Earline Lancaster
Ich starrte an die Decke und fragte mich, ob sich deren Struktur auch nur ein kleines bisschen verändern würde, wenn ich intensiv genug starrte.
Bisher hatte ich noch jedes Blickduell gewonnen. Ich hatte sogar auf dem ersten Treppchen gestanden, als meine Freundinnen und ich mehn Jahren einen Wettbewerb des Starrens veranstaltet hatten. Alle unsere Familienmitglieder hatte ich niedergestarrt und schließlich gegen meinen Endgegner, den weißen Pudelmischling meiner Freundin, innerhalb weniger Sekunden besiegt. Die Decke erinnerte mich in ihrer Struktur an das Fell des Hundes, doch unglücklicherweise war sie ein weitaus stärkerer Gegner.
Ein Klopfen von meiner Zimmertür ließ mich aus meinen Gedanken hochschrecken. Missmutig wandte ich mich ab und beschloss, dass ich dieses Duell noch nicht für entschieden erklären würde.
Die Tür öffnete sich schließlich, nachdem ich hereingebeten hatte, und offenbarte einen seltsamen Anblick. Ich lag noch immer in Rückenlage auf meinem Bett und hatte lediglich meinen Kopf zu der Tür gedreht, sodass ich die Person im Türrahmen um neunzig Grad verdreht sah. Also setzte ich mich auf und schüttelte den Kopf.
„Ist alles in Ordnung bei dir?", fragte Lyndon skeptisch, der seine Augenbrauen zusammengezogen hatte.
Ich musterte ihn von unten bis oben und schüttelte erneut den Kopf. „Ich dachte, ich hätte mich getäuscht", murmelte ich, doch die Perspektive hatte nicht meine Wahrnehmung getrübt. Langsam aber sicher bildete sich ein breites Grinsen auf meinem Gesicht und wandelte sich in ein lautes Lachen um. „Wie siehst du denn aus?", fragte ich in lautem Gelächter.
Lyndon sah an sich herab und verschränkte die Arme. „Nun werd mal nicht frech, junge Dame. Das ist die traditionelle Kleidung der Königsfamilie von Iléa seit der Gründungsjahre. Dena hat uns gezwungen, sie für den Ball heute Abend anzuprobieren."
Ich prustete erneut los. „Nach Gründungsjahren sieht sie auch aus", japste ich zwischen einigen Lachern.
Lyndon trug kanariengelbe Strümpfe, eine ballonartige, blaue Samthose und ein seltsames Oberteil, welches an seiner schmalen Gestalt klobig und unförmig aussah. Am meisten trug allerdings seine Kopfbedeckung zu meiner Erheiterung bei: Eine übergroße Feder ragte aus seinem Hut heraus, die jeden stolzen Adler in den Schatten gestellt hätte.
„So eine Reaktion habe ich schon erwartet, deswegen bin ich lieber jetzt zu dir gekommen, bevor du mich heute Abend noch auf der Tanzfläche auslachst", Lyndon sah tatsächlich ein wenig verlegen aus und hatte noch immer seine Arme verschränkt, „Außerdem wollte ich dir Bescheid geben, dass du ebenfalls zu der Schneiderin gehen sollst. Sie erwartet dich in einer halben Stunde."
Ich stöhnte. „Du glaubst aber nicht, dass ich auch wie ein Clown verkleidet werde oder?"
Er grinste. „Die Gefahr bestünde natürlich, aber dafür müssten wir erst einmal heiraten."
Ich erstarrte.
Lyndons Grinsen wurde noch breiter. Er schien meine Verlegenheit zu genießen. „Weil du keine Adelige bist", half er mir schließlich auf die Sprünge.
Ich seufzte aus und warf mein Kissen nach ihm, verfehlte aber, da er leichtfüßig auswich. „Du bist manchmal wirklich unverschämt."
Er lächelte. „Leider kannst du meine Unverschämtheit nicht länger genießen, ich habe nämlich noch ein Date. Wir sehen uns aber spätestens heute Abend auf der Tanzfläche", meinte er.
Ich öffnete den Mund, um zu fragen, was er nun vorhatte, als mir einfiel, dass er tatsächlich ein Date hatte und den Begriff nicht nur als Floskel benutzte. Also sagte ich nichts und nickte nur. „Ich schätze, das tun wir."
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Blind Selection - never give up 3
FanfictionKaden. Joas. Lyndon. Decan. Einer von ihnen ist der Kronprinz von Ilea. 35 Mädchen kommen ins Schloss, um genau das herauszufinden. Doch zwischen Verrat, Druck, Schmerz und einer endlosen Suche ist es schwer sich auf das Wesentliche zu konzentrieren...