Kapitel 24

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„Der Sonnenuntergang war echt atemberaubend schön."  Ich lehnte mich im Autositz zurück und schaute zum Seitenspiegel in dem immer noch ein Wenig das Nachglühen zu sehen war. Mich beeindruckte das Farbenspiel, das sich beim Sonnenuntergang am Himmel zeigte, jedesmal aufs Neue. Jedesmal sah es anders aus und jedesmal war es auf seine ganz eigene Art wunderschön. „Ja, fand ich auch. Ich mag es, wenn es aussieht als ob der Himmel brennt." Ich schaute zu Mika, der nach vorne auf den Verkehr starrte. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass ihm seine Aussage gerade etwas peinlich war. Ja, klar. Ich schlug mir innerlich vor den Kopf. Die meisten Männer würden darüber den Kopf schütteln. Sonnenuntergänge waren doch nur etwas, um Weiber zu beeindrucken. Mir fiel mein Bruder ein, der wahrscheinlich nur unter Gewaltandrohung zugeben würde, dass ihm das Naturschauspiel gefallen hatte. Vielleicht sollte den Kerlen mal jemand sagen, dass ihre Klöten durch Gefühlsäußerungen nicht schrumpften. Ich hörte mich schon wieder wie Oma an. Jedenfalls hatte Mika gerade wieder einen Pluspunkt gutgeschrieben bekommen. „Das sieht echt cool aus." Ich deutete mit meiner Hand nach vorne, wo in weiter Ferne vor uns die beleuchtete Festung von Eivissa aufgetaucht war. Mika nickte nur und konzentrierte sich weiter auf die Schnellstraße. Ein ganz sanfter Duft kribbelte in meiner Nase. Das......das duftete hier ganz leicht nach Andis Rasierwasser. Wieso war mir das noch nicht früher aufgefallen? Ich sog den Duft tief ein und sofort spürte ich eine leichte Gänsehaut auf meinen Armen. Schnell rieb ich mir mit den Handflächen über die Unterarme. „Ist dir kalt? Soll ich die Klima ausmachen?" Mika warf mir einen kurzen besorgten Blick zu. Man, der war echt aufmerksam. Das gab einen Zusatzpunkt auf seinem Sympathiekonto. „Nee, passt scho." Ich konzentrierte mich lieber schnell wieder auf den schönen Anblick vor uns. Mein Handy-Signalton durchschnitt plötzlich unser angenehmes Schweigen. Ich griff in meine Handtasche und holte es heraus. Wer wollte denn jetzt etwas von mir? Die wussten doch alle, dass ich mit Mika unterwegs war.  Ich öffnete die Nachricht und las sie schnell, ehe mir ein kleines Stöhnen entwich. „Ist es was Schlimmes? Musst du Nachhause?" Ich schüttelte schnell den Kopf. „Nee, nur eine neue Idee von Brautzilla, die sie sofort mit uns teilen musste." Erschrocken schlug ich mir die Hand vor den Mund. Was hatte ich da gerade gemacht? Neben mir saß doch der Bruder von Brautzilla. Der hätte den Spitznamen von Leo nicht unbedingt hören sollen. Wahrscheinlich war er jetzt angepisst. Mit schlechtem Gewissen schaute ich zu ihm. „Brautzilla ist geil und total zutreffend", grinste er mich stattdessen an. „Weißt du wie glücklich ich bin, dass ich keine Frau bin und deshalb als Brautjungfer ausfalle? Leo übertreibt so maßlos. Mein Dad ist auch schon total genervt und ergreift sofort die Flucht, wenn das Wort Hochzeit nur fällt." Ich musste auch grinsen und notierte geistig den nächsten Pluspunkt. „Seit vorgestern hat sie eine Whats App Gruppe mit dem Namen Traumhochzeit eingerichtet und uns alle hinzugefügt." Ich schaute auf den Chat. „Seit dem gibt es mindestens hundert Nachrichten. Wohlgemerkt die meisten von Leo selbst." Ich schüttelte den Kopf „Jetzt will sie am liebsten einen Heißluftballon-Flug zum Junggesellinnenabschied. Weiß sie eigentlich, was so ein Mist kostet?" Mika fing an zu lachen. „Nee, sie muss ja nichts selbst zahlen. Was habt ihr denn bis jetzt geplant?" Ich kratzte mich am Hinterkopf „Ehrlich gesagt noch gar nichts." „Dann möchte ich nicht in eurer Haut stecken. Die Rache von Brautzilla wird schrecklich werden." Er verstellte seine Stimme wie in einem billigen Gruselfilm und flatterte angsteinflössend mit seiner einen Hand vor meinem Gesicht, ehe er anfing lauthals zu lachen. Okay, das gab einen extra Humor-Punkt. „Aber ich denke Leo hat das Gefühl auf einmal wie eine Erwachsene handeln zu müssen, weil sie heiratet. Dabei schießt sie halt mächtig über das Ziel hinaus. Wahrscheinlich ist es gar nicht so leicht, wenn man glaubt mit den Erwachsenen mithalten zu müssen und nicht ihre Ressourcen hat, weil man halt noch Schüler oder Studi ist." So hatte ich das noch nie gesehen. Nachdenklich rieb ich mir das Kinn. Wahrscheinlich hatte er damit sogar recht. Also das gab schon wieder einen Empathie-Punkt. Mein Bruder hätte es garantiert dabei belassen, dass ich einfach durchgebimst war und hätte sich keine weiteren Gedanken über das Warum gemacht. „So, wir wären da." Mika fuhr in eine Parklücke und machte den Motor aus. Ich schaute mich um. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite waren schon eine ganze Menge Leute, die scheinbar schon auf den Einlass warteten. „Wollen wir auch ein Foto bei den Kirschen machen?" Mika deutete mit seiner Hand zu dem beleuchteten Markenzeichen des Pacha, ehe er nach meiner Hand griff und mich über die Straße zog. Eine Viertelstunde später schaute ich mich im Inneren des Clubs um. Hier war ganz schön etwas los. Ich musste an Papas Begeisterung denken und wie er mir vorhin von seinem ersten Besuch im Pacha vorgeschwärmt hatte. Da fiel mir etwas ein, was ihn besonders beeindruckt hatte. „Wollen wir mal auf die Terrasse?", brüllte ich Mika über die laute Musik zu, der sofort nickte und wieder meine Hand griff und mich mit sich zog. Scheinbar war er wohl nicht zum ersten Mal hier. Hatte er nicht letztes Jahr einen Urlaubsflirt mit einer Spanierin? Das würde jedenfalls erklären, warum er sich hier so gut auskannte. Manno, wie viele Etagen hatte denn dieser Club? Und wieder ging es eine Treppe aufwärts. Als wir durch eine Tür liefen, schlug mir sofort die warme Abendluft entgegen und vor mir breitete sich eine Terrasse aus auf der lauter chillige Sitzsäcke lagen. Alte Holzkisten dienten als Tische. Leise Musik lief im Hintergrund. Das.....das war doch Michael Jackson. Den hörte Oma oft. Mein Blick wanderte weiter und wieder sah ich die schön beleuchtete Festung. Sofort schnappte ich mir mein Handy aus der Tasche und machte ein Foto. „Wollen wir uns etwas zu trinken holen bevor wir uns wieder in den Trubel stürzen?" Mika schien es hier auch zu gefallen. Ich nickte. „Du hältst uns hier den Platz frei und ich hole uns was." Nach einem kleinen Schubser gegen die Brust plumpste er auf den Sitzsack neben uns und ich machte mich vom Acker, ehe er überhaupt protestieren konnte. Er hatte schon genug Geld im Mambo und für die Eintrittskarten ausgegeben. Da wurde es Zeit, dass ich mich auch mal revanchierte. Zielstrebig machte ich mich also auf den Weg zur Bar, als mich jemand von der Seite anrempelte. „Kannst du Trampel nicht aufpassen", wurde ich sofort angepflaumt. Wie bitte? Die war doch kopflos in mich hineingerannt. Ich drehte mich also herum und sah vor mit die oide Brunzkachl aus dem Mambo. Ja, diese aufblondierten Haare und das bearbeitete Gesicht - die sah ja aus als hätte jemand einmal Photoshop über sie laufen lassen - erkannte ich sofort wieder. Mit der hatte ich ja noch etwas offen. „Bitte zwei Cola an den Tisch da hinten." Ich deutete in die Richtung, wo Mika auf mich wartete „und wenn möglich nicht die Hälfte verschütten, sonst kannst du dir bald einen anderen Job suchen." Wow, konnte die schockiert und empört zugleich schauen. Hoffentlich ließ sie nicht auch noch die Gläser in ihrer Hand fallen. „Sehe ich vielleicht aus wie eine Bedienung? Ich bin Model.", kam dann doch ein empörter Aufschrei. „Zum ersten ja, du siehst aus wie eine Bedienung und zum zweiten für was modelst du? Für Rheumaunterwäsche, oder was?" Ich schickte ein kleines gedankliches Dankeschön an Oma, bei der ich diesen Spruch schon öfter gehört hatte. „So eine Unverschämtheit." Oh oh, hoffentlich hatte sie nicht hohen Blutdruck, sonst kippte sie hier gleich noch um, so wie sie sich aufregte. „Beruhige dich doch, mein Engel." Ein Typ im Anzug legte ihr beruhigend seinen Arm um die Taille. Wo war denn der Sugar Daddy abgeblieben? Der hatte doch live miterlebt als die ganze Flower Power Musik entstanden war. Scheinbar hatte sie ihn wohl gegen seinen Sohn ausgetauscht, denn der Kerl neben ihr war so in ihrem Alter, also dem Alter meiner Eltern. „Das ist bestimmt nur eine dumme Verwechselung, nicht wahr.", wandte er sich in meine Richtung ehe er sie auf die Wange küsste und weiterschob. Ja, man sah sich halt im Leben immer zweimal...... sagte meine Oma auch immer. Und ich musste sagen, das zweite Mal hatte mir eindeutig mehr Spaß gemacht. Gut gelaunt lief ich weiter zur Bar und holte unsere Cola.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt