon total veraltet und zwergig. Also ich bin früher lieber von Tegel geflogen. Da war man viel schneller vom Stadion aus und musst nicht einen halben Marathon hinlegen, um zum Flugzeug zu kommen." Wir schauten auf die Tafel. „Nicht im Ernst. Die Büchse ist ja noch nicht einmal gelandet. Dann lasst uns da hintraben." Mama schien wenig begeistert. Wahrscheinlich ging es ihr genau wie mir und sie hatte Hunger. „Wenigstens ist er schon im Anflug", brummte Luca und setzte sich in Bewegung. Mmm, duftete das hier verführerisch. Mein Magen stimmt mir sofort durch ein lautes Knurren zu. „Was schnuppert ihr denn schon wieder so in der Luft herum wie ein Jagdhund?" Papa schaute kopfschüttelnd zwischen Mama und mir hin und her, während wir uns vor dem Gate der Berliner Maschine positionierten. „Mama, Dodo." Luca kam mit fünf Brezn in der Hand auf uns zu und reichte jedem von uns eine. Und das waren nicht nur Brezn sondern Butterbrezn. Ich biss hinein und verdrehte begeistert die Augen. Boah, war das lecker. Wie hatte ich die Dinger vermisst. „Du bist...", begann ich „Mein Lieblingssohn", unterbrach mich Mama. „Du hast nur einen." Papa grinste sie an. „Das reicht ja auch, wenn er so perfekt ist." Mama war nie um eine Antwort verlegen. Ich schaute zu Maja, die nur in Mäusebissen sich durch die Brezn nagte. „Magst du nicht?" Sie schüttelte den Kopf „Da ist Butter und Schnittlauch dran." Ja, das war ja das Beste an den Dingern. „Willst du sie?" Sie streckte sie mir entgegen. Na da sagte ich doch nicht nein. „Schnuggerl magst du meine?" Papa reichte Mama auch seine Brezn. Natürlich griff sie auch sofort zu. Papa war eher der Ruhrpott-Currywurst-Pommes-Schranke-Befürworter. „Danke, Dumbo" Ich umarmte meinen Bruder nachdem ich selbst den letzten Krümmel vertilgt hatte. „Wir Bayern müssen doch zusammenhalten, Dodo", zwinkerte er mir zu. So gute Laune hatte er erst seit sein Fuß Münchner Boden berührt hatte. Vielleicht...."Da.....da kommt Mika." Maja fing an aufgeregt zu winken. Ja, so konnte er uns nicht übersehen, genau wie alle anderen Passagiere der Maschine. „Hallo. Sorry, dass ich echt so spät komme, aber in Berlin war total der Nebel und wir konnten erst mit Verspätung starten", entschuldigte er sich bei Papa und Mama und reichte ihnen die Hand. „Na wichtig ist ja nur, dass du jetzt da bist." Maja umarmte ihn kurz. „Hallo, Lucy." Mika zog mich in seine Arme und drückte seine Lippen auf meine. Ich spürte ein Ziehen am meinem Arm. „Genug geknutscht. Oma fährt draußen bestimmt schon Schleifen." Da hatte Luca wahrscheinlich recht, denn bei den Parkgebühren war der Spritverbrauch vom Herumfahren immer noch die billigere Variante. „Und wenn wir nicht langsam zum Gepäckband kommen, schicken die unsere Koffer nach Dortmund zurück", mischte sich auch Papa ein. Na das fehlte ja noch. In meinem Koffer war doch mein neues Dirndl und das brauchte ich morgen für die Wiesn. Da ging ohne Tracht nichts.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt