72 | Tür ins Haus

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Elea

„Warum hast du mich damals weggegeben?" Ich war mir bis zu dem Zeitpunkt, in dem ich die Frage gestellt hatte, nicht sicher gewesen, ob ich die Antwort überhaupt wissen wollte. Doch sie hatte mich auf meiner gesamten Reise nicht losgelassen. Unwillkürlich hielt ich den Atem an und starrte auf den unter mir entlangschnellenden Boden.

Nachdem meine Mutter und ich von unserem Spaziergang zurückgekommen waren, hatte Quinn vorgeschlagen, dass wir uns gemeinsam auf den Weg zum Schloss machen würden. Sie hatte ohnehin vorgehabt, ihren Sohn zu besuchen und so würde ich meinen Vater und Fenna ihren Bruder wiedersehen. Auch wenn ich das Unbehagen in Fennas Gesicht hatte sehen können, schimmerte auch eine Art Sehnsucht in ihm auf, weswegen ich schließlich auch zugestimmt hatte.

Nun waren wir auf den Pferden von Quinn und ihrem Ehemann Doyle unterwegs. Sie hatte mir erzählt, dass die beiden den Hof gekauft hatten, auf welchem auch mein Vater eine lange Zeit gearbeitet hatte und geritten war, bevor er eine feste Stelle im Schloss angenommen hatte. „Wir verstanden eigentlich gar nichts von Pferden", hatte Quinn mit einem breiten Grinsen gesagt, „Aber irgendwie haben Eamon und Willow uns mit der Liebe zu ihnen angesteckt und als der Hof abgerissen und die Tiere versteigert werden sollten, konnten wir nicht anders, als ihn zu kaufen."

Ich war beeindruckt und überrascht gewesen. Zwar hatte ich gewusst, dass mein Vater früher einmal geritten war, doch über seine Anstellung im Stall bei Hofe hatte ich nichts gewusst. Und obwohl ich selbst nicht besonders viel von Pferden verstand - im Sattel halten konnte ich mich geradewegs - beeindruckte es mich doch tief, dass Quinn und ihr Mann ihr Leben für diese Tiere aufgegeben hatten. Sie schienen wirklich herzensgute Menschen zu sein.

„Ich war nicht bereit, Elea." Die Worte meiner Mutter rissen mich aus den Gedanken. Sie hatte einige Zeit gebraucht, um zu antworten.

Ich schluckte. Von allen möglichen Antworten war diese mir nicht die liebste gewesen.

„Ich war jung. Und verzweifelt. Mir war klar, dass dein Vater nicht an meiner Seite sein würde. Dass er das nicht könnte. Und ich selbst fühlte mich ebenso wenig in der Lage, ein Kind großzuziehen. Ich war ja selbst noch beinahe ein Kind und hatte keine Ahnung, was ich aus meinem Leben machen wollte", erzählte sie seufzend, „Ich habe es versucht, das musst du mir glauben. Ich habe es wirklich versucht. Aber ich habe es einfach nicht hinbekommen."

„Und Papa? Also .. Eamon?"

„Ich habe gewusst, dass du bei niemandem so gut aufgehoben wärst, wie bei ihm. Er hat mich zwei Jahre nach seinem Verschwinden kontaktiert, um zu hören, wie es mir ging. Ich war zu diesem Zeitpunkt arbeitslos, hatte unser Elternhaus verkaufen müssen und emotional vollkommen am Ende. Ich konnte nicht gleichzeitig für dich und für mich selber sorgen. Deswegen hat Eamon dich genommen. Es war das Beste für dich", Fenna schaute mich erneut mit einem wehmütigen Blick an, der mir irgendwie unangenehm war, sodass ich wegschauen musste. Heiße Tränen brannten mir verdächtig in den Augen. „Er hatte Noee kennengelernt. Die beiden hatten eine stabile Beziehung, ein gutes Einkommen und sicheres Umfeld für dich. Und wie es scheint, hätte ich mir keine besseren Eltern für dich aussuchen können."

Mir liefen ein paar Tränen über die Wangen. Mir war nicht aufgefallen, dass wir uns auf unseren Pferden etwas zurückfallen lassen hatten. Quinn und Doyle ritten in einigem Abstand vor uns. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll", gab ich leise zu.

Fenna lächelte gequält. „Du musst nichts sagen. Ich bereue es jeden Tag, dich weggegeben zu haben. Aus egoistischen Gründen. Aber dennoch weiß ich jeden Tag, dass es das Beste für dich gewesen ist."

Ich nickte. Schweigend ritten wir weiter und schlossen bald wieder zu den anderen auf. Während des Gesprächs hatte ich keine Gelegenheit gehabt, um die wunderschöne Landschaft um uns herum zu genießen. Nachdem wir den doch etwas weiteren Weg zu dem Hof von Quinn zurückgelegt hatten, wo Doyle uns erwartete - ich hatte von der ersten Sekunde an beschlossen, ihn zu mögen - ritten wir nun seit etwa zwanzig Minuten im gemächlichen Tempo in Richtung des Palastes. Bis jetzt war ich zu sehr abgelenkt gewesen, um aufgeregt zu sein, doch als ich in der Ferne den Palast zwischen einigen Bäumen erblicken konnte, wurde mir doch mulmig zu Mute.

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt