Wilhelmina XXII | Unerwarteter Besuch

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23 Jahre zuvor

Als sie gerade einen weiteren Schluck aus ihrem Wasserglas nahm, hörte sie eine Stimme hinter sich, sodass sie sich überrascht umdrehte. „Darf ich um den nächsten Tanz bitten?"

Lächelnd erhob sich Wilhelmina und ignorierte dabei ihre bereits schmerzenden Füße und die Tatsache, dass sie wegen ihres Korsetts nur begrenzt Luft bekam. Dann legte sie ihre Hand in die ihres Cousins. „Es wäre mir eine Ehre."

Porter führte sie auf die Tanzfläche und die beiden begannen miteinander zu tanzen. Das kleine Orchester hatte gerade einen langsamen Walzer angestimmt. Unwillkürlich musste Wilhelmina Lächeln. Das Lächeln, welches sie Porter schenkte, leutete so hell wie ihr hellbraunes Haar. „Erinnerst du dich noch daran, als du mir einmal Tanzstunden gegeben hast als wir noch jünger waren?"

Porter runzelte für einen Moment die Stirn, während er seine Erinnerungen durchforstete und dann schlich sich ein ebenso breites Lächeln auf seine Lippen. „Natürlich erinnere ich mich! Du bist herumgetrampelt wie ein unbeholfener Elefant."

„He! Du solltest dankbar für meine Unterstützung sein! Ich habe mich als Versuchskaninchen angeboten, weil du Ellen beeindrucken wolltest."

„Ah richtig."

„Wie geht es ihr? Sollte sie nicht in ein paar Tagen zu Besuch kommen? Schade, dass sie euch nicht begleiten konnte."

Porter schwieg für eine unnatürlich lange Zeit und seufzte dann lautlos. „Zwischen uns herrscht gerade eine ziemliche Funkstille, ehrlich gesagt."

Betroffen sah Willow ihren Cousin an. Sie hatte nicht gewollt, dass er sich in irgendeiner Weise unwohl fühlte. Normalerweise war Ellen ein ziemlich unkompliziertes Gesprächsthema, da er immer gut auf sie zu sprechen war. „Oh das tut mir leid. Habt ihr euch gestritten?"

„Zu einem richtigen Streit ist es noch nicht gekommen. Im Moment reden wir nicht miteinander, um eine große Explosion zu verhindern."

„Worum ging es denn?" Wilhelmina war nicht gerade der Typ Mensch, welcher sich vor einer unangenehmen Konversation scheute. Besonders nicht, wenn es sich um enge Verwandte oder Freunde handelte. „Wir müssen natürlich auch nicht darüber reden, wenn du nicht möchtest."

Porter hob die Schultern, was sich während des Tanzens als ziemlich schwierig herausstellte. Es sah ein wenig ulkig aus, weswegen Willow sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. „Ich würde tatsächlich nicht so gern darüber reden", gab Porter dann zu, „Ich sollte es erst einmal mit Ellen klären."

Willow nickte. Das klang sehr erwachsen. Zum Glück war sie dennoch so unbefangen, dass sie schnell ein neues Gesprächsthema fand, welches keinen der beiden in eine unangenehme Situation brachte. Willow notierte sich in Gedanken ihre Fähigkeit, andere in Verlegenheit zu bringen, zu ihrer endlos langen Liste hinzuzufügen.

Den Rest des Abends verbrachte sie damit, sich mit offiziellen Gästen zu unterhalten, mit ihren Freunden zu tanzen und vor allem der Familie Horan Gesellschaft zu leisten. Doch sie war erleichtert darüber, dass Gadriel sich in keiner Weise aufdrängte. Sie freute sich auf den bevorstehenden Ausritt, aber ebenso wollte sie den schönen Abend mit ihren Freunden verbringen und rechnete ihm seinen respektvollen Abstand hoch an.

Irgendwann kam Maera, welche bereits ein wenig zu tief ins Glas geschaut hatte, auf Wilhelmina zugeschwankt. Die Prinzessin war gerade in einem Gespräch mit einem hochragigen Berater ihres Vaters gewesen und entschuldigte sich eilig beim Anblick ihrer Freundin. Sie stützte Maera und begleitete sie zu einem freien Stuhl in der Nähe. „Wo ist Philip?"

Maera zuckte mit den Schultern. „Ich suche Fenna", meinte sie mit einer erstaunlich klaren Stimme. Allerdings war ihr anzumerken, dass sie sich dafür ziemlich anstrengen musste. Sie fiel jedoch nicht sonderlich auf, da zu diesem Zeitpunkt des Abends alle Gäste bereits ein wenig fröhlicher waren.

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