„Maja hat mir erzählt, dass du beim Oktoberfest total breit warst, weil du so einen riesigen Pott Bier geschlirft hast." Tessa schaute mich von Erwins Beifahrersitz aus lachend an. Ich schüttelte den Kopf „Ich war nur a bissl ogstocha und außerdem war das kein Pott Bier, sondern eine Mass", gab ich leicht säuerlich zurück. Ja, meine erste Mass Bier war vielleicht etwas heftig für mich. Ich konnte mich noch daran erinnern, dass ich irgendwann auf der Holzbank gestanden und getanzt hatte. „Ogstocha?" Tessa schaute mich fragend an „Angestochen, also angeschickert, angeheitert", übersetzte ich für meine Ruhrpottfreundin. Sie fing an zu kichern. „Manno, da wäre ich gerne dabei gewesen." Ja, sie hätte wahrscheinlich ihren Spaß gehabt, im Gegensatz zu ihrem Zwilling, die mich auf unserem ganzen Rückflug nur komisch angeschaut hatte. Okay, das war mir ziemlich egal gewesen, denn mein Kopf hatte leicht gebrummt und ich hatte es bevorzugt meine Augen möglichst oft geschlossen zu halten. Luca war es genauso gegangen. Ich fragte mich nur, warum er trotzdem zwei Mass mehr oder weniger vertragen hatte. Genaugenommen auch weniger, denn Zuhause bei Oma hatten wir beide den Porzellangott angebetet. So etwas sollte einem eigentlich als Münchner Kindl nicht passieren. Dafür mussten Papas defekte Ruhrpott-Gene verantwortlich sein. Es war echt eine Schande, dass das Hendl, die Haxe und der Germknödel sich in die Kanalisation verabschiedet hatten. „Na ja Maja war glaube ich nicht ganz so begeistert vom Oktoberfest." Ich schaute Tessa an und nickte. Das hatte ich schon vermutet. „Aber ich kann schon verstehen, dass du dir den Plattfisch, die alte Spaßbremse, erst einmal lustig saufen musstest." „Mika ist keine Spaßbremse", verteidigte ich meinen Freund. „Nicht? Dann willst du also sagen, dass du das Wochenende da unten im Süden mit ihm den vollen Spaß hattest? Wo ist er überhaupt? Er wollte doch jedes Wochenende nach Hause kommen." „Es war schon lustig mit ihm. Und dieses Wochenende ist halt die Erstis Party und da wollte er hingehen, um Kontakte zu knüpfen. Das ist schon okay so." Ehrlich gesagt hörte sich das gerade sogar in meinen Ohren ziemlich lahm an. Und scheinbar nicht nur für meine Ohren, so wie mich Tessa anschaute. „Also macht es dir gar nichts aus und ist völlig in Ordnung für dich, wenn er nicht kommt?" Ich nickte langsam mit meinem Kopf. Ja, das war für mich völlig in Ordnung. So hatte ich heute wenigstens Zeit, mich mit Tessa zu treffen. „Du weißt aber schon, dass das nicht normal ist?" Sie schaute mich ernst an „Normalerweise solltest du enttäuscht sein und ihn vermissen." Sie machte eine kurze Pause „Weißt du meinen Erpel vermisse ich schon, wenn die Tür hinter ihm zuknallt. Und ich bin ganz kribbelig, wenn ich sein Auto in die Garage fahren höre." Ich dachte kurz nach. Also ich wurde ja nicht einmal kribbelig, wenn Mika vor mir stand. Bestimmt lag das bei Tessa nur an der Schwangerschaft. „Und wenn er mich küsst, dann ist ein ganzer Ameisenhaufen in mir los", begann sie zu schwärmen. „Ist das bei dir auch so? Mit weniger solltest du dich nämlich nicht zufrieden geben." Wenn ich ehrlich war, war das bei mir ..... doch, irgendwie kribbelte es schon beim küssen. Mir fiel wieder Oma ein. Was hatte sie mir am Flughafen ins Ohr geflüstert? Nicht immer ist das Erste das Richtige. Manchmal muss man auch weiter probieren. Ich hatte gedacht, sie meinte damit, dass Mika und ich nur weiter üben mussten, aber vielleicht...... „Tu ich nicht", gab ich so überzeugend wie möglich von mir. Tessas Blick sagte mir, dass sie mir das gerade genauso wenig abnahm, wie ich selbst. Aber ich würde das mit Mika nicht einfach so beenden. Nein, wir brauchten einfach nur noch etwas Anlaufzeit. Bei Tessa und Leo war am Anfang ja auch nicht gleich alles rosarot. „Wie geht es überhaupt den Windelpupsen?", beendete ich das blöde Thema einfach. Tessa begann sofort zu strahlen. „Die sind voll im Derbymodus, so wie sie gerade herumbalgen. Willst du mal?" Sie griff nach meiner Hand und legt sie auf ihren Bauch. Wuhu, da war echt Action zu fühlen. Ständig buffte es gegen meine Hand. „Und habt ihr schon Namen für die beiden?" Ich war total gespannt, wie sie sie nannten. Tessa schüttelte den Kopf. „Wir sind noch in der Findungsphase. Wir sind uns nur einig, dass es Namen sein sollen, die etwas mit Fußball zu tun haben." Was sollten das für Namen sein? „Du meinst so wie Fortuna oder Arminia?", fragte ich verstört. Das musste ich ihr dringend ausreden. Das war ja traumatisierend für die Kinder. Tessa schüttelte den Kopf „Bist du bekloppt. Ich will doch keine Spucknäpfe aus ihnen machen. Nee, wie berühmte Fußballer, bloß halt Mädchennamen. Leo hat schon Olivia wie von Oliver Kahn vorgeschlagen. Ich will aber keine Tochter, die einem muskelbepackten Seemann Spinat kocht." „Muskelbepackter Seemann?", hakte ich nach. „Na Popey. Kannst du dich nicht an die olle Grete Olivia erinnern?" Oh doch, jetzt schon. Okay, das konnte ich nachvollziehen. „Dann lieber Gianna nach Gianluigi Buffon oder Andrea wie nach Ter Stegen." Das hörte sich auch nicht schlecht an „Oder Paula nach Dybala", schlug ich vor. Warum holte sie denn ihr Handy heraus? „Kommt sofort in die Liste", grinste sie mich an und tippte. „Oder Marion wie nach dem Siegestorschützen von 2014", schlug ich weiter vor. „Nee, dann hörst du dich hier im Pott ja wie die Abkürzung von Mayonnaise an, wenn dich jeder Majon ruft. Den Götze haben sie hier doch auch immer Majo gerufen." Tessa schüttelte entschieden ihren Kopf und steckte das Handy wieder in ihre Tasche. „So, dann lass uns mal in die Höhle des Löwen." Sie öffnete Erwins Tür und stieg aus. Vor dem Auto zuckte sie auf einmal zusammen und keuchte kurz auf, während sie sich den Bauch rieb. „Das sind jetzt aber keine Wehen, oder?", fragte ich besorgt. Weil, wenn ja, hatte ich absolut keinen Plan, was zutun war. Tessa schüttelte den Kopf und straffte sich wieder. „Nee, da hat nur einer der Windelpupse gerade einen Fallrückzieher versucht. Heute ist Derby, da werde ich garantiert keine Babys bekommen. Außerdem ist noch jede Menge Zeit." Ja, heute war das Derby und ich war seit langer Zeit mal wieder auf Schalke. Leo hatte VIP Karten besorgt und mich gebeten meine Freundin zu begleiten und auf sie aufzupassen. Und das Aufpassen gestaltete sich ziemlich schwer, wie ich zwei Stunden später feststellen musste, als Tessa wie ein Flummi neben mir herumhüpfte und sich die Kehle aus dem Leib brüllte. Ich schaute zu ihr und wieder war ihr Gesicht schmerzhaft verzogen. Da stimmte doch etwas nicht. „Was ist los?" Sie zuckte nur mit den Schultern „Nichts. Die Windelpupse sind nur etwas aufgeregt." „Bist du dir sicher, dass es nicht mehr ist? Nicht, dass sie auf einmal raus wollen." Tessas Gesicht war schlagartig blaß und sie saß ganz still. „Das geht nicht", kam es zögerlich von ihr, als sie sich schon wieder den Bauch rieb. „Wir sind hier in Schlumpfhausen auf feindlichem Gebiet." Ein leises Stöhnen entwich ihr, ehe sie aufsprang. „Los, lass uns schnell nach Dortmund fahren. Ich schwöre dir, ich ziehe die so lange an der Nabelschnur wieder hoch, bis wir da sind oder zumindest aus der verbotenen Stadt raus sind", grummelte sie und zog mich mit. Manno, das durfte doch echt nicht wahr sein. Das war doch noch viel zu früh und ich war darauf nicht vorbereitet. Hinter mir hörte ich lauten Jubel. Keine Ahnung, von welcher Mannschaft. Aber so eilig wie Tessa es hatte, traute ich mich auch nicht, mich noch einmal umzudrehen und auf die Anzeigetafel zu schauen.
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Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️
Roman d'amourLucy kommt sich so langsam wie das letzte Einhorn vor. Alle ihre Freundinnen haben einen Freund, nur sie nicht. Und der Kerl für den sie schwärmt, sieht in ihr alles mögliche - die Babysitterin und die Tochter seiner Kollegin - aber nicht das, was s...