Kapitel 21

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„Und, was machen deine beiden Untermieter?" Ich setzte mich neben Tessa und schaute sie neugierig an. „Den Windelpupsen scheint es gut zu gehen. Jedenfalls sind sie fleißig beim Bewegen", grinsend strich sie sich mit ihrer einen Hand über ihren Bauch und griff mit der anderen nach einer Waffel auf ihrem Teller, die Leo vorhin gemacht hatte. Plötzlich wurde sie ernst. „Ich wollte dich auch um etwas bitten." Oha, was sollte das denn sein? Das letzte Mal als sie so ernst war, musste ich Fluchthelfer spielen und sie zum Flughafen fahren. „Na ja, mit meinem blöden Bein bin ich doch total schachgesetzt. Und Leo muss doch auch in der spielfreien Zeit trainieren, damit er in Form bleibt", druckste sie herum. „Eigentlich war ja geplant, dass wir das zusammen machen, aber...." Sie schaute zu dem Gips und klopfte einmal kurz dagegen „Das hat Kevin ja verhindert. Könntest du nicht mit ihm trainieren, weil alleine hat er heute sich schon gedrückt und das geht doch nicht. Du bist auch die einzige, die annähernd mit ihm mithalten kann und ihm auch mal den Arsch aufreißt, wenn er sich durchhängen lässt. Er braucht da manchmal einen Sklaventreiber." Vor meinem geistigen Auge tauchte ein Bild von mir peitschenschwingend auf. „Bist du dir sicher? Warum nicht Maja oder Leo?" Tessa winkte ab „Weil die verweichlichte Mädchen geworden sind. Die schaffen es niemals 10 Kilometer am Stück zu laufen." Okay, das würde ich schaffen. Ich ging ja oft genug mit Papa laufen und vielleicht war das auch gar nicht so schlecht, wenn ich mich ein wenig fit hielt. Auch wenn ich für die ersten drei Spiele gesperrt war. „Geht klar", stimmte ich also zu. „Und wie läuft es sonst so?" Tessa fing an über beide Backen zu grinsen. „Supidupi. Das andere Training funktioniert ja auch mit Gips." Sie kratzte sich kurz im Nacken. „Das tolle daran schwanger zu sein, ist ja, dass man nicht mehr verhüten muss. Schwangerer als schwanger geht ja nicht." Ich schüttelte den Kopf und musste schmunzeln. „Na, was grinst ihr so? Habt ihr euch gerade etwas für meinen Junggesellinnenabschied einfallen lassen?" Leo ließ sich auf die Liege neben uns plumpsen. Irgendwie dachte sie wohl auch, alles drehte sich nur um sie und ihre Hochzeit. Ehrlich gesagt hatte sich bis jetzt noch keiner überhaupt Gedanken um diese blöde Veranstaltung gemacht. Ich fand diesen ganzen Trödel total bekloppt und wäre garantiert total bedient, wenn mir meine Freundinnen in einer blöden Verkleidung irgendwelche total dämlichen Aufgaben stellen würden. Was war daran so lustig und toll sich total zum Klops zu machen? So wie Tessa mit ihren Augen rollte, dachte sie wohl das gleiche. „Also nur mal für das Protokoll. Ich möchte unbedingt eine Stretch-Limousine und auf gar keinen Fall einen Stripper, aber tolle bunte Cocktails.... so mit Schirmchen und Obstdeko." „Wenn du so genaue Ideen hast, dann solltest du das selbst organisieren", brummte Tessa. Leo zog empört die Luft ein „Dafür seid ihr als Brautjungfern zuständig. Und als Freundinnen", setzte sie nach. „Auch wenn ich die erste bin, die heiratet, heißt das nicht, dass ihr euch damit herausreden könnt, dass ihr davon noch keine Ahnung habt. Dafür gibt es das Internet und Zeitungen. Ich kann euch gleich welche geben, dann liegt ihr hier nicht so nutzlos herum." Noch bevor ich das Wort aufstehen hätte buchstabieren können, war sie schon aufgesprungen und auf dem Weg. „Die hat doch echt einen Knall." Tessa schüttelte ihren Kopf und schaute ihrer zukünftigen Schwägerin hinterher. „Falls ich jemals irgendwann in ganz ferner Zeit meinen Erpel heiraten sollte, schwöre ich dir, dass ich jeden köpfe, der so einen Aufriss macht." Ja, so sah ich das auch. Ich würde mit Andi auch nur etwas ganz Kleines an Feier machen. Wo blieb der überhaupt?Ein Blick auf mein Handy sagte mir, dass es schon nach elf Uhr war. Wie lange pennten die Plattenhardts Bitteschön? „Hier die Zeitungen werden euch bestimmt weiterhelfen." Leo drückte uns jedem ein Hochglanzmagazin in die Hand, auf dem schon vorne eine Braut strahlte. „Danke." Tessa schnappte sich auch meine Zeitung und ließ sie unter die Liege fallen. „Wie lange schläft deine Familie eigentlich? Oder kommen sie heute nicht?", stellte ich Leo die wirklich wichtigen Fragen des Lebens. Sie zuckte mit den Schultern „Na ja Mama und Marvin schlafen gerne aus und ehe sie Lulu abgefüttert und fertig haben. Das kann dauern." Okay, dann bestand noch Hoffnung. „Ich habe gehört, du hattest gestern ein Date mit meinem Bruder." Sie klimperte mehrmals mit ihren Wimpern. „Du und der Plattfisch?" Tessa schaute mich schockiert an. „Du sollst Mika nicht immer so nennen.", beschwerte sich Maja, die sich auch neben uns auf die Liege gesetzt hatte. „Genau, mein Bruder ist kein Plattfisch sondern Plattenhardt." Dabei betonte Leo das Hardt besonders. Das sorgte für ein undefiniertes Schnaubgackern bei Tessa. „Mika ist wirklich nett und man kann sich gut mit ihm unterhalten", wandte Maja sofort wieder ein. „Lucy, Lucy." Kleine Arme schlangen sich um mich. Wo kam denn auf einmal Carmen her? Mein Herz fing sofort an schneller zu schlagen. Hatte ich gar nicht mitbekommen, dass die anderen alle gekommen waren? Ich scannte die ganze Umgebung ab. Jasi hatte sich zu Mama und Franzi gesellt und Marvin stand neben Papa und Marco. Mika sah ich bei Leo, Max und Luca. Aber wo verflucht war Andi? „Papa ist heute wieder verabredet. Kann ich die ganze Zeit bei dir bleiben?" Carmen lieferte mir gerade die Antwort, die ich nicht wirklich hören wollte. Abwesend nickte ich und versuchte mir meine Enttäuschung nicht ansehen zu lassen. Das musste garantiert etwas mit dem Job zutun haben. Für einen alten Kommilitonen würde er Carmen garantiert nicht zwei Tage hintereinander im Stich lassen. Ein lautes Platschen riss mich aus meinen Gedanken und ich schaute zum Pool. Die Jungs hatten wohl beschlossen, dass es Zeit für eine Abkühlung war. Dann war gleich Showtime. Jedenfalls wenn das Produkt hielt, was es versprach. „Wollen wir auch ins Wasser?"Leo schaute uns an und Maja nickte. „Ich bleibe bei Tessa", winkte ich ab. „Du kannst ruhig mit. Ich bin ja nicht alleine.", grinste sie und deutet auf ihren Bauch, an dem man mittlerweile wirklich eine Rundung sah. „Nee, nee. Ich bleibe hier." Die anderen beiden Mädels marschierten zur Dusche. „Du kannst aber wirklich gehen.", versuchte es Tessa noch einmal. Dann war es wohl an der Zeit sie in meinen Plan einzuweihen. „Geil", quietschte sie. „Wie lange dauert das?" Ich zuckte mit den Achseln „Keine Ahnung. Was willst du mit dem Handy?" Tessa begann zu lachen „Natürlich filmen. Hoffentlich geht das flott. Ich habe nicht mehr soviel Speicherplatz." „Was....was ist denn das?!" So schockiert wie sich mein Bruder anhörte, hatte es wohl funktioniert. Tessa und ich machten lange Hälse und sahen wie seine Badehose gerade eine kleine Runde durch den Pool drehte. Die Nähte hatten sich perfekt aufgelöst. „Luc. Das wirst du bereuen." Man, der konnte ja richtig laut brüllen. Okay, das musste er auch, weil er sonst durch das Gelächter der anderen nicht zu hören wäre. „Oh oh." Tessa richtete ihr Handy auf die Treppe vom Pool, wo mein Bruder gerade wutschnaubend heraussprang. Der konnte sich ja sogar schnell bewegen. Scheiße. Ich sollte langsam meine Socken warm machen. Der war echt sauer, wenn er sogar nackt da raushüpfte. Ich sprang auf und begann zu rennen. „Wenn ich dich kriege, mache ich dich platt, Luc." Schnell versuchte ich zu beschleunigen, hörte aber schon hinter mir das Patschen seiner nassen Füße. „Selbst Schuld. Hättest du gestern nicht meinem Bikini Oberteil das Schwimmen beigebracht", quetschte ich mir heraus, als mich seine Hände an den Schultern packten. Mist, da half höchstens noch um mich treten. „Aua." Was schrie der denn so auf? Ich hatte doch noch nicht einmal meinen Fuss bewegt. Die Arme von meinen Schultern verschwanden und er hüpfte auf einem Bein, während er sich das andere mit schmerzverzogenem Gesicht rieb. So nackt sah das echt mega albern aus. „Lass Lucy in Ruhe", hörte ich Carmens Stimme, die schon wieder mit ihrem Bein ausholte, um ihm auch vor das andere Bein zu treten. Ich biss mir auf die Lippen, um nicht laut loszulachen und schnappte mir schnell die Kleine, ehe sie meinen Bruder noch zum Schweben brachte. Maja kam mit einem Handtuch angerannt und drückte es Luca in die Hand, damit er es sich erst einmal um die Hüfte wickeln konnte. „Was ist hier los? Und wieso rennst du  hier vor allen nackert ummidum?" Mama schaute Luca prüfend an. „Weil die da..." Er deutete mit seinem Finger auf mich. „Meine neue Badehose manipuliert hat." Mamas Blick ging zu mir „Er hat mir gestern das Bikinioberteil im Meer aufgemacht." „Ich habe mit deinem blöden Bikini nichts gemacht. Der ist ganz von alleine aufgegangen. Passiert halt, wenn man so Mini Stofffetzen trägt." Ja, genau. Eine Schleife mit Doppelknoten geht von alleine auf. „Dann waren das bei der Badehose halt auch heiße Nähte, soll ja bei den billigen Produkten öfter mal vorkommen, dass die Nähte aufgehen." „Schluss jetzt, alle beide." Mama schüttelte ihren Kopf „Manchmal frage ich mich echt, wie alt ihr seid. Gehe dir erst einmal etwas anderes anziehen", wandte sie sich an Luca, der mich bitterböse anschaute. „Das wirst du noch bereuen." Ich schaute zu Tessa, die den Daumen nach oben zeigte. „Wenn ich das bereue, dann bekommen aber ganz viele Leute Luca Junior zu sehen." Fassungslos starrte er mich an. „Du hast das gefilmt?" Ich grinste. „Vielleicht." Oh oh, gleiche qualmte er aus der Nase. „Du.....du löschst das so......sofort, o....oder..." Man der sollte aufhören zu stottern. So wirkte eine Drohung nicht. „Ach, du kannst mich mal wie eine Briefmarke am verlängerten Rückgrat behandeln", warf ich ihm also an den Kopf. „Was?" Er schaute mich total verwirrt an. „ Du kinnst mi moi am Orsch lecka." Ups, da kam wieder Oma bei mir durch. Ich lief zu Tessa und klatschte mit ihr ab. Der Punkt im Geschwisterduell war eindeutig an mich gegangen.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt