92 | Sturz der Monarchie

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Earline Lancaster

„Und so bin ich zu den Rebellen gekommen", hatte die Kronprinzessin ihre Geschichte schließlich beendet.

Nachdem wir sie zu der Königin geführt und versichert hatten, dass es ihr gut ging, hatte ich die angespannte Stimmung durchbrechen wollen und der Kronprinzessin ein paar Fragen gestellt. Es war eine Tatsache, dass die eindrucksstarke Frau Kronprinzessin Wilhelmina war. Niemand von uns sprach es aus, doch irgendwie wussten wir es doch alle.

Ich hatte ihre Worte noch am besten verkraftet. Lyndon hatte ich ansehen können, dass ihn die Offenbarung, dass seine Mutter Quinn Teil des Rebellennetzwerkes war, ziemlich mitgenommen hatte. Er war ungewöhnlich still gewesen und hatte ernst ins Leere gestarrt. Ich hatte ihn am liebsten fest zu umarmen und in dieser Haltung für die nächsten paar Stunden zu bleiben wollen

Doch so sehr ich das Bedürfnis danach verspürt hatte, hatte ich doch gewusst, dass ich zunächst einmal diese bizarre Situation unter Kontrolle bringen musste. Denn auch Angelique hatte unter Schock gestanden und war nicht in der Lage gewesen, wie sonst die Führung zu übernehmen. Außerdem hatten sich in diesem Schutzraum noch die verletzte Königin und ihre lang verschollen- und totgeglaubte Tochter befunden. Diese Geschichte würde mir niemand glauben, wenn ich sie einmal erzählen würde.

Während Wilhelmina nun an der Pritsche ihrer Mutter saß, ihr die Hand hielt und mit der anderen Hand liebevoll über ihre Stirn strich, saßen Angelique und Lyndon zusammen im Vorraum und schwiegen einträchtig. Ich hatte ein paar Worte mit ihnen geredet doch bald gemerkt, dass sie beide ihre Ruhe benötigten. Deswegen war ich nun zu Wilhelmina getreten.

Es war seltsam, dieser Frau gegenüberzustehen, über die ich schon so viele Geschichten gehört hatte. Vor allem fühlte es sich seltsam an, sie mir mit meinem Vater vorzustellen. Wie sie als junges Paar zusammen waren.

„Sie haben ihre Wunden gut versorgt", traute ich mich schließlich zu sagen, nachdem ich sie ein paar Momente lang von hinten beobachtet hatte, während ich im Türrahmen lehnte, „Sie wird sich erholen." Es fühlte sich falsch an, diesem intimen Mutter-Tochter-Moment zu beizuwohnen, doch ich hatte das Gefühl, sie beruhigen zu müssen.

Wilhelmina drehte sich zwar nicht um oder erwiderte etwas, doch an ihrer Haltung merkte ich, dass sie mich gehört hatte. Unsicher, ob sie sich von meiner Gegenwart gestört fühlte, schwieg ich anschließend für einige Zeit. Als ich mich gerade umdrehen wollte, hörte ich ihre Stimme.

„Du musst mich für ziemlich seltsam halten", sagte sie, ohne sich zu mir umzudrehen.

Ich wandte mich ihr wieder zu und wagte mich einen weiteren Schritt vor, um mich auf eine Pritsche an der anderen Wand in dem Raum zu setzen. „Ich habe eigentlich überhaupt keine Meinung von Ihnen", gab ich zu. Für einen Moment überlegte ich, ein 'königliche Hoheit' hinzuzufügen. Doch es erschien mir irgendwie unpassend.

Da ich sie nun von der Seite anblickte, konnte ich ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen erkennen. „Es ist nett, dass du das sagst", erwiderte sie mild, „Und auch, dass du mich mit einem Gespräch ablenken möchtest."

Ich wollte widersprechen, doch natürlich hatte sie mit meiner Absicht absolut recht. Also schwieg ich nur.

„So habe ich mir das Wiedersehen nicht vorgestellt", fuhr sie fort und ein wehmütiger Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, während sie noch immer ihre Mutter betrachtete.

„Haben Sie sich überhaupt ein Wiedersehen vorgestellt?", fragte ich aus ehrlicher Neugierde, „Ich meine, hatten Sie immer vor, zurückzukehren?"

Wilhelmina antwortete zunächst nicht. Dann sagte sie leise: „Das ist eine schwierige Frage."

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt