Kapitel 195

428 52 12
                                    


„Menschenskind, wie lange braucht ihr denn noch?" Papa stand neben der Haustür und tippte ungeduldig mit seinem Fuss. „Bestimmt ist Marco schon längst am Strand." Irgendwie erinnerte er gerade an ein quengelndes Kleinkind. Mein Blick fiel zu seiner Badehose, auf der sich lauter kleine Quakfrösche beim Beachvolleyball tummelten. Wo bekam er eigentlich immer diese schrecklichen Teile her? Wahrscheinlich hatte er wieder eine Wette mit seinem Kumpel am Laufen und es auch deshalb so eilig. „Na, wenn Marco schon am Strand ist, dann ist doch alles gut, Krapfen. Dann hält er uns ja schon Plätze frei." Mama kam gechillt anmarschiert und drückte Papa die Strandtasche in die Hand. „Ich gehe aber schnell noch mal für kleine Mädchen." Damit wendete sie sich ab und Papa entfuhr ein Stöhnen. „Manno, du warst doch gerade eben erst." Carmen drängelte sich an mir vorbei und stellte sich neben meinen Papa. Sie musterte seine Badehose und fing an zu kichern. „Was?" Er schaute sie irritiert an. „Deine Badehose sieht voll lustig aus." Sie deutete mit ihrem Finger auf einen der Frösche. „Na wenigstens hat hier eine Geschmack." Papa strubbelte Carmen zufrieden über den Kopf. Okay, von uns hatte er nur immer blöde Kommentare dazu geerntet. Besonders von Luca, der diese Badehosen peinlich fand. Irgendwie fehlte der alte Erbsenzähler echt. „So, wir können." Mama war wieder aufgetaucht und wir setzten uns alle in Bewegung. Andi hatte seinen Arm um meine Schulter gelegt als wir den kurzen Weg zum Strand liefen. Ja, davon hatte ich schon die letzten zwei Sommer geträumt und jetzt wurde mein Traum endlich Wirklichkeit. Wir liefen den schmalen Holzbohlenweg entlang, ehe vor uns der Strand und das Meer auftauchten. Wow, das war...... das war unglaublich. Dieser Anblick. Noch nie hatte das Meer so türkis in der Sonne geglitzert. Und war der Strand schon immer so weiß? „Da seid ihr ja endlich", riss mich Marcos Stimme aus meinem ganz persönlichen Paradies. Ja, alles sah irgendwie noch viel schöner aus, seit Andi an meiner Seite war. Das würde ein ganz besonderer Urlaub werden. Da war ich mir sicher. Und nicht nur weil mein Monatshoroskop mir vorausgesagt hatte, dass all meine Wünsche in Erfüllung gingen. Nein, ich spürte einfach, dass dieser Urlaub ganz besonders wurde. „Können wir jetzt endlich Beachvolleyball spielen?" Marco stand Papa im Quengeln in nichts nach. Und in den hässlichen Badehosen auch nicht, denn auf seiner tummelten sich lauter Oktopusse, die ein Eis hielten. Natürlich mit jedem ihrer Arme. Wow, wer ließ sich so etwas Bescheuertes immer einfallen? „Leo kommst du!", forderte Marco auch schon seinen Schwiegersohn auf. „Du auch, Andi!" Papa wollte wohl auch da Marco in nichts nachstehen. Mein Freund schaute mich fragend an. Scheinbar hatte er wohl einen anderen Pan gehabt und ich vermutete mal, dass dieser mich beinhaltete. „Na los, geh schon. So lange halten die alten Männer ja nicht durch", ermunterte ich ihn. Wir hatten nachher auch noch genug Zeit, die wir gemeinsam am Strand verbringen konnten. Genau genommen hatten wir noch drei Wochen Zeit. Andi drückte mir einen Kuss auf die Lippen und folgte mit Leo zusammen den beiden Badehosenfreaks. Ich starrte ihm hinterher. Manno, ich beobachtete Andis Muskelspiel während er lief. So in seiner Badehose sah Andi echt zum Anbeißen aus. Mir kamen ein paar ziemlich heiße Gedanken in den Kopf. „Hör auf zu sabbern", gackerte Tessa und wackelte mit ihren Augenbrauen. Meine Freundin stellte sich neben mich. „Aber unsere beiden Kerle sind schon echte Sahneschnitten." Sie drehte sich schnell wieder um und ließ sich neben ihren beiden Töchtern nieder, die im Sand saßen und vor sich hinglucksten. „Kann ich mit Stella und Luna ins Wasser?" Carmen strampelte sich eiligst aus ihren Shorts und ihrem T-Shirt. „Ja, klar", erlaubte ich ihr sofort. Glücklicherweise war sie ja schon eine sichere Schwimmerin und man musste sie nicht die ganze Zeit beaufsichtigen. Scheinbar war das ihr Startsignal, denn der Sand wirbelte nur noch auf und schon war sie verschwunden. Ich griff mir ihre Klamotten und legte sie ordentlich unter den Liegestuhl neben mir. „Bah nein, nicht Allie! Der Sand ist nicht zum Essen." Tessa wischte der Kleinen den Mund und die Hände mit einem Tuch ab. Sie schüttelte ihren Kopf und beobachtete ihre Töchter. „Wir hätten doch jedem einen Vogel gezeigt, der uns vor zwei Jahren gesagt hätte, dass wir heute hier zwei verantwortungsvolle Mütter sind", platzte es aus Tessa heraus. Ich musste grinsen. Ja, da hatte sie recht. Vor zwei Jahren war da noch überhaupt nicht dran zu denken. „Und bereust du es?" Ich jedenfalls nicht. Mir gefiel es genau so, wie es gerade war. „Auf keinen Fall", kam es wie aus der Pistole geschossen. Ja, das sah man auch an dem liebevollen Blick, mit dem sie ihre Töchter beobachtete. Ich schlüpfte aus meinem Strandkleid und zuppelte meinen Bikini zurecht. Tessa pfiff durch ihre Zähne. „Ja holla, die Waldfee. Du willst wohl jemand zum Schwitzen bringen." Ich musste grinsen.  „Vielleicht", zwinkerte ich ihr zu. „Obwohl genaugenommen habe ich das heute früh schon." Ja, es war in dem Fall nicht von Nachteil, dass Luca nicht mit hier war und Carmen dadurch ein eigenes Zimmer hatte. „Keine Details." Sie stopfte sich ihre Zeigefinger in die Ohren und verzog das Gesicht, ehe sie zu lachen begann. Ich setzte mich zu ihr in den Sand und begann mit der Schaufel ein paar Förmchen zu befüllen. Chrissi und Alli beobachteten mich genau. „Hast du schon was von Genia gehört?" Ich nickte. „Ja, sie hatte mir gestern ein neues Ultraschallbild geschickt. Mit dem Baby war alles bestens." „Das ist gut." Tessa schien erleichtert. Klar, so wie Genia gelebt hatte, wären Komplikationen alles andere als verwunderlich.  „Mädels, wollt ihr den Männern nicht mal was zu trinken bringen?" Mama drückte uns vier Flaschen Wasser in die Hand. „Ja, macht das mal, bevor die noch kollabieren. Wir passen auf meine Enkeltöchter auf." Franzi schien sich auch mal einen kurzen Zeitslot mit den beiden zu erhoffen. Wie in einem Déjà-vu lief ich mit den zwei Flaschen in der Hand zu dem Voleyballplataz. Ja, letztes Jahr hatte ich in genau diesem Bikini ihnen auch Getränke gebracht. Andi hatte mich aber überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Das war dieses Jahr garantiert nicht der Fall. „Wuhu eine Erfrischung", jubelte Papa als ich ihm die Flasche reichte. „Eher ein ziemlich heißer Anblick", flüsterte Andi mir ins Ohr und drückte mir einen Kuss genau darunter.  Ja, das war die Reaktion, die ich mir erhofft hatte. Die ich mir eigentlich schon letztes Jahr erhofft hatte. Aber ich wollte ja nicht undankbar sein. Wichtig war nur das Endergebnis und nicht der Zeitraum. Er schraubte die Flasche auf und setzte sie an die Lippen. Verflucht, versuchte ich meine Gedanken zu verdrängen. Das sah so....so erotisch aus, wie er die Flasche in einem Zug leerte. „Danke." Andi zog mich in seine Arme und küsste mich. Ja, das war schon einmal ein Anfang. „Diesen Bikini fand ich schon letztes Jahr verboten heiß an dir", zwinkerte er mir zu. Wie? Er hatte ihn echt wahrgenommen? „Und eigentlich wäre gerade eine Abkühlung im Meer nicht schlecht." Ja, da hätte ich auch nichts gegen einzuwenden. So im Wasser konnte man doch gar nicht sehen, was unter der Oberfläche passierte. Wieder fühlte ich Andis Lippen auf meinen. „Können wir dann endlich weiterspielen?" Nein könnt ihr nicht, hätte ich Papa am liebsten angeblubbert. „Ja, Knutschen könnt ihr auch noch später", pflaumte auch Marco los. „Nur kein Neid", bekam er gleich eine Breitseite von seiner Tochter, die sich noch einmal provozierend langsam auf Zehenspitzen stellte und ihren Mann küsste. Ich folgte schnell ihrem Beispiel. Boah, was war denn das? Kalte Wassertropfen trafen mich und ließen Andi und mich auseinander fahren. „Papa, mir ist was eingefallen." Carmen schüttelte sich schon wieder wie ein Hund vor uns und die Wassertropfen flogen nur so. Sie lief zu ihrem Vater und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Hatten die beide schon wieder Geheimnisse vor mir? Scheinbar ja. „Komm, jetzt nutzen wir die Zeit und gehen auch ins Wasser." Tessa hakte sich bei mir unter und zog mich Richtung Meer. „Willst du mitkommen, Carmen? Wir gehen ins Wasser." Die Kleine war doch einer kleinen Wasserschlacht nie abgeneigt. „Nein, Papa, Leon und ich müssen was besprechen." Was sollte das sein? So langsam wurde ich aber echt neugierig. Vielleicht etwas zu meinem Geburtstag? Nee, der war ja noch gut ein Vierteljahr hin. Mmm. „Was grübelst du denn schon wieder?" Tessa stupste mich mit dem Ellenbogen in die Seite. „Ich frage mich, was sie drei zu besprechen haben." Sie fing an zu lachen. „Bestimmt will sie auch so eine hübsche Badehose für ihren Papa und versucht die Bezugsquelle aus deinem rauszuquetschen." Das war gar nicht mal so unwahrscheinlich. Ja, das musste es sein. Beruhigt lief ich weiter zum Meer.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt