Wilhelmina XXVII | Zukunftsvorstellungen

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20 Jahre zuvor

„Komm rein." Wilhelmina wusste, dass ein Klopfen zu dieser Zeit nur ihre Mutter sein konnte. Sie lag nun bereits seit mehr als zwei Stunden wach und starrte an die Decke.

Die Tür öffnete sich und wie angenommen stand Dena in dem Lichtkegel. „Was machst du denn hier? Solltest du nicht in deinem Bett liegen?"

Wilhelmina stützte sich auf ihren Ellenbogen und schlug die dünne Decke zurück, welche sie sich von der Ottomane aus ihrem Büro genommen hatte. „Das selbe könnte ich dich fragen."

Ihre Mutter setzte sich an ihr Fußende und lächelte schwach. „Das beantwortet meine Frage nicht. Ich dachte, ich gebe dir genau", sie warf einen Blick auf die Uhr, „15 Stunden bevor ich dich auf heute morgen anspreche."

Wilhelmina versuchte gar nicht erst, etwas abzustreiten. Das wusste Dena genauso gut wie sie selbst. „Ich werde mich bei ihm entschuldigen."

„Gibt es denn etwas, wofür du dich entschuldigen solltest?", fragte Dena ruhig.

„Mein Temperament ist mit mir durchgegangen. Normalerweise würde ich Gadriel nie so anfahren. Das gehört sich nicht für.."

„Eine zukünftige Königin?"

Wilhelmina nickte und zuckte dann mit den Schultern. „Ich weiß auch nicht."

„Ach Willow." Ihre Mutter seufzte. „Ich kann dir leider auch keine Antwort darauf geben. Aber ich denke, wir wissen beide, dass es hier nicht nur um die Anstellung von Personal geht."

„Nein." Es ging um so viel mehr.

„Es ist normal, Streit zu haben. In jeder gesunden Beziehung wird gestritten."

Wilhelmina nickte. „Ich weiß, ich hatte auch nicht vor, mich auf der Stelle von ihm zu trennen", meinte sie und verdrehte die Augen.

Dena schüttelte lächelnd den Kopf. „Darauf wollte ich nicht hinaus. Weißt du, Willow, ich wollte nie, dass du das Gefühl hast, dich wie jemand zu verhalten, die du nicht bist. Du solltest dich nicht zurückhalten müssen, nur weil du die Kronprinzessin bist."

„Was meinst du damit?"

„Du hast dein Temperament verloren. Aber dafür solltest du dich nicht entschuldigen müssen. Jedenfalls nicht wegen irgendwelcher Etikette. Du solltest darüber nachdenken, ob es etwas gibt, wofür du dich entschuldigen möchtest, weil du es nicht so gemeint hast. Aber nicht, weil es nicht deinem Anstand entspricht."

Wilhelmina schwieg. „Ich werde darüber nachdenken. Ist es das, weswegen du gekommen bist?"

„Unter anderem. Außerdem wollte ich dich fragen, ob ich das Angebot für Eamon McGrath im Namen des Königshauses zurückziehen soll."

„Ich weiß es nicht", gab Willow zu, „Ich weiß nicht, wie ich das begründen sollte."

„Du musst es nicht begründen. Jedenfalls nicht vor mir. Ich würde es sofort machen, das weißt du oder?"

Willow nickte. „Ich weiß." Aber vor Gadriel. „Ich werde es mir überlegen. Danke, Mom."

Dena drückte ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn. „Ich gehe wieder ins Bett. Du auch?"

Wilhelmina musste zugeben, dass die Couch in ihrem Büro nicht so bequem war wie sie gehofft hatte. Doch ohne sich ausgesprochen zu haben, fühlte sie sich ebenso nicht gut, mit Gadriel in einem Bett zu schlafen. Dennoch erhob sie sich. „Ich werde nach Maelle sehen gehen."

Nachdem sie sich von ihrer Mutter verabschiedet hatte, tapste Willow barfuß zu dem Zimmer ihrer Tochter. Gadriel hatte es besser gefunden, ihr bereits in jungen Jahren das schlafen bei ihren Eltern abzugewöhnen. Die davor postierten Wachmänner verzogen keine Miene als Wilhelmina geräuschlos die Klinke herunterdrückte und in das Zimmer trat.

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt