68 | sixth dates II

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Chris Olia Beckett

„Es gibt nicht viele Menschen, mit denen man schweigen kann." Decan sah mich mit seinem offenen und treuen Hundeaugen an, sodass ich mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen konnte. Er hatte etwas aufrichtiges und unumwundenes an sich, was ich bewunderte.

Wir hatten die letzten Minuten nur schweigend nebeneinander gesessen und auf das von seichten Wellen durchzogene Wasser geschaut. Hin und wieder tätigte Decan ein paar kräftige Ruderschläge und verhinderte so, dass wir im Schilf landeten oder mit einem Stein zusammenstießen. Doch ansonsten war es still und friedlich.

Ich lächelte. „Und auch nicht viele, mit denen man reden kann."

Er erwiderte mein Lächeln und nickte dann.„Das stimmt wohl."

Ich beugte mich leicht über den Rand des Ruderbootes hinaus und ließ meine Fingerspitzen durch das seichte Wasser gleiten. „Viele verstehen nicht, dass Stille nicht gleich Einsamkeit bedeutet. Genau so wie das Alleinsein nicht einsam sein muss."

„Es kommt immer auf die Person an, mit der man es teilt", stimmte er zu.

„Obwohl ich eigentlich nicht davon ausgegangen war, dass man Alleinsein teilen kann", meinte ich mit einem schiefen Lächeln.

Er legte für einen Moment nachdenklich die Stirn in Falten. So gewissenhaft und ernst. Bewundernswert. „Ich denke, dass man durchaus zusammen allein sein kann. Das ist dann aber kein schönes Gefühl."

Ich fuhr mit meinen Fingern über ein paar Seerosen, die vorbeizogen, und nickte. „Ich fühle mich jedenfalls im Moment nicht allein."

Ich konnte in diesem Moment sein Gesicht zwar nicht sehen, doch ich spürte das Lächeln in seiner Stimme, als er antwortete: „Ich auch nicht."

Lyndon

Ich hatte den Vormittag damit verbracht, nachzudenken. Meine Gedanken waren allerdings durch einen Anruf meiner Mutter unterbrochen worden. Normalerweise besuchte ich meine Eltern an den Wochenenden. Manchmal kamen sie auch bei mir vorbei. Seit ich bei Hofe lebte sogar noch häufiger als sonst, da sie Zeit mit Dena und Jonathan verbrachten und sich auf den neusten Stand brachten.

Meistens freute ich mich über die Anrufe und Besuche meiner Eltern. Ich war nie jemand gewesen, dem seine Familie peinlich gewesen war oder der sich zu cool fühlte, um von seiner Mutter einen Kuss zu bekommen. Schon seit meiner frühen Kindheit hatte ich gelernt, dass Familie und Freunde das Wichtigste im Leben waren. Und als die Jungs aus meiner Klasse angewidert ihren Kopf weggedreht hatten, wenn ihre Mutter ihnen Abschiedsküsse gaben, hatte ich bloß mit den Schultern gezuckt. Die Meinung anderer hatte mich nie sonderlich interessiert.

Doch an diesem Vormittag hatte ich nicht den Ruhe und Geduld gehabt, um meiner Mutter aufmerksam zuzuhören. Sie erzählte aufgeregt, was ihr in den letzten Tagen passiert war, und beorderte mich, sie bald wieder besuchen zu kommen. Sie erzählte von irgendeinem Mädchen, welches sie mir gern vorstellen würde, und seufzte stumm. Nicht, dass ich überhaupt Augen für sie gehabt hätte. Aber meine Mutter hatte mir schon seit meiner Pubertät immer wieder nette Mädchen vorgestellt. Sie überließ nichts gern dem Zufall. Jedenfalls nicht, wenn es um ihre potentiellen Enkelkinder ging.

Später wimmelte ich sie ab, da ich mich für mein Date fertig machen musste. Doch auch auf dieses konnte ich mich nicht so recht konzentrieren. Wenigstens an den Namen des Mädchens konnte ich mich erinnern: Beatrice. Wir waren bereits auf einem Date gewesen und ich war mir ziemlich sicher, dass wir bei diesem bereits zum Du übergegangen waren. Ich hatte in dieser Hinsicht keine Ausnahmen gemacht.

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt