Wilhelmina III | die letzte Gelegenheit

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23 Jahre zuvor

„Und wie gefällt er dir?", Maera wackelte mit den Augenbrauen und nickte zu Eamon herüber, welcher gerade mit Alastar beschäftigt war. Wilhelmina war ein paar Tage zuvor aufgewacht und hatte einfach gewusst, dass so sein Name lauten würde.

Wilhelmina folgte dem Blick ihrer Freundin und lächelte breit. „Er ist einfach unglaublich! Du musst unbedingt einmal auf ihm reiten, es ist als würdest du fliegen!"

„Von welchem der beiden sprechen wir gerade?" Maera jaulte auf, als sie prompt einen Ellenbogen in die Rippen bekam. Dennoch konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Ach komm schon! Er ist schon ein Leckerbissen."

Allerdings.

„Und genau, weil meine beste Freundin ihn als Leckerbissen bezeichnet, ist er für mich tabu", erklärte Wilhelmina diplomatisch, konnte aber ihre Augen nicht von dem Gespann losmachen.

Maera winkte lachend ab. „Ach was. Ich habe kein Interesse an ihm, glaub mir. Wir kennen uns schon viel zu lange, als dass ich auf ihn stehen könnte."

„Woher kennt ihr euch eigentlich?", fragte Wilhelmina interessiert.

„Aus dem Dorf. Eamon bringt häufiger mal ein Pferd zum beschlagen zu meinem Vater in die Schmiede. Während der dann an der Arbeit ist, haben wir meist Zeit, uns zu unterhalten", erklärte Maera, "Auch wenn er nicht gerade der gesprächigste Geselle ist."

Wilhelmina nickte. Wehmut stieg in ihr hoch. Sie würde niemals solch alltäglichen Geschichten erzählen können. Einerseits liebte sie es, wenn ihre Freundin sie auf dem Laufenden hielt, was im nahe gelegenen Dorf gerade ablief. Andererseits erfüllte es sie jedes Mal mit Sehnsucht.

Sie war schon dort gewesen, natürlich. Immerhin gehörte es zu ihrem unmittelbaren Herrschaftsgebiet, jedoch hatte sie es immer nur als eine solche besucht: eine Herrscherin. Alle Leute hatten ihr und ihren Eltern zugejubelt. Alltägliche Dinge oder wie das Leben im Dorf tatsächlich ablief, würde sie niemals an eigener Haut erleben.

„Ich glaube, er verabscheut mich." Es überraschte sie, diese Worte aus ihrem Mund zu hören. Normalerweise war Wilhelmina die letzte, die sich um die Meinung anderer scherte. Besonders, da sie in frühen Jahren gelernt hatte, mit Kritik umzugehen.

Maera sah sie ebenso überrascht an. „Wie kommst du auf einen solchen Unfug? Du bist viel zu liebenswert, um dich zu verabscheuen."

„Es geht nicht immer um den Charakter, Maera. Das weißt du."

„Und trotzdem: Eamon ist der Letzte, der dich aufgrund deiner Herkunft verurteilen würde", erwiderte ihre Freundin seltsam sanft.

Wilhelmina zuckte mit den Schultern. „Käme ich aus der Gosse, vielleicht. Aber viele Menschen tun sich schwer darin, über den Wohlstand anderer hinwegzusehen. Selbst, wenn sie es nicht zugeben wollen."

„Da hast du aber eine sehr geringe Meinung von ihm."

„Vielleicht."

Maera schüttelte den Kopf. „Du solltest mich begleiten."

Ohne nachzufragen wusste Wilhelmina sofort, wovon ihre Freundin sprach. Der Themenwechsel kam ihr ganz gelegen, auch wenn sie nicht gern darüber sprach. Besser, als in einer seltsamen Gefühlsduselei wegen einem Typen abzuschweifen, war es allemal.

„Ich kann nicht, Maera. Das weißt du."

Maera seufzte. Sie hatte wirklich versucht gute Überzeugungsarbeit zu leisten und darin war sie auch wirklich gut. Nur leider war Wilhelmina sehr stur und hatte eine feste Meinung. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es nur sehr mühselig wieder dort raus zu bekommen. „Deine Mutter würde mir zustimmen, wenn ich sagte, du bräuchtest mal wieder etwas Ablenkung."

„Sie würde aber nicht dem Mittel zur Ablenkung zustimmen", hielt sie dagegen, "Außerdem geht er hierbei nicht um meine Mutter. Es wäre unverantworungsvoll-"

"Seit wann interessiert es uns, was verantwortungsvoll ist?"

Wilhelmina wandte ihren Blick schließlich doch ihrer Freundin zu. "Meine Eltern haben mir eröffnet, dass in einem halben Jahr meine Selection stattfinden wird", platzte sie heraus.

Maera schwieg. Ausnahmsweise hatte sie darauf keine passende Antwort parat. Beide hatten sie es gewusst, dass dieser Tag einmal kommen würde und doch hatten sie Stillschweigen bewahrt. Wilhelmina war nicht naiv genug, zu glauben, dass sie tatsächlich einmal aus Liebe heiraten könnte und doch wusste Maera, dass sie es im Geheimen doch gehofft hatte. Selbst Prinzessinnen träumten wohl von einem Prinzen auf einem weißen Ross.

"Das tut mir leid, Willow", sagte Maera schließlich bedrückt und ergriff die Hand ihrer Freundin.

Diese nickte nur abwesend. Sie würde nun sicherlich nicht anfangen zu weinen oder sonstige Gefühlsausbrüche haben. Dafür war sie nicht der Typ oder sie wusste es einfach besser. "Ich kann mir keinen Ausrutscher erlauben. Sobald die Presse informiert ist, wird jeder einzelne Tritt aus meiner Vergangenheit beleuchtet und Prognosen gemacht. Fehltritte sind dabei besonders beliebt."

Maera seufzte. In ihren Augen lag aufrichtige Trauer. "Ich hasse es, dich so vernünftig zu hören. Es ist einfach nicht fair."

Wilhelmina lächelte mild. "Das Leben ist für niemanden fair, Maer. Ich sollte mich nicht darüber beschweren, dass ich 35 süße Typen bekomme, die sich um mich streiten. Es werden sicher Nette dabei sein."

Ihre Freundin nickte und versuchte dabei zuversichtlich auszusehen. Sie sprachen es beide nicht aus, doch es war klar, dass Wilhelmina die Vorstellung eines öffentlichen Castings genau so wenig gefiel wie Maera. Sie war zu tapfer und doch auch zu schwach, als dass sie es hätte aussprechen können.

"Warum muss sich immer alles um Männer drehen?", fragte sie seufzend und wandte dabei ihren Blick wieder auf Eamon und Alastar.

Maera lachte herzlich und legte einen Arm um ihre Schulter. "Das sind schon mächtige Wesen, diese Männer, nicht wahr?"

Willow zuckte mit den Schultern. "Ewas zu mächtig, wenn du mich fragst."

Die beiden schwiegen für eine Weile. Keine wusste so recht, was sie sagen sollte, was die Situation auch nur annähernd aufgeheitert hätte. Doch Maera ließ sich nicht von ihrer Idee abbringen.

"Ich finde dennoch, es wäre die perfekte Gelegenheit für dich, unter Leute zu kommen. Gerade jetzt ist es doch deine letzte Chance!", meinte sie und legte so viel Überzeugung wie möglich in ihre Stimme, "Bitte! Es wird dir Spaß machen, versprochen, und niemand wird dich erkennen."

"Na vielen Dank auch."

Maera kicherte. "Ich meinte nicht, dass du ein 0815 Gesicht hast, sondern dass es in dem Raum dunkel sein wird. Du wirst einfach ein bisschen Spaß haben und lernen, wie man so richtig feiert."

"Wird Philip da sein?"

Maera grinste breit, da sie merkte, wie ihre Überzeugungsarbeit Früchte trug. Sie nickte eilig. "Na klar! Es werden eine Menge netter Leute dort sein. Wir werden uns prächtig amüsieren!"

Wilhelmina lächelte schief. Sie konnte nicht leugnen, dass sie ein gewisser Drang gepackt hatte, Maera auf diese Feier zu begleiten. Sie hatte zwar keinen blassen Schimmer, was sie erwarten würde, aber gerade diese Ungewissheit machte es so reizvoll. Sie grinste breit. "In Ordnung. Wenn nicht jetzt, wann dann?"

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt