48 | fourth dates II

714 44 4
                                    

Angelique Estelle

„Es tut mir leid", meinte ich, nachdem wir den größten Teil des Ausrittes schweigend nebeneinander hergeritten waren. „Du hättest diesen Tag wahrscheinlich lieber mit jemand anderem verbracht."

Decan warf mir einen langen Blick zu und schüttelte den Kopf. „Warum sagst du das? Ich verbringe gern Zeit mit dir." Seine Stimme klang ehrlich, doch ich glaubte ihm trotzdem nicht.

Ich sah ihn an, schwieg dann aber. Es brachte nichts, ihm zu widersprechen und irgendwie freuten mich seine Worte auch.

„Mir tut es leid", sagte Decan schließlich. Er schien tatsächlich zerknirscht zu sein.

Überrascht blickte ich auf. „Was sollte dir leid tun? Ich freue mich, Mal einen Tag rauszukommen."

Decan schüttelte den Kopf. „Das meine ich nicht. Das mit deiner Freundin tut mir leid."

Ich verkrampfte meine Hände um die Zügel. Natürlich wusste ich sofort, wovon er sprach. Earline. Ich schluckte. „Ist schon in Ordnung. Ich hätte damit rechnen müssen."

„Womit hättest du rechnen müssen?", hakte Decan stirnrunzelnd nach.

„Ich hatte nicht geplant, mich so eng mit ihr anzufreunden. Ich habe sie zu nah an mich herangelassen. Earline ist nicht dumm und das wusste ich. Die Königin wusste es auch, sonst hätte sie mir nicht die Aufgabe gegeben", erklärte ich. Ich merkte nicht einmal, dass wir stehengeblieben waren. Mein Pferd hatte sich eine Fresspause genehmigt.

Decan nickte. „Und du hast nichts falsch gemacht", beteuerte er, „Es ist nicht deine Schuld, dass es so gelaufen ist. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir sie aus dem Casting ziehen mussten. Sie war von Anfang an eine Gefahr."

„Aber ich hätte es besser machen können", meinte ich, während ich mein Pferd wieder antrieb. Wir hatten bereits den Anschluss zu den anderen verloren, doch das war mir auch ganz lieb. So mussten wir zumindest nicht darauf achten, leise zu sprechen.

Unausgesprochen blieb die Frage, die mir auf der Seele brannte. Was war mit Earline geschehen und wo hielt sie sich auf? Den anderen Ladys waren sie, Hayes Troph, Laurel Oaks und noch zwei andere Mädchen, die ich nicht kannte, als diejenigen genannt worden, die nach dem Rebellenangriff freiwillig gegangen waren. Ich wusste jedoch, dass es nicht stimmte. Hayes und Laurel waren unter den Mädchen gewesen, die der Aufgabe nicht standgehalten hatten. Earline hingegen hatte einfach zu viel gewusst. Sie war keineswegs freiwillig gegangen - wenn sie überhaupt gegangen war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Königin sie mit solch wichtigen Informationen laufen lassen würde.

„Ich weiß, dass du dir Sorgen machst", sagte Decan schließlich, als könnte er meine Gedanken lesen, „Aber das brauchst du nicht. Ihr geht es gut."

Mein Kopf ruckte herum. „Weißt du, wo sie ist?"

Decan zögerte, was mir sagte, dass er es sehr wohl wusste. „Wir sollten nicht darüber reden. Es geht ihr gut, das ist die Hauptsache." Das Gespräch war für ihn damit beendet.

Ich seufzte. Ich wusste, dass ich nichts Brauchbares mehr aus ihm herausbekommen würde. Dennoch beruhigte es mich irgendwie, dass ich sie in Sicherheit wusste. Im nächsten Moment schämte ich mich dafür, dass ich derart an der Königin gezweifelt hatte. Sie würde ihr niemals etwas zu Leide tun, selbst wenn sie so viel wusste.

„Wir sollten zu den anderen aufschließen", sagte Decan und trieb sein Pferd an.

Ich nickte und wir verfielen in einen leichten Trab. Bis vor ein paar Monaten hatte ich noch nie im Sattel gesessen, doch auch das hatte zu meiner Vorbereitung auf das Casting gezählt. Im Nachhinein war ich sehr dankbar dafür. Ganz im Gegensatz zu Mare McEwan: Sie schien, als wäre sie die geborene Reiterin. Sie trug den ganzen Ritt über ein breites Lächeln auf den Lippen.

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt