73 | gemischte Gefühle

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Clementine Lynch

„Warum bist du heute morgen nicht beim Frühstück gewesen?" Ich saß quer auf dem dunkelgrünen Ohrensessel im Damensalon und hatte die Beine über der Lehne überschlagen, während ich in einem Buch blätterte.

Nova antwortete nicht, weswegen ich meinen Kopf zu ihr drehte und die Augen von den Zeilen abwandte, die ich ohnehin nur überflogen hatte. „Nova?"

Ich hatte sie dabei erwischt, wie sie gedankenverloren an die Wand gestarrt hatte. Nun wandte sie sich mir zu und wirkte so, als hätte sie meine Worte nicht einmal gehört. „Wie bitte?"

„Wo bist du denn mit deinen Gedanken?", fragte ich misstrauisch und schlug mein Buch entgültig zu. Dann richtete ich mich in dem Sessel auf. „Ich habe dich gefragt, warum du heute nicht beim Frühstück gewesen bist."

„Ich hatte keinen Hunger", erwiderte sie bloß.

Ich schüttelte den Kopf. „Hör auf, Nova", sagte ich sanft aber bestimmt, „Ich habe dich den ganzen Tag in Ruhe seltsam sein lassen. Denkst du, mir ist nicht aufgefallen, dass du etwas vollkommen anderes im Kopf hattest? Aber da du bist jetzt nicht zu mir gekommen bist, muss ich dich jetzt darauf ansprechen. Was ist los?"

„Ich möchte dich nicht anlügen", sagte sie ernst, „Aber ich kann dir auch nicht die Wahrheit sagen. Kannst du das akzeptieren?"

Ich schwieg. Ich kannte Nova zwar erst seit sieben Wochen, doch sie war mir ans Herz gewachsen, wie kein anderer es in einer so kurzen Zeit geschafft hatte. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, ihr vertrauen zu können. Nicht nur meine Geheimnisse waren bei ihr sicher, sondern ich konnte mich auch darauf verlassen, dass sie auf sich selbst aufpassen konnte. Dennoch machte mir ihr Verhalten Sorgen.

„Kannst du mir zumindest versichern, dass es dir gut geht?", fragte ich also seufzend.

Nova nickte. „Das verspreche ich. Es gibt einfach einige Dinge, über die ich mir im Klaren werden muss. Sie betreffen nicht nur mich, deswegen kann ich darüber nicht sprechen."

„Geht es um Decan?", fragte ich vorsichtig und war bedacht darauf, nicht zu laut zu sprechen. Zwar war es im Damensalon längst nicht so überfüllt wie in den ersten paar Wochen, doch auf der Ottomane in der Nähe des Kamins saßen Robin Dae Levin und Oralee Azeem, die sich tuschelnd unterhielten. Mittlerweile wusste ich nur zu gut, wie hellhörig die anderen Ladys waren.

Doch Nova schüttelte zu meiner Erleichterung den Kopf. Dann, als ich mich gerade wieder meinem gescheiterten Leseversuch zuwenden wollte, erwiderte sie doch noch etwas. „Ich habe dich übrigens mit Lyndon sprechen sehen."

Ich verbot es meinen Wangen zu erröten und sah möglichst desinteressiert drein. „Und?"

Nova lächelte. „Ich hate gehofft, den Rest würdest du mir erzählen."

„Da gibt es keinen Rest", meinte ich.

„Besteht die Möglichkeit, dass sich ein Rest entwickelt? Decan zufolge sind seine bisherigen Dates nicht gerade erfolgreich abgelaufen. Nur das mit einer hübschen Blondine mit langem Bob soll wohl nett gewesen sein", sie zwinkerte mir grinsend zu, was mich nun doch erröten ließ.

„Unser Date ist schon zwei Wochen her", murmelte ich, während ich angestrengt auf die schwarzen Buchstaben vor mir starrte. Dann blickte ich aber doch auf. „Hat er das wirklich so gesagt?"

Nova lachte. „Ich denke, das solltest du ihn selber fragen."


Earline Lancaster

Mein Magen knurrte. Da ich mitgezählt hatte, wusste ich, dass er das nun bereits zum sechsten Mal innerhalb der letzten dreißig Minuten tat. Ich war sauer auf ihn, dass er nicht für einen Moment mal ruhig sein konnte. Wie ein kleines Kind.

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt