20 | Schwarzwälderkirschtorte

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Dena

,,Du wolltest mich sehen?", ich blieb im Türrahmen stehen und warf meinem Ehemann ein flüchtiges Lächeln zu, ,,Was gibt's?"

Seine Mundwinkel zuckten und er klopfte auf den freien Platz neben sich auf dem Sofa. ,,Komm mal her."

Ich seufzte bedauernd. ,,Ich habe gerade wirklich nicht viel Zeit. Ist es etwas Wichtiges?"

,,Was kann wichtiger sein, als dein eigener Ehemann?"

,,Ungefähr 325 Millionen Menschen dort draußen, die sich auf mich verlassen?", ich strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Das angedeutete Lächeln auf seinem Gesicht wurde breiter, wenn auch wehmütig. ,,Das ist der Grund, warum ich dich so liebe, weißt du?"

Ich zog eine Augenbraue hoch. ,,Es gibt nur einen?"

Er lachte. ,,Das ist noch einer."

,,Meine Fähigkeit, eine Augenbraue hochzuziehen?"

Sein ehrliches Lächeln ließ mich innehalten. Ich liebte dieses Lächeln. ,,Mach mich nicht verlegen, Jo", warnte ich ihn tadelnd.

,,Nach all den Jahren mache ich dich verlegen?"

,,Always", sagte ich und zwinkerte ihm zu, was ihm ein dunkles Lachen entlockte.

,,In den Sekunden, in denen du hier bist, hast du mir schon tausende Gründe gegeben, dich zu lieben."

Ich warf einen Blick auf die Uhr. ,,Es waren sogar schon Minuten. Also, wenn es nichts Wichtiges ist..."

,,Weißt du, was lustig ist?"

,,Dass die Schwarzwälderkirschtorte gar nicht aus dem Schwarzwald kommt?"

Er legte irritiert die Stirn in Falten. ,,Nicht?"

Ich grinste kurz. ,,Doch. Also, was ist lustig?"

,,Weißt du noch, was damals dein Grund war, mich nicht zu heiraten?"

Ich lachte überrascht auf. ,,Die Tatsache, dass ich dich kaum kannte vielleicht?"

Er verdrehte die Augen. ,,Mal abgesehen davon? Gib es zu, meinem Charme konntest du von Anfang an nicht widerstehen."

Ich zuckte mit den Schultern. ,,Mag sein."

,,Du wolltest keine Königin werden, weil du dachtest, dass du dieser Aufgabe nicht würdig wärst. Und nun würde mir niemand anders einfallen, wer dieser Aufgabe würdiger wäre. Du stellst deinen Posten über alles andere." Sein liebevolles Lächeln versetzte mir einen Stich in der Brust und ich löste mich vom Türrahmen, um auf ihn zuzugehen.

,,Jonathan.."

,,Nein, du musst jetzt nichts sagen. Ich weiß, dass du alles dafür tun würdest, dass es deinem Volk gut gehen würde und dafür liebe ich dich so. Aber manchmal musst du auch alles dafür tun, dass es dir selbst gut geht."

Ich ließ mich neben ihm nieder und sah ihn einen langen Moment lang nachdenklich an. ,,Mir geht es gut."

,,Du hast deinen Termin bei Doc Marten abgesagt."

,,Das hast du mitbekommen?"

Er schnaubte empört. ,,Sollte ich nicht? Ich fühle mich schrecklich, weil ich mich nicht darum gekümmert habe. McKenna hat mich darauf aufmerksam gemacht, also hat sie in meinem Auftrag einen neuen abgemacht."

Ich lächelte kurz. ,,Es ist nicht deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ich meine Arzttermine einhalte. Ich bin schon groß, weißt du?"

,,Es ist meine Aufgabe für dich zu sorgen. Dafür zu sorgen, dass es dir immer gut geht. Das habe ich dir versprochen, erinnerst du dich?"

,,Wie könnte ich nicht?"

,,Dann lass mich das auch tun!"

Ich seufzte leise. ,,Mir geht es wirklich gut, Jo. Mein Rücken tat nicht besonders weh, deswegen habe ich ihn abgesagt. Ich weiß, ich arbeite viel, aber so muss das nun mal sein. Du arbeitest auch nicht weniger. Und wir können nun mal nicht abtreten, bevor unser Enkel alt genug ist."

,,Er ist bereits alt genug!"

Ich schüttelte den Kopf. ,,Nein, ist er nicht. Wir haben nun mal nicht das Glück, dass.." Meine Stimme versagte.

Jonathan streichelte mir sanft über den Arm. ,,Ich weiß. Ich weiß. Ich wünschte auch, sie wäre hier."

Ich schwieg einen Moment und senkte den Kopf. ,,Wie ist eigentlich letztens der Besuch von Pricilla verlaufen? Habt ihr alles geklärt?"

,,Du hast mir gar nicht erzählt, dass der nervige Quälgeist mich heimsuchen würde."

,,Ich dachte, ich lasse euch eure Privatsphäre. Es tut mir schrecklich leid, Jonathan", ich legte eine Hand auf seine und sah ihn mitleidig an, ,,Du hättest es unter anderen Umständen erfahren sollen."

Mein Mann nickte langsam. ,,Ich habe es einfach nicht kommen sehen, weißt du", sagte er leise.

Ich schwieg, um ihm Zeit zu lassen, sich zu sammeln. Es tat mir im Herzen weh, ihn so zu sehen.

,,Ich mache mir Vorwürfe, dass ich sie so lange nicht mehr gesehen habe. Wann war ich das letzte mal bei ihr? Vor zwei Wochen?" Er starrte auf den Boden.

Ich schüttelte den Kopf. ,,Bitte mach das nicht. Dich trifft keine Schuld. Wir beiden hatten viel zu tun mit den Vorbereitungen für die Selection und soetwas war nicht abzusehen. Sie hatte keine Anzeichen, dass es ihr schlecht ging."

,,Es ging ihr die ganze Zeit schlecht, seit Dad gestorben ist."

,,Die beiden haben dich so geliebt, Jonathan. Sie wissen, wie viel sie dir bedeutet haben."

Er lachte freudlos. ,,Das klingt, als wäre ich ein kleines Kind."

Ich lächelte gequält. ,,Ich möchte nur, dass du das weißt. Ich weiß nämlich, wie viel sie dir bedeutet haben. Du musst nicht so tun, als würde es dich nicht treffen."

,,Das weiß ich, Dena. Das tue ich auch gar nicht. Aber ich kann das alles noch nicht ganz verarbeiten. Ich habe das Gefühl, dass es einem König nicht erlaubt ist, zu trauern. Mir bleibt einfach keine Zeit dazu."

,,Natürlich ist es einem König erlaubt, zu trauern! Du bist nicht nur König, sondern auch Ehemann, Vater, Großvater und nun mal auch Sohn."

,,Das sagst gerade du?", fragte er mit schiefem Lächeln.

Ich erwiderte es leicht. ,,Ich werde versuchen, mir mehr Zeit für mich zu nehmen, wenn du das auch tust, in Ordnung?"

Er nickte langsam. ,,Danke."

,,Ich fänd es eine gute Idee, wenn du deine Schwester in den nächsten Tagen mal besuchen würdest. Es würde ihr bestimmt auch gut tun. Ist dir aufgefallen, wie erwachsen sie geworden ist?"

Nun lächelte er tatsächlich. ,,Es ist lächerlich, weil sie auch bereits Großmutter ist, aber es fällt mir jedes mal wieder auf, wenn wir uns sehen. Sie ist einer der vernünftigsten Menschen überhaupt."

Wir schwiegen und genossen den gemeinsamen Augenblick, welcher so selten geworden war. Dann drückte ich schließlich seine Hand ein letztes Mal und erhob mich. ,,Bin ich entlassen?"

Er lächelte. ,,Bekomme ich einen Kuss?"

Ich beugte mich lächelnd zu ihm herunter und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Als ich mich wieder aufrichtete, durchfuhr mich ein Schmerz im Rücken und ich ächzte. ,,Ich denke, ich kann den Doctor heute wirklich gut gebrauchen", murmelte ich und wandte mich zum Gehen. ,,Bis später, Liebster!"

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt