Kapitel 18

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„Maja, hast du einen Moment Zeit für mich?" Ich rief meine Freundin, die auf einer Liege am Pool lag und die Wasserfläche beobachtete, als wäre es ein spannender Krimi. Mein Bruder lag auf der Liege daneben und war in seinem Buch abgetaucht. Maja war heute schon den ganzen Tag so abwesend. Als wir mit Papa und Mama in Eivissa shoppen waren, lief sie die ganze Zeit nur wie ein Puppe auf Fernbedienung durch die Gegend und selbst im Restaurant hat sie die Kerzenflamme hypnotisiert. Hoffentlich machte ihr nicht das gleiche Problem zu schaffen wie Tessa. Bei dem Gedanken, dass mein Bruder Vater wurde, kam mir ja fast mein Abendessen hoch. Also nicht, dass ich Nichten oder Neffen nicht toll finden würde, aber Luca war dafür momentan noch völlig ungeeignet. Jetzt wollte ich endlich wissen, was mit ihr los war. „Klar, was ist denn? Wo kann ich dir helfen?" Maja sprang aus dem Liegestuhl auf und kam zu mir. „Ich bin gleich noch mit Mika verabredet und ich dachte, du gibst mir einen Tipp, was ich anziehen soll." Ja, ich hatte alles richtig gemacht und die Eintrittskarte in die Finca Plattenhardt erhalten. Mika hatte mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte heute Abend vorbeizukommen. Und ob ich die hatte. Was gab es tolleres als dort auf der Terrasse zu sitzen und mit Andi zu beobachten, wie die Sonne im Pool unterging. Ich würde schon dafür sorgen, dass das funktionierte. Trotzdem kam ich mir dabei echt unfair vor. Mika war ja irgendwie schon ganz nett und bemühte sich. Eigentlich war das auch überhaupt nicht meine Art jemand auszunutzen. Aber was sagte Oma immer? Im Krieg und in der Liebe waren alle Waffen erlaubt. Trotzdem fühlte ich mich mit der Rechtfertigung nicht ganz wohl. Vielleicht sollte ich mir Mika einfach ehrlich sein? Nee, auf keinen Fall. Nachher war meine Eintrittskarte futsch. Und das war der beste Fall. Im blödesten erzählte er auch noch Andi davon und dann war die Kirsche gelutscht. Ich würde mich doch nie wieder trauen ihm gegenüber zu treten. „Am besten ziehst du eine Papiertüte über den Kopf", grunzte mein lieber Bruder hinter seinem Buch hervor, der wohl unsere Unterhaltung mitbekommen hatte. „Und das, obwohl ich dir vorhin so eine tolle Badehose gekauft habe", empörte ich mich und musste mir dabei ein Grinsen verkneifen. „Sorry", lenkte er ein. „Die ist echt cool. Ich werde sie morgen gleich anziehen." Und wie cool die war, würde er morgen dann auch feststellen. Ich hatte sie nämlich in einem Laden, in dem es auch Partybedarf gab, entdeckt. Angeblich sollte sie sich nach drei Minuten Wasserkontakt ihre Nähte auflösen. Ich war ja mal gespannt, ob der Hersteller hielt, was er versprach. Ich hatte ja schließlich Rache für meinen offenen Bikini geschworen. „Komm lasse uns lieber in mein Zimmer gehen." Ich zog Maja mit mir mit. „Du und Mika also", grinste sie mich an, als wir in meinem Zimmer waren. „Das ist dann ja wieder eine L und M Verbindung." Ich schüttelte grinsend den Kopf. Diesen Blödsinn hatte Tessa mit ihrem komischen Fußballeraberglauben in die Welt gesetzt. Sie war der Meinung, dass nur alle Paare mit L und M als Anfangsbuchstaben aus unserer Clique glücklich werden konnten. So ein Blödsinn. Wer war schon so verbohrt und glaubte an so einen Mist? Ich jedenfalls nicht. L und A war mindestens genauso gut, wenn nicht sogar noch besser. Maja lief zu meinem Koffer, der offen auf dem Boden meines Zimmers lag, und fing an zu wühlen. Sie zog mein neues Kleid heraus. „Das ist ja der Hammer." Begeistert hielt sie es in die Luft. „Aber nicht für heute. Das wollte ich mir für die Strandparty aufheben." Ich schnappte es ihr aus der Hand und stopfte es wieder nach ganz unten in den Koffer. „Das kannst du da doch nicht so unterwühlen. Das muss in den Schrank, sonst zerknittert das doch total oder willst du, dass alle sagen, die sieht ja aus wie gerade aus dem Bett aufgestanden?" Nee, da hatte sie recht. Und der Spruch kam garantiert von Luca. Maja streifte das Kleid über einen Bügel und ich schnappte mir meine neuen Hotpants und ein Top und schlüpfte hinein. Es war manchmal gar nicht so schlecht, wenn man etwas Zuhause vergaß, denn es waren noch so einige Klamotten neben der nötigen Unterwäsche beim Shoppen für mich abgefallen. „Und ist das okay?" Ich schaute zu Maja, die sich auf mein Bett hatte plumpsen lassen und mich beobachtete. „Perfekt. Mika werden die Augen herausfallen." Na, ich hoffte da eigentlich mehr auf jemand anderes. Aber das konnte und sollte sie ja nicht wissen. „Willst du dich auch schminken?" Ich klopfte mir ans Kinn. „Lipgloss und Mascara?" Maja nickte zustimmend „Mika ist glaube ich nicht so versessen auf einen Schminktopf neben sich. Er ist ja so eher der ruhige Typ. Also wir haben ja beide zusammen für den Matheleistungskurs gelernt. Man kann echt trotzdem Spaß mit ihm haben. Manchmal ist er total lustig, aber immer voll hilfsbereit." Wollte sie ihn mir schmackhaft machen? Egal. Mich würde sowieso nichts von Andi abbringen. Da bestand überhaupt keine Gefahr. Jetzt wurde es aber mal Zeit, dass ich dem eigentlichen Grund, warum sie hier auf meinem Zimmer war, anging. Ich setzte mich neben sie auf mein Bett. „Warum bist du heute eigentlich die ganze Zeit so abwesend?" Okay, die Frage hätte ich vielleicht geschickter stellen können. „Bin ich doch gar nicht", stritt sie mit sehr gesunder Gesichtsfarbe ab. „Bist du wohl. Du hast heute sogar beim Essen die Kerzenflamme solange angestarrt, bis sie vor Angst ausgegangen ist. Also, was ist los." Maja schaute mich unsicher an „War das wirklich so auffällig?" Ich nickte und war auf das Schlimmste gefasst. „Ich habe heute die Zusage von der FU Berlin bekommen. Sie hätten mich wirklich angenommen." In ihrer Stimme schwang eine ziemliche Wehmut mit. „Menschenskind, warum gehst du denn nicht nach Berlin?" Das war doch bescheuert darauf zu verzichten, wenn ihr daran so viel lag. „Weil Luca auch darauf verzichtet hat sich in München überhaupt zu bewerben." Das war doch kein Argument. „Das ist doch egal. Du willst gerne nach Berlin, dann kannst du doch trotzdem da studieren." Maja presste ihre Lippen fest aufeinander und schüttelte den Kopf. „Wir haben doch abgemacht, dass wir in Dortmund bleiben. Da kann ich jetzt nicht einfach einen Rückzieher machen." Ihre Augen schimmerten verdächtig. „Das ist ja wohl nicht dein Ernst, dass du dich da trotzdem beworben hast." Wo kam denn auf einmal Luca her? Und warum stand er wie ein Racheengel in meinem Zimmer? „Schön, dass ich das jetzt auch schon erfahre." Manno, war der sauer. „Die Bewerbung habe ich doch schon vor unserem Kompromiss abgeschickt", verteidigte sich Maja und ihr rollten zwei Tränen über die Wangen. „Außerdem habe ich sofort abgesagt." Mein Bruder schnaufte durch die Nase. „Besser ist es. Das würde ich dir nie verzeihen, wenn du mich in Dortmund sitzen lassen würdest und ich wegen dir auf München verzichtet hätte." Boah, was war das für ein Idiot? Dachte er eigentlich, die ganze Welt drehte sich nur um ihn? Maja verzichtete auch auf ihren ganz großen Traum. „Du bist echt..." Dem würde ich mal richtig die Meinung geigen. „Schon gut", unterbrach mich meine Freundin. Okay, scheinbar wollte sie nicht, das ich mich da einmischte. „Wolltest du nicht gerade los zu Mika? Nicht, dass du ihn warten lässt." Den Wink mit dem Zaunpfahl verstand sogar ich. Ich schnappte mir also mein Handy und die Hausschlüssel und machte mich auf den Weg. Als unsere Haustür hinter mir zufiel, fing mein Herz an zu rasen. Keine fünf Minuten mehr und ich würde Andi sehen.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt