Elea
Ich biss die Zähne zusammen. Im Schatten eines hohen Gebäudes nahe des Marktplatzes ließ ich mich langsam auf den Boden sinken. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die brühendheiße Mittagssonne prallte vom Himmel und stand so tief im Zenit, dass sie beinahe keine Schattenplätze zuließ. Umso erleichterte war ich nun, während ich mich seufzend gegen den kühlen Backstein lehnte.
Ich schloss für einen Moment die Augen, um einmal durchzuatmen. Dann öffnete ich sie wieder, um die Wunde an meinem Bein zu begutachten. Glücklicherweise hatte sie sich nicht wieder entzündet. Bereits zwei Wochen nach meinem Aufbruch hatte ich sie mit zugezogen und sie war seitdem mangels ordentlichem Verbandszeug nicht richtig verheilt, obwohl sie nicht besonders tief war. Die Verletzung war bei einem gewagten Sprung von einem Heuboden, auf dem ich in einer Nacht übernachtet hatte, geschehen. Dabei hatte ich mir an einem Nagel die Haut aufgerissen, konnte mich allerdings glücklich schätzen, dass ich mir nicht etwa einen Knöchel verstaucht hatte. Das hätte meine langen Tagesmärsche deutlich erschwert.
Ein Rascheln nicht weit rechts von mir ließ mich zusammenzucken. Es war zwar helligter Tag, doch man konnte in solchen abgelegenen Gassen niemals vorsichtig genug sein. Allerdings stellte ich mit einem kleinen Lächeln fest, dass es sich lediglich um eine streunende Katze handelte. Ich wandte mich wieder meinem Bein zu, riss mit den Zähnen ein Stück meines Hemdes ab, tauchte dieses in etwas Wasser und wickelte es schließlich um die Wunde. Das kühlende Gefühl war angenehm.
Ich seufzte. Es war einer dieser Momente auf meiner Reise, an welchem ich mir einfach nur wünschte, zuhause geblieben zu sein. Ich war nun seit ungefähr zwei Monaten unterwegs und hatte mein Ziel immer noch nicht erreicht. Das Problem dabei war wohl, dass ich mein genaues Ziel nicht einmal kannte. Allerdings näherte ich mich ihm bestätig und als ich am vergangenen Tag die Staatsgrenze von Angeles überquert hatte, hätte ich vor Erleichterung beinahe geweint. Allein die Aussicht auf das Ankommen ließ mich jeden Tag weitergehen.
„Hey, Jungchen", rief eine Stimme vom Ende der Gasse. Mein Kopf ruckte herum und sofort war ich bereit aufzustehen, um abzuhauen. Auch wenn mein Bein die Pause gut gebrauchen konnte. Erleichtert erkannte ich die alte Frau, bei der ich in dieser Nacht geschlafen hatte. Sie hatte mich am vergangenen Abend von der Straße aufgelesen und mit zu sich nach hause geschleppt. Zuerst hatte ich mich dagegen gesträubt, doch schließlich war ein Punkt erreicht gewesen, wo das Verlangen nach einem ordentlichen Bett der Angst vor einer verrückten alten Dame überwog.
„Du hättest wenigstens zum Frühstück bleiben können. Mein Mann hat mich schon für verrückt gehalten, als ich ihm von dir erzählt habe, aber niemand in dem Zimmer war." Die Dame kam näher auf mich zu und hielt einige Meter vor mir. Sie musterte mich eingehend und hob eine Braue. Möglicherweise erkannte sie gerade, dass sie mich zu Unrecht für einen Jungen gehalten hatte.
Tatsächlich hatte ich mir vor meinem Aufbruch die Haare abgeschnitten, sowie Männerklamotten angezogen und eingepackt. Einerseits weil es für eine solche Reise praktischer war und andererseits, weil man als allein reisender Junge nicht so viel Aufmerksamkeit erregte, sowie weniger in Gefahr geriet. Eine junge Frau war ein leichteres Ziel für einen Raubüberfall als ein Kerl. Wobei ich auch nicht wirklich als Kerl hätte durchgehen können. Eher ein schlaksiger, eher schwächlicher Junge.
Ich trug ein Tuch auf meinem Kopf, welches ich im Nacken zusammengebunden hatte, um meinen Kopf vor Sonnenbränden zu schützen. Außerdem trug ich eines meiner beiden Hemden, welche ich zwar bei jeder Gelegenheit in irgendwelchen Gewässern wusch, die allerdings dennoch beide nicht mehr besonders gut aussahen oder rochen.
Obwohl ich von der alten Dame nichts zu befürchten hatte, nahm ich dennoch eine abwehrende Haltung ein und beäugte sie scharfsichtig. „Tut mir leid", meinte ich schließlich nur.
DU LIEST GERADE
Blind Selection - never give up 3
FanfictionKaden. Joas. Lyndon. Decan. Einer von ihnen ist der Kronprinz von Ilea. 35 Mädchen kommen ins Schloss, um genau das herauszufinden. Doch zwischen Verrat, Druck, Schmerz und einer endlosen Suche ist es schwer sich auf das Wesentliche zu konzentrieren...