Kapitel 72

387 55 16
                                    


„Die Großen alle nach hinten und die Kleinen nach vorne", dirigierte Mama uns. Ja, heute war mein zweites Training bei der Frauenmannschaft des VfL Bochum. Und Papa als unser Trainer hatte mit Mama ein Shooting organisiert, bei dem Mannschaftsfotos entstehen sollten. Wir stellten uns alle beziehungsweise setzten uns wie angeordnet hin. „Hömma, dat is mein Plätzken". grinste unsere erste Torfrau und schob die zweite etwas beiseite. „Weggegangen, Platz vergangen. Kennste, ne?", lachte die nur und schob sich wieder auf ihrem Hintern ein Stück zurück. Ja, hier war eine viel lockerere Stimmung als in meiner alten Mannschaft. Ein paar von den Mädels waren ja mit gewechselt und dank Mundpropaganda hatten wir sogar noch ein paar Neuzugänge mobilisiert, so dass wir jetzt eine ziemlich schlagkräftige Truppe waren und es mit der Konkurrenz der Regionalliga aufnehmen konnten, in der wir spielten. Chantal und ihr Fussvolk würde garantiert blass gegen uns aussehen. „So sieht das schon prima aus." Mama  nickte zufrieden und verschwand wieder hinter der Kamera „Und jetzt alle mal lächeln und Cheesecake sagen", forderte sie uns auf. „Scheiße 04", brüllten wir alle lachend los. „Oder so", grinste Mama „Und noch mal" Wieder brüllten wir los. Das hatte man wahrscheinlich bis Gelsenkirchen gehört. „Dann habe ich alles im Kasten. Ihr seid entlassen." Wir sprangen auf und liefen Richtung Kabine. Lili hatte mich untergehakt. „Kommst du heute noch mit auf Trallafitti? Ein paar von uns wollen noch ins Bermuda Dreieck?" Also heute war ja Freitag und morgen war schulfrei. Da sprach eigentlich nichts dagegen noch irgendwo hinzugehen. Da gab es nur ein Problem.....Erwin stand zu Hause, weil ich zusammen mit Papa und Mama hierhergefahren war. Mist verfluchter. „Ich bin aber ohne Auto da", entschuldigte ich mich. „Is doch null Problemo. Kommste halt später nach. Du hast ja meine Nummer. Ich sach dich denn wo wir sind." Ich nickte begeistert. Ja, das war bestimmt lustig. Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg unter die Dusche. Im Geiste ging ich schon einmal die Klamotten durch, die mir zur Verfügung standen. Mist, all zu viele waren es nicht. Ich hatte gestern Abend ganz vergessen alles was in meinem Zimmer herumlag zusammenzuraffen und im Wäschekorb zu versenken. Andererseits waren bestimmt noch ein paar Teile dabei, die die Schnupperprobe überstanden. Wenn ich mir jetzt gleich noch die  nassen Haare flocht, dann sparte ich dafür damit nachher Zeit und musste sie nur aufschütteln. Das war doch perfekt. Beschwingt schlüpfte ich in meine Klamotten und ramschte mein Trainingszeug in die Sporttasche. „Bis später dann", rief mir Lili noch hinterher als ich aus der Umkleide stürmte. „Jo, bis später." Die Tür fiel hinter mir ins Schloss. Dann würde ich jetzt mal Papa und Mama Dampf machen, damit wir flott nach Hause kamen.....
„Mensch Mika. Was machst du denn hier?" Das war eine gute Frage, die Papa da stellte, als wir zu unserer Haustür kamen und der Kerl auf den Stufen davor saß. Ich begann schnell zu grübeln. Nee, ich hatte definitiv keine Verabredung verschwitzt, denn ich hatte Mika gestern noch erklärt, dass ich zum Training musste. Was also machte er hier? „Luca  ist nicht da, der übernachtet heute bei Maja." Papa klopfte ihm zur Begrüßung auf die Schulter und steckte den Schlüssel ins Schloss. Wie war Mika überhaupt hier hergekommen? Ich hatte sein Auto gar nicht auf unserer Einfahrt gesehen. „Ähm.....also", begann er zu stottern. „Ach komm doch erst einmal mit rein." Meine Mama schob ihn einfach vor sich durch die Tür. „Setz dich doch schon einmal auf die Terrasse. Wir kommen gleich und dann klären wir das." Papa schob Mika weiter Richtung Terrassentür, während der mich verzweifelt anschaute. Ich rannte schnell hoch in mein Zimmer und schmiss meine Trainingstasche in die Ecke. Verflucht, ich stolperte über den blöden Klamottenstapel, der sich auf dem Boden ergoss. Ich schnappte mir mein Lieblingsshirt und schnuffelte daran. Mit etwas Parfum wäre es durchaus noch tragbar. Blödsinn.....Wenn Mika hier war, dann wurde das nichts mehr mit dem Bermuda Dreieck. Ich konnte ihn ja hier schlecht sitzen lassen und abhauen. Nee, das ging nicht. Ich ließ das Shirt einfach wieder auf den Boden fallen und tippte schnell eine Nachricht an Lili, damit sie nicht auf mich warteten. „Deine Eltern wollen mit uns grillen." Wo kam denn auf einmal Mika her? Er schaute sich in meinem Zimmer um und ich spürte wie mir das Blut in den Kopf schoss. Man, hier sah es wie bei Hempels unter'm Sofa aus.  Jedenfalls behauptete Papa das immer. Ich kannte diese Hempels ja nicht. „Uih, hatte dein Kleiderschrank einen Niesanfall?" Mika deutete grinsend auf die ganzen auf dem Boden verstreuten Klamotten. Boah, war das peinlich. Obwohl.....er grinste. Das hieß dann doch, dass er das gar nicht so schlimm fand. Mein Bruder, der Erbsenzähler würde garantiert nicht grinsen, wenn es in Majas Zimmer so aussehen würde. Der regte sich ja schon auf, wenn man ein Körnchen Sand an den Schuhen in sein Zimmer trug. „Ja, mein Kleiderschrank hat eine ganz heimtückische Allergie", grinste ich also frech zurück. „Ah, die kenne ich von Ella. Ihr Schrank hat auch diese Allergie gegen Ordnung. Na dann lass uns mal lieber schnell zu deinen Eltern auf die Terrasse flüchten, bevor er noch einmal niest." Ich lief zu ihm und boxte ihn lachend gegen die Schulter als mir ein leckerer Duft in die Nase kroch. Das bedeutete Papa hatte schon den Grill gestartet. „Los komm, Futter ruft." Ich zog Mika mit mir die Treppe hinunter. „Stop" Im Wohnzimmer blieb er auf einmal stehen. „Wir haben uns noch gar nicht richtig begrüßt. Ehe ich mich versah, legte er eine Hand an meine Taille und zog mich zu sich. Seit wann begrüßten wir uns mit einem Kuss??? Seit ich die Dirndlschleife rechts trug. Verflucht. Wie brachte ich Papa und Mama bei, dass ich jetzt mit Mika zusammen war? Das hatte ich doch in den letzten Tagen noch niemandem erzählt. Mist, Mist, Mist. Ich brauchte ganz dringend eine Idee. „Na so wie ich das sehe, wolltest du gar nicht zu Luca." Mama stand mit einer Schüssel Kartoffelsalat in der Hand grinsend im Türrahmen. „Was hast du gesagt, Schnuggerl?" Auch Papa tauchte neben ihr auf und machte ziemlich große Augen. „Der wollte ja gar nicht zu Luca", stammelte er fassungslos und ließ uns überhaupt nicht aus den Augen. Boah, war das peinlich......aber scheinbar selbsterklärend. Dann brauchte ich ja nicht mehr weiter grübeln.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt