Wilhelmina V | Retter in der Not

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23 Jahre zuvor

„Was zur Hölle machst du hier?" Tave hatte Wilhelmina, sobald er sie erblickt hatte, am Arm gepackt und ein wenig von der Gruppe weggezogen. Sie standen nun in einem ruhigeren Gang, der zu den Toiletten führte.

Sie lehnte sich an die Wand und verschränkte trotzig ihre Arme vor der Brust. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht."

Ein Mädchen kam an ihnen vorbei, das wahrscheinlich gerade auf dem Weg zu den Toiletten war. Sie beobachteten die beiden spektisch und schien für einen Moment zu zögern, als wolle sie Wilhelmina zur Hilfe kommen. Doch diese lächelte ihr kurz zu, um zu signalisieren, dass sie alles unter Kontrolle hatte.

Das Mädchen verschwand in den Toiletten.

Tave schnaubte, während er Wilhelmina immer noch fassungslos anstarrte. „Ich kann es einfach nicht glauben, dass du so verantwortungslos bist. Dir könnte sonst etwas passieren!"

„Und du befindest dich nicht mehr in der Position, dich darum zu sorgen", gab sie kalt zurück.

Tave war einmal ihr persönlicher Bodyguard gewesen. Daraus hatte sich im Laufe der Zeit mehr entwickelt und sie waren ein Paar geworden. Die Beziehung hatte kein besonders schönes Ende gefunden, aber insgeheim wusste Wilhelmina, dass sie daran genauso schuld war, wie er. Sie waren einfach nicht richtig füreinander gewesen und hatten das beide aneinander ausgelassen, sodass sie sich irgendwann nur noch gestritten hatten.

Er seufzte. „Ich sorge mich trotzdem um dich, Mina." Er sah sie ernst an. Den Spitznamen aus seinem Mund zu hören, schmerzte immer noch.

„Mir geht es gut", erwiderte sie, „Niemand hier kennt mich. Und sollte doch etwas passieren, weiß ich mich ja in guter Gesellschaft." Wilhelmina versuchte, ihn ein wenig zu besänftigen. Er sah sie dennoch zweifelnd an.

„Weiß Dena, dass du hier bist?", fragte er.

Sie zog eine Augenbraue hoch. „Was denkst du?"

Er seufzte noch lauter. „Unfassbar."

„Weiß deine Mutter etwa, dass du hier bist?", konterte sie und kannte natürlich die Antwort. Tave war 22, zwei Jahre älter als Wilhelmina, und wohnte seit zwei Jahren nicht mehr bei seinen Eltern. Als er zwanzig gewesen war, hatte er im Palast angeheuert und war bis vor sechs Monaten etwas mehr als nur ihr Angestellter gewesen. Seitdem wohnte er im Dorf und hatte sich eine neue Arbeit gesucht.

„Du weißt, dass das nicht dasselbe ist", erwiderte er ruhig und sah sie unglücklich an. Er hob eine Hand und zögerte einen Moment, bevor er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.

Sie erwartete, dass sie die Luft anhielt und ihr Magen rumoren würde. Doch in ihr regte sich nichts. Es hatte zwar einige Zeit gebraucht, über ihn hinwegzukommen, aber dass war immer so bei der ersten Beziehung, meinte Maera. Und mittlerweile war sie wirklich froh, dass sie ihm normal gegenüber treten konnte.

„Mir geht es gut", wiederholte sie noch einmal bekräftigend und stieß sich von der Wand ab. „Kannst du mir nicht einfach die kleine Auszeit gönnen?"

Tave sah sie unsicher an, nickte aber schließlich. „Ich werde dich heute Abend nicht aus den Augen lassen."

„Ist das eine Drohung?", fragte sie neckend.

Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht."

Wilhelmina lachte, trat einen Schritt vor und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Dann kann ich mich ja auf einen spektakulären Abend freuen."

Gemeinsam kehrten sie zu der Sitzgruppe zurück und Wilhelmina setzte sich wieder auf ihren Platz neben Fenna. Diese sah ihre neue Freundin aufmerksam an.

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt