Kapitel 113

424 58 19
                                    


„Das ist bestimmt toll in so einer Berghütte. Morgens die verschneiten Berge als erstes sehen", schwärmte Maja begeistert. „Komisch beim Wandern hat es dir da überhaupt nicht gefallen", brummte Luca. Da hatte er recht. Ich musste gerade an unsere Wanderung zu meinem Geburtstag denken. Da hatte sie die ganze Zeit nur gestöhnt und gemault. Ich hatte nicht gerade das Gefühl, dass ihr die Berge besonders gefielen. „Ja, aber so mit dem Schnee sieht das bestimmt total schön und romantisch aus. Außerdem muss man dann ja auch nicht sinnlos auf ihnen herumrennen." Also ich fand die Berge immer schön und anmutig. Aber ich war ja auch ziemlich naturverbunden und mit ihnen aufgewachsen. Deshalb war Wandern für mich auch kein sinnloses Herumgerenne, genauso wenig wie das Skiwandern oder Tourengehen im Winter. „Ja, ich rutsche auch lieber die Hügel auf Skiern im Winter herunter als sie im Sommer hinaufzumarschieren." Echt jetzt? Leicht schockiert schaute ich zu Mika. „Hast du dir eigentlich schon einmal Gedanken darüber gemacht, welche Umwelt- und Naturschäden diese ganzen Lifte fabrizieren?" Luca kam mir mit seiner Frage zuvor. Ich hasste es genau wie er, dass immer mehr Wälder gerodet wurden, damit es die Leute im Lift schön bequem hatten. Man konnte doch auch durch eigene Körperkraft auf die Berge kommen oder aber mit Langlaufskiern in der Ebene bleiben. Damit war der Natur gedient und man selbst hatte auch mehr davon sie im Einklang zu genießen. „Die paar Bäume die da gerodet werden." Mika winkte einfach mit der Hand ab. „Und die Speicherseen die extra angelegt werden für den Kunstschnee? Du hast echt null Ahnung" Luca schaute ihn angepisst an. Egal, was für ein Erbsenzähler er auch war und wie wirtschaftlich er alles sah, wenn es um die Natur in den Bergen ging, kannte er keine zwei Meinungen. „Das sehe ich auch so. Weißt du überhaupt was der ganze Trubel da für die ganzen Waldbewohner bedeutet?", schaltete sich auch Phil ein. „Das sie mehr verdienen als im Sommer", grinste Mika und legte seinen Arm um meine Taille. Wie bitte? Das hatte er doch nicht gerade wirklich gesagt? „Er meinte die Tiere, du Depp." Luca funkelte ihn sauer an und Phil schüttelte nur seinen Kopf. „Dann seid ihr also gegen Skifahren?" Maja schaute uns verwundert an. „Ihr geht doch aber auch immer im Winter in die Berge." „Ja, aber im Einklang mit der Natur", klärte ich sie auf. „Wir nutzen nie irgendwelche Liftanlagen." „Biene, wir können ja in der vorlesungsfreien Zeit mal einen Ausflug machen und dann zeige ich dir das." Luca zog sie sanft an sich und drückte ihr einen Kuss auf ihr Haar. Sie schaute ihn nachdenklich an, als überlegte sie. „Nee, da muss ich mich auf ein paar Prüfungen vorbereiten." Ich hatte eher das Gefühl, sie hatte den vergangenen Muskelkater mit dem eventuellen Vergnügen abgewogen und sich dagegen entschieden. „Oder wir fahren wieder zu viert und ihr beide nehmt den natürlichen Weg und wir den Lift. Ich kann dir dann ja auch das Skifahren beibringen", zwinkerte Mika in Majas Richtung. „Das denke ich nicht", knurrte mein Bruder. „Wann fahrt ihr denn überhaupt?" Maja wollte wohl die schlechte Stimmung, die sich gerade entwickelt hatte überspielen, denn auch Phil hatte Mika mit einem unfreundlichen Blick fixiert. Manno, er war mein Freund und irgendetwas musste ich doch tun, wenn die beiden so gegen ihn waren. Auch wenn sie eigentlich recht hatten. Aber...... er war mein Freund, also musste ich auch zu ihm stehen. Deshalb kuschelte ich mich etwas mehr in seinen Arm und an ihn. „Wir fahren am ersten Feiertag ganz früh." Ja, ich hatte mir das mit Heiligabend schon überlegt. Wenn wir zuerst bei seiner Familie waren, dann konnten wir dort mit Baby Lulu die frühe Bescherung mitmachen und dann zu meiner Familie gehen. Da Luca ja auch immer als erstes bei Majas Familie war, fand die Bescherung bei uns ja immer erst etwas später statt. Das war dann das erste Mal, dass ich auch bei einer anderen Familie mitfeierte. Ich hatte sogar schon für alle ein kleines Geschenk besorgt. „Erinnere mich bitte nachher daran, dass ich dir auch das Geschenk für meine Süße gebe, damit sie es nicht schon vorher aufmacht", wandte er sich an meinen Bruder, der ihn so fassungslos anschaute, wie ich mich gerade fühlte. „Du gibst es ihr nicht selbst?" Phil starrte ihn an. „Das wäre doch alles ein bisschen umständlich die Hin- und Herfahrerei und ich muss dann ja auch morgens ganz früh raus. Das verstehst du doch, Süße? Wir verbringen dann halt einen anderen Tag zusammen. Im neuen Jahr." Ich nickte wie ferngesteuert. Was sollte ich auch sonst machen? Ihn anmeckern, dass ich das absolut nicht verstand? Ich dachte an mein Horoskop von heute morgen Manchmal musste man auch praktisch denken Dann dachte ich halt praktisch. Irgendwie hatte Mika ja auch recht. Es kam ja nicht auf den Tag an, sondern nur dass man Zeit miteinander verbrachte. Mein Bruder gab nur ein unverständliches Brummen von sich, das aber nicht gerade begeistert klang. „Umso besser. Dann kannst du ja den Heiligabend mit mir verbringen und ich muss nicht extra das Geschenk Maja mitgeben", grinste Phil und zwinkerte mir zu. „Ich übergebe meine Geschenke nämlich lieber persönlich", wandte er sich dann noch in Mikas Richtung, dessen Hand sich in meine Taille krallte. „Lucy feiert Weihnachten bestimmt hier mit Carmen. Nicht wahr?" Mikas Stimme klang ziemlich überzeugt. „Ach, ich kann sie ja mitnehmen, wenn ich zu Maja fahre." Erstaunt schaute ich zu meinem Bruder, der Mika angrinste. „Dann feiern wir den ganzen Tag zusammen.", schoss er mit einem betonten wir und zusammen in Phils Richtung. Okay, so war das also gemeint. „Lucy, Lucy" Carmen rettete mich davor eine Entscheidung zu treffen als sie mich am Arm mit sich zog. „Ich lerne jetzt nicht nur Bayrisch sondern auch Berlinerisch, damit Opa Chris nicht traurig ist", strahlte sie mich an „Ick will dir ma wat zeigen", schoss es ihr auch schon strahlend aus dem Mund und sie zog mich weiter. Ich musste schmunzeln. Die Kleine war einfach Zucker. „Schau amoi da is a Christkindl" Sie deutete auf die Weihnachtskugel am Baum, die Oma mir einmal geschenkt hatte, als ich noch viel kleiner war. So in etwa in dem Alter wie Carmen jetzt. Wir waren beide zusammen auf einem ganz kleinen Christkindlmarkt in Mittenwald gewesen und sie hatte sie dort an einem Stand für mich gekauft, weil ich den Engel darauf so toll fand. So viel ich wusste, war die Kugel eine echte Handarbeit. Ja, was das anging war meine Familie auch ziemlich traditionell. „Menschenskind, mein Flipper ist ja bald ein multilinguales Genie", lachte Andi, der sich zu uns gesellt hatte. „Papa, ick lerne nur verschiedene Sprachen und bin überhaupt nicht multidingsbums" Carmen schüttelte entschieden den Kopf. „Multilingual heißt mehrsprachig, Flipper." Carmen schaute ihren Papa grinsend an „Okay, dann bin ich halt doch multidingsbums. Jetzt muss ich aber schnell zu Opa Chris und zur Oma Valentina noch ein paar Worte lernen." Wie ein kleiner Wirbelsturm sauste sie davon. Ich schaute in die Richtung meiner Oma, die uns beobachtet hatte. Sie lächelte und zwinkerte mir zu. „Es ist echt schön, dass Carmen hier bei euch so aufblüht." Andi verzog sein Gesicht. „Das hätte echt finster ausgehen können und ich habe es nicht einmal bemerkt." Er fuhr sich nachdenklich mit seiner Hand durch die Haare und seine Augen sahen trotz des türkisfarbenen Hemds, das sie sonst immer so strahlen ließ, leicht traurig aus. Ich strich sanft über seinen Arm „Die oide Brunzkachl hat das ja auch echt geschickt gemacht", versuchte ich ihn zu trösten. „Die oide was?" Er schaute mich fragend an. „Die oide Brunzkachl", wiederholte ich also nur ganz leise und hoffte, dass er es dann auch dabei beließ. „Also oide verstehe auch. Das heißt alte. Soweit reicht mein Bayrisch, aber was ist bitte eine Brunzkachl?" Okay meine Hoffnung das nicht erklären zu müssen, schmolz dahin. Übrig blieb nur noch die Frage, wie erklärte ich es am besten? „A Brunzkachl is a nervtötiges Weibaleid", sprang mir meine Oma zur Seite. „Oder auch ein Nachttopf und so einige andere Sanitäreanlagen aus dem Toilettenbereich", lachte meine Mutter, die sich auch zu uns gesellt hatte. Andi fing an zu lachen. „Na das muss ich mir merken. Das ist mehr als treffend", zwinkerte er mir zu. Erleichtert atmete ich auf, dass er nicht sauer war. „Oide Brunzkachl", wiederholte er auf einmal schmunzelnd. „Bringst du mir auch ein bisschen Bayrisch bei? Sonst kann ich nachher meine Tochter gar nicht verstehen." Hatte er mich das wirklich gerade mit diesem unglaublichen Lächeln im Gesicht gefragt? Ich spürte wie mein Puls losraste und auch ein breites Lächeln in mein Gesicht flutschte. „Des mach i gern", rutschte es mir sofort heraus und alle begannen zu lachen.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt