Elea
Es war ein seltsames Gefühl gewesen, das Kaminzimmer zu betreten. Sechs Augenpaare hatten auf uns gelegen und uns die ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt. Zu meinem Glück hatte ich in dem Moment nicht realisieren können, dass vor mir das Königspaar von Ilea stand, denn nachdem mein Vater mich drei Sekunden lang fassungslos angestarrt hatte, hatte ich mich im nächsten Moment in seinen Armen wiedergefunden.
Ich weiß nicht, warum, aber mir waren sofort die Tränen über die Wangen gelaufen und ich hatte heftig gegen seine Brust geschluchzt. Ich war erwachsen und kein kleines Kind mehr, aber die vergangenen Monate hatten viel mit mir gemacht und mich ausgelaugt. Endlich wieder in den schützenden Armen meines Vaters zu liegen, hatte sich wie Nachhausekommen angefühlt.
Doch bevor ich ihn überhaupt nicht mehr loslassen würde, löste ich mich von ihm. „Papa-", ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und trat deswegen einfach zur Seite.
Für einen Moment schien mein Vater nicht zu verstehen, was ich ihm sagen wollte, doch als er schließlich in die Richtung blickte, die freigeworden war, spielten sich tausende von Emotionen innerhalb weniger Momente auf seinem Gesicht ab. Ich konnte nicht sagen, ob Unglauben, Freude, Trauer, Wehmut oder Unsicherheit überwog, doch für mehrere Sekunden herrschte in dem Zimmer eine angespannte Stille.
Es war aber weder mein Vater noch meine Mutter, die die Stille durchbrachen, sondern die Königin, welche sich räusperte und einen Schritt vortrat.
„Wir freuen uns sehr, dass ihr da seid, Quinn und Doyle", sagte sie mit einem warmen Lächeln und begrüßte die beiden mit einer Umarmung, „Lyndon, würdest du deine Eltern auf ihr Gemach begleiten? Ich glaube, unsere unerwarteten Gäste können etwas Zeit für sich gebrauchen."
Lyndon nickte zwar sofort, da er wohl verstand, dass etwas nicht stimmte, verließ allerdings sichtlich irritiert den Raum. Der König folgte ihm und rieb sich dabei unauffällig die Seite, nachdem ihm seine Frau mit dem Ellenbogen höflich dazu aufgefordert hatte, den Raum zu verlassen. Wäre die Situation nicht so bizarr gewesen, hätte ich wahrscheinlich geschmunzelt.
Quinn hatte sich lächelnd bei der Königin untergehakt und war im nächsten Moment bereits verschwunden. Doyle, der bereits im Begriff war, ihr dies nachzutun, drehte sich noch einmal zu mir um und warf mir einen fragenden Blick zu, welchen ich erwiderte. Ich wusste nicht, ob ich ihm folgen, um das Wiedersehen nicht zu zerstören, oder dort bleiben sollte, um die Situation aufzulockern. Doch schließlich sah ich die beiden an und entschied, sie sich selbst zu überlassen.
Also folgte ich Doyle, Quinn, Lyndon und dem Königspaar aus dem Kaminzimmer und hörte die schwere Eichenholztür schließlich ins Schloss fallen. Mir war unbehaglich zu Mute. Zwar hatte ich Quinn und Doyle bereits sehr schnell ins Herz geschlossen, doch nun da ich weder Fenna noch meinen Vater an meiner Seite hatte, war ich die Fremde in diesem Schloss.
„Wie war eure Anreise?" Die Königin benahm sich, als wäre die Gesamtsituation nicht bizarr und lächelte Quinn unbekümmert an.
„Gut. Wir sind etwas früher aufgebrochen, als wir es angekündigt hatten. Ich hoffe, wir stören nicht", erwiederte diese, während sich unsere kleine Gruppe in Bewegung setzte.
Ich wusste zwar nicht, wohin wir gingen, vermutete allerdings, dass Lyndon uns nun zu den besagten Gemächern begleiten würde. Die Königin hatte mit einer Bediensteten gesprochen und ihr aufgetragen, weitere Zimmer für Gäste bereitzumachen, weswegen ich annahm, dass auch ich folgen sollte.
Während die Königin und Quinn vorangingen, folgten Lyndon und ich und die Doyle und der König bildeten das Schlusslicht. Diese Formation hatte sich automatisch gebildet, als auch die beiden Herren ein angeregtes Gespräch begonnen hatten. Es störte mich allerdings zunächst nicht, dass ich schweigend neben Lyndon herging, da ich noch zu sehr in meinen Gedanken vertieft war.
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Blind Selection - never give up 3
FanfictionKaden. Joas. Lyndon. Decan. Einer von ihnen ist der Kronprinz von Ilea. 35 Mädchen kommen ins Schloss, um genau das herauszufinden. Doch zwischen Verrat, Druck, Schmerz und einer endlosen Suche ist es schwer sich auf das Wesentliche zu konzentrieren...