Earline Lancaster
„Ist wirklich alles in Ordnung mit ihr? So missmutig und abwesend kenne ich sie gar nicht", raunte Nova meiner Schwester zu.
Elea winkte ab, betrachtete mich allerdings mit sorgevollen Augen. „Es ist im Moment am besten, sie nicht darauf anzusprechen."
Ich war zu erschöpft, um die beiden darauf hinzuweisen, dass ich anwesend war und jedes ihrer Worte verstehen konnte. Stattdessen beschäftigte ich mich weiterhin damit, so zu tun, als wäre ich in meine Stickerei vertieft.
Natürlich schenkte ich meiner Stickerei nicht halb so viel Aufmerksamkeit wie meinen Gedanken, weswegen meine Arbeit nicht unbedingt vorzeigbar war. Doch ich weigerte mich, offen zu zeigen, dass ich wegen eines Mannes so durch den Wind war.
Nova und Elea konnten sich den Grund für mein seltsames Verhalten wahrscheinlich denken und leider konnte dies Dank Stevie Ann nun beinahe der gesamte Hof. Die Gerüchte um Lyndon und mich hatten sich im Schloss wie ein Lauffeuer verbreitet. Sie tragen mich jedoch umso härter, da sie nun nicht mehr der Wahrheit entsprachen.
Die Anwesenheit im Palast war kräftezehrend. Zum wiederholten Male fragte ich mich, weshalb wir überhaupt noch hier waren. Anfangs hatte ich die Beweggründe meines Vaters verstanden, bei Hofe bleiben zu wollen und dem Königspaar bei der Suche nach ihrer Tochter zu helfen. Er hatte dabei ebenfalls seine eigene Vergangenheit aufgearbeitet und schien seither so ausgeglichen und glücklich zu sein, wie ich ihn sehr lang nicht mehr gesehen hatte.
Doch ich selbst fand keinen Grund mehr, nicht nach Hause zurückzukehren. Erschrocken stellte ich allerdings fest, dass mich dort niemand erwarten würde. Meine Mutter und Eyal waren schließlich in Neros Gewalt. Ich wollte vor Verzweiflung aufschreien und gleichzeitig einfach nur im Bett liegen und an die Wand starren.
Ich spürte, wie sich jemand an meine Bettkante setzte und drehte mich um. Nova lächelte mich vorsichtig an. Ich erkannte, dass Elea den Raum verlassen haben musste. „Heute Abend soll ein Bankett stattfinden, an dem alle Ladys teilnehmen werden. Es ist sozusagen die letzte gemeinsame Veranstaltung vor der Entscheidung am Sonntag."
Ich sah sie an und nickte. Der letzte Bericht stand bevor. Das hatte ich natürlich nicht vergessen. Wie konnte ich auch, wenn das bedeutete, dass Lyndon eine Lady wählen würde, um sie zu heiraten? Ich seufzte innerlich.
„Du wirst auch eingeladen sein", fuhr Nova fort, „Es wird sicher nett."
Das bezweifelte ich zwar stark, ich nickte allerdings. Nova wollte mich nur aufmuntern und auf andere Gedanken bringen, das wusste ich.
„Hast du in den letzten Tagen Mal mit Angelique gesprochen?", wechselte sie das Thema, als sie erkannte, dass die Aussicht auf einen Bankett mich nicht aufheitern würde.
Ich wollte gerade nicken, als ich innehielt. Tatsächlich war es einige Zeit her, dass ich mit Angel gesprochen oder sie auch nur gesehen hatte. Allerdings war mir das bis vor einigen Augenblicken nicht klar gewesen, da ich mit meinen eigenen Problemen zu sehr beschäftigt gewesen war.
Schließlich schüttelte ich den Kopf.
Nova zog die Brauen zusammen. „Ich habe das Gefühl, dass etwas nicht stimmt", erzählte sie zögerlich, „Sie nimmt zwar an allen offiziellen Anlässen teil, aber ansonsten sehe ich sie kaum noch. Außerdem hängt sie ständig mit Decan zusammen."
Ich hob überrascht die Brauen und brach schließlich mein Schweigen: „Denkst du etwa, die beiden hätten etwas miteinander?"
„Quatsch", tat sie meine Frage an, doch ich konnte in ihren Augen eine gewisse Unsicherheit erkennen, „Ich vertraue Decan. Aber er hat mit keinem Wort erwähnt, dass er sich mit Angelique trifft oder sie auch nur näher kennt. Letztens habe ich Angel sogar in sein Zimmer verschwinden sehen, als ich gerade ebenfalls auf dem Weg zu ihm war."
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Blind Selection - never give up 3
FanfictionKaden. Joas. Lyndon. Decan. Einer von ihnen ist der Kronprinz von Ilea. 35 Mädchen kommen ins Schloss, um genau das herauszufinden. Doch zwischen Verrat, Druck, Schmerz und einer endlosen Suche ist es schwer sich auf das Wesentliche zu konzentrieren...