prologue

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,,Was meinst du, warum dieser Prinz sich nicht normal eine zum heiraten sucht?", fragte mein kleiner Bruder Eyal und legte den Kopf schief, ,,Will ihn niemand?"

Der Gedanken, dass der Prinz verzweifelt nach einer Frau suchte, weil niemand ihn wollte, brachte mich zum lachen. ,,Nein, Kleiner, ich denke es ist eher das Gegenteil."

,,Und warum macht er dann ein Casting? Vielleicht macht die perfekte Traumfrau ja gar nicht mit!"

,,Natürlich ist die perfekte Frau dabei!", erwiderte Sanna, unsere Nachbarstochter, die gut mit Eyal befreundet war, ,,Die nehmen doch nur die Besten und da muss sich der Prinz nur eine aussuchen."

Die beiden diskutierten noch ein bischen über das Casting und woran man die perfekte Frau denn erkenne, was mich schmunzeln ließ. Sie kannten sich schon seit dem Kindergarten und waren unzertrennlich und unglaublich süß zusammen. Mein Dad und ich planten insgeheim schon ihre Hochzeit in ungefähr 20 Jahren.

Besagter betrat gerade das Wohnzimmer und lächelte mich über die Köpfe der beiden hinweg an. Ich stand auf und setzte mich zu ihm in die Küche. Er sah müde aus - kleine Fältchen zierten sein Gesicht, sein Lächeln wirkte träge und seine Haare schienen fahl zu sein.

,,Hey mein Schatz, was machen die beiden Turteltauben?"

Ich lächelte schief. ,,Es sieht so aus, als stünde die erste Ehekrise bevor."

,,Wenn sie nicht wissen, dass sie bereits verheiratet sind, zählt das nicht oder?", erwiderte mein Dad und strich mir eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr und betrachtete mich dann nachdenklich.

Ich sah zu Boden, weil es mir unangenehm war. Der Grund, warum er mich so wehmütig ansah, war mir nämlich mehr als bekannt. Ich erinnerte ihn zu sehr an meine ältere Schwester Elea, die uns vor ein paar Monaten Hals über Kopf verlassen hatte. Hier im Dorf galt es als große Schande, wenn ein Kind die Familie im Stich lässt und ich war vor allem sauer auf Elea, weil sie Mom und Dad als schlechte Eltern dastehen ließ.

,,Nein, wahrscheinlich nicht", beantwortete er sich selbst die Frage und nahm die Hand von meiner Wange. Die entspannte Stimmung zwischen uns war wie weggeblasen und trotzdem tat mein dad so, als wäre alles in Ordnung. ,,Um zukünftigen Problemen vorzubeugen: Worüber handelt ihre Ehekrise?"

,,Den Prinzen und seine perfekte Ehefrau", erwiderte ich.

Er verdrehte die Augen. ,,Ich halte ja nichts von diesem ganzen Casting. Du kannst wirklich froh sein, dass es uns gut geht und wir nicht auf den Erlös der Selection angewiesen sind, wie viele andere Familien. Wusstest du, dass man sogar für die Bewerbung Geld ausgezahlt bekommt?"

,,Deswegen machen da immer so viele mit! Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, warum man da tatsächlich freiwillig teilnehmen sollte..", murmelte ich, obwohl es ein wenig gelogen war. Ich verstand die Vorstellung einer idealen Liebesgeschichte und hatte auch schon häufiger mit dem Gedanken gespielt, wie es wohl wäre, wenn ich den Prinzen heiraten würde. Aber letzenendlich wusste ich, dass nichts dieser Fantasien je der Wahrheit entsprechen würde.

Mein Dad lächelte mich zufrieden - ja fast stolz - an. ,,Das ist auch gut so. Ich bin froh, dass ich eine so vernünftige Tochter habe."

Ich zuckte zusammen. Er sprach in der Einzahl, als würde Elea gar nicht mehr existieren. Mit einem Klos im Hals stimmte ich ihm zu und murmelte dann, dass ich auf mein Zimmer gehen würde. Ich ertrug den Gedanken, dass Elea für meinen Dad gestorben war, nicht. Schließlich konnte ich sie auch irgendwie verstehen.

Heutzutage war der Familienzusammenhalt wichtiger, als alles andere auf der Welt. Die Kinder blieben meist im Elternhaus oder wenigstens im Dorf und heirateten unter Freunden oder Nachbarn. Es spielte keine Rolle, welcher Kaste man angehörte, hauptsache, man war bei seinen Freunden und Verwandten. Wer sich als Frau selbstständig machen wollte oder die Familie verließ, galt als Schande.

Und trotzdem war Elea von zuhause verschwunden und versuchte nun als Zofe im königlichen Palast sich ihr eigenes Geld zu verdienen. Ich tat immer so, als würde ich sie egoistisch finden, aber tief im Inneren hatte ich die gleichen Sehnsüchte. Endlich weg aus diesem Kaff, frei und selbstständig sein.

In dieser Nacht schlief ich nicht gut. Denn in dieser Nacht beschloss ich Elea zurück zu holen - koste es, was es wolle.

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt