3 | in ewiger Liebe

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Earline

,,Und deswegen sind besonders stolz auf unsere Earline, dass sie eine der 35 Erwählten ist und nun um das Herz des Prinzen kämpfen wird!", der Bürgermeister unseres Dorfes Everfalls applaudierte und die jubelnde Menge vor ihm stieg mit ein.

Das war mein Stichwort. Er winkte mich auf das kleine Podium und nickte mir ermunternd zu. Ich holte einmal tief Luft und tat ein paar Schritte auf die Bühne. Als die Leute mich sahen, jubelten sie noch mehr. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Nervös trat ich von einem auf den anderen Fuß vor dem Rednerpult, während ich wartete, dass die Menge endlich ruhig wurde.

,,Hi", sagte ich. Meine Stimme zitterte ein wenig. Ich räusperte mich. ,,Ich bin Earline und ich- Naja, ich denke mal, ich nehme an der Selection teil."

Ein paar Leute lachten. Ich lächelte leicht.

,,Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich sagen soll. Jedenfalls habe ich mich nicht darauf vorbereitet", gab ich zu, ,,Aber ich habe das Gefühl, dass ich ein paar Leuten eine Erklärung schuldig bin."

Ich konnte meine Familie nicht in der Menschenmasse erkennen. ,,Viele von euch wissen wahrscheinlich, dass meine Schwester Elea unsere Familie verlassen hat und nun als Zofe im Palast arbeitet. Ich weiß, dass das allgemein verschmäht wird, aber ich bitte euch einmal nachzudenken. Habt ihr nicht manchmal das Gefühl eingesperrt zu sein? Eingesperrt im Kastensystem, eingesperrt in den ungeschriebenen Gesetzten und den Normen unserer Gesellschaft? Ich kann es nachvollziehen, dass man hier rausmöchte. Und das hat kein bischen etwas mit meiner Familie zu tun - ich liebe sie und ich bin ihr dankbar für alles und ich bin mir sicher, dass Elea das auch getan hat. Aber bitte denkt man einen Schritt weiter und verurteilt niemanden, nur weil er nicht die gleichen Ansichten wie ihr hat. Und behandelt andere so, wie ihr selbst behandelt werden möchtet."

Man kann nicht sagen, dass ich Angst vor der Reaktion hatte, denn ich meinte jedes einzelne Wort so, wie ich es gesagt hatte. Aber die kurzen Momente, in denen alles still war und niemand in irgendeiner Weise reagierte, waren schon ein wenig unheimlich. Sich so gegen das System auszusprechen war mehr als nur gewagt.

Ein junges Mädchen in der zweiten Reihe stand auf und fing an zu klatschen. Ihrem Beispiel folgten einige andere, bis ungefähr die Hälfte mir zujubelte. Doch genauso buhten mich auch viele aus, riefen Beleidigungen und waren aufgesprungen. Dieses Bild einer völlig außer Kontrolle geratenen Masse war schon etwas angsteinflößend.

Ich wurde am Arm gepackt und von der Bühne gezerrt. Meine Sachen waren bereits in einem Wagen verstaut, an dem meine Familie mich erwartete. Im Hinterkopf hörte ich immer noch die Schreie und Rufe der aufgehetzten Menschenmasse.

,,Earline!", Eyal kam auf mich zugelaufen und umarmte mich fest.

,,Hey kleiner Mann", sagte ich liebevoll und drückte ihn.

,,Wir müssen los, Miss", sagte der Mann, der mich von der Bühne geholt hatte, ruhig, aber bestimmt.

Eilig umarmte ich auch meine Mutter und trat dann meinem Vater gegenüber. Sein Gesicht zeigte keine Regung, aber ich wusste, was sich in seinem Inneren anspielte. Seine beiden Töchter hatten ihn für ein Leben am Palast verlassen. Das brach ihm das Herz.

Als ich ihn fest an mich drückte, flüsterte er mir ins Ohr: ,,Glaub nicht alles, was man dir so erzählt, Earline. Du bist einzigartig, vergiss das nie."

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt