56 | folgenreiche Abstellkammer

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Bethany Symmon

„Du scheinst dich ja ziemlich angestrengt zu haben." Über mein Skizzenbuch fiel ein Schatten und ich spürte einen heißen Atem in meinem Nacken. Ohne mich umzudrehen wusste ich, dass ich mich nicht umdrehen wollte. Es war Kaden.

„So etwas erfordert keine große Anstrengung", erwiderte ich steif.

„Ich meinte nicht das Bild", sagte er und umrundete mit einem großen Schritt den Tisch, nur um mich eingehend von vorn zu mustern, „Du hast diesen Blick aufgesetzt."

„Welchen Blick?", fragte ich missmutig.

„Ein Blick, der deinem hübschen Gesicht bald sehr viele Falten bereiten wird." Kaden streckte eine Hand nach mir aus und berührte die Falte zwischen meinen beiden Augenbrauen. Ich war zu erstarrt, um die Berührung zu verhindern, doch dann wich ich hastig zurück.

Ich fuhr mir fahrig durch die Haare und band sie zu einem unordentlichen Pferdeschwanz. „Du solltest nicht hier sein", sagte ich, während ich meine ausgebreiteten Sachen mit einer Bewegung zusammenwischte und mich beeilte, aufzustehen, „Das hier ist der Damensalon, schon vergessen?"

„Es hat doch einige Vorteile, umwerfend zu sein", erwiderte Kaden mit einem schiefen Lächeln.

Ich erhob mich und fuhr mir ärgerlich mit der Hand über das Gesicht. Mir war gar nicht aufgefallen, wie sehr sich der Raum geleert hatte. Es hatte sich als nicht besonders schwierig herausgestellt, eine ordentliche Skizze anzufertigen und sich anschließend für Stoffe und Bestickungen zu entscheiden. Und doch hatte ich länger darüber gebrütet, als die meisten anderen. Dennoch befanden sich noch einzelne Ladys in den Ecken des Damensalons und warfen uns nun bedeutungsvolle Blicke zu.

„Lass uns gehen", sagte ich seufzend und zog Kaden am Arm hinter mir her. Zwar war ich immer noch verletzt und verwirrt, was meine Gefühle auf ihn bezogen betraf, doch ich wusste, dass er mich weiterhin nerven würde, bis ich ihn ausreden ließ.

Ich spürte die vor Neugier brennenden Blicke der anderen in meinem Rücken, doch ich versuchte sie, so gut wie möglich auszublenden. Vor der Tür angekommen ließ ich Kadens Arm los, als wäre er ein brennendes Holzstück. Dann wirbelte ich herum und sah ihn herausfordernd an. „Heraus damit."

„Womit?"

„Was willst du von mir?"

„Die Frage ist wohl eher, was ich nicht von dir will." Ich hätte Kaden sein anzügliches Lächeln am liebsten aus dem Gesicht gewischt. Zwar kannte ich ihn nur sarkastisch und mit einigen blöden Sprüchen, doch dieses Verhalten war im Moment vollkommen unangebracht.

Ich musste mich beherrschen, nicht wie ein kleines Kind mit dem Fuß auf dem Boden aufzustampfen. „Was soll das, verdammt noch mal?", meine Stimme hatte nun eine sehr wütende Farbe angenommen, „Ich habe keinen Bock auf dein blödes Getue. Du führst dich schon auf wie Lyndon!"

Das ließ Kadens Lächeln doch ein wenig verrutschen. Langsam aber sicher erkannte ich hinter der Fassade einen hilflosen kleinen Jungen, der aus Angst verletzt zu werden, seine wahren Gefühle mit alberner Großspurigkeit überdeckte. Nun sah er beinahe ein wenig zerknirscht aus. „Ich wollte bloß gern allein mit dir reden."

Ich schluckte. An uns kamen ein paar Dienstboten vorbei, welche zwar so taten, als unterhielten sie sich, doch eigentlich lauschten sie unserem Gespräch. Ich würde mich sicher nicht in aller Öffentlichkeit so mit ihm streiten. Also ergriff ich unumwunden wiederum seinen Arm und zog ihn in eine kleine Abstellkammer, in welcher ich mich zuvor bereits einige Male vor unseren Zofen Ginger, Deliah und Mary versteckt hatte.

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt