87 | eighth dates

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Mare McEwan

„Es ist wirklich unglaublich, wie viel sich innerhalb von acht Wochen ändern kann", ich beugte mich vor und pflückte ein Gänseblümchen ab. Nachdenklich zupfte ich an den Blättern.

„Das stimmt."

Ich schaute auf das stille Wasser des Sees. „Es klingt vielleicht kitschig, aber diese zwei Monate werde ich nie vergessen."

Joas antwortete nicht, weswegen ich ihm einen Seitenblick zuwarf. „Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte ich vorsichtig. Joas starrte mit abwesendem Blick in die Ferne und schien beinahe, als würde er meine Worte nicht einmal wahrgenommen haben.

„Joas?"

Sein Kopf ruckte zu mir herum. „Wie bitte?"

„Ich habe gefragt, ob bei dir alles gut ist", wiederholte ich und runzelte irritiert die Stirn. Noch vor einigen Minuten hatten wir gemeinsam gelacht, uns gegenseitig gesagt, wie sehr wir die Gegenwart des Anderen genossen und uns pausenlos unterhalten. Ich war der Meinung, dass Schweigen mit den richtigen Personen angenehm und friedvoll sein konnte, doch die Stille zwischen Joas und mir war angespannt und verwirrend.

„Hast du dich je gefragt, wie dein Leben verlaufen wäre, wenn du nicht das Kind deiner Eltern wärst?", fragte Joas.

Ich sah ihn verwirrt an. „Wie meinst du das? Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht das Kind meiner Eltern wäre." Eine kühle Brise umspielte mein Haar und verursachte Kräuselungen auf der bisher ruhigen Wasseroberfläche. Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht.

„Denkst du, dass wir mit unserem Charakter geboren werden oder dass er sich durch unsere Erziehung und unser Umfeld bildet?", stellte er die nächste Frage, deren Grund sich mir nicht erschloss. Ich runzelte die Stirn.

„Ich weiß nicht, Joas", meinte ich unbehaglich, „Worauf willst du hinaus?"

Ein Lachen, welches in keinster Weise nach dem Joas klang, den ich in den vergangenen Wochen kennengelernt hatte, verließ seinen Mund. Es war bitter und freudlos. Vorsichtig legte ich eine Hand auf seinen Arm und blickte ihn besorgt an. Unsere Blicke trafen sich, doch in seinen Augen lag eine Kälte, die ich nicht wiedererkannte. Als hätte ich mich verbrannt, ließ ich ruckartig seinen Arm los.

„Was ist los mit dir, Joas?", fragte ich. Mir wurde kalt und ich verschränkte die Arme vor der Brust. Das Bedürfnis, wieder zurück in das Schloss oder sogar ganz nach Hause zurück zu kehren, überkam mich.

Wir sahen uns noch einen Augenblick länger an und irgendwann verschwand der seltsame Gesichtsausdruck. Er blickte zu Boden und schüttelte den Kopf. „Entschuldige."

Ich schluckte und erwiderte nichts darauf. Alles von der romantischen Stimmung, die noch vor zehn Minuten in der Luft gehangen hatte, war verschwunden. An ihre Stelle war eine unbehagliche Kälte getreten.

„Ich denke, wir sollten zurückgehen", sagte Joas, als er wieder aufblickte. Doch meinen Blick mied er.

Ich nickte wie betäubt, erhob mich rasch und raffte die Decke zusammen. Schließlich machten wir uns auf den Rückweg zum Schloss. Über diesen seltsamen Moment sprachen wir kein Wort und auch sonst keines.

Beatrice Golding

„Ich verlange von dir nur, dass du ehrlich mit mir bist", erwiderte ich ruhig, obwohl meine Gedanken eigentlich alles andere als Ruhe ausstrahlten, „Mit uns. Schließlich geht es hier nicht nur um dein Leben."

Lyndons Miene war ernst. „Ich kann dir keine Antwort auf deine Frage geben, Beatrice. Jedenfalls keine, die dich zufriedenstellen wird."

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt