43 | Wolf im Schafspelz

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Kaden

„Das können die doch nicht machen!" Das Flüstern im Raum war deutlich zu hören - aber es war eben nur ein Flüstern.

„Die sind doch verrückt! Unmenschlich ist das..." Zu allen Seiten waren empörte Blicke zu sehen. Nachdem McKenna ihre kleine Ansprache - charmant wie sie war - gehalten hatte, war ein allgemeiner Unglauben ausgebrochen. Niemand wollte so richtig glauben, dass der Rebellenangriff nur gefaket war.

Lyndon drehte sich um, sodass er mit dem Rücken zu den Bildschirmen stand. Wir befanden uns im Kontrollraum, in welchem jegliche Kameraperspektiven des Palastes zu überblicken waren. McKenna war der Meinung gewesen, dass wir uns undercover einen Überblick verschaffen sollten. Die Ladys würden erst ihr wahres Gesicht enthüllen, wenn sie glaubten, unbeobachtet zu sein. Deswegen arbeitete ein Dutzend der Angestellten die Woche über daran, das ganze Videomaterial durchzuschauen und uns bei einem wöchentlichen Treffen Sequenzen aller Ladys, die relevant sein könnten, vorzuführen.

„Das ist Zeitverschwendung", sagte ich an Lyndon gewandt, der mich direkt ansah. „Ich hätte mir ein schönes Bad einlassen können oder an der blöden Rede weiterschreiben - die halte ich übrigens auch für Zeitverschwendung."

Lyndon musterte mich mit einem ungewohnt ernsten Ausdruck auf dem Gesicht. „Weißt du überhaupt, wie Zeitverschwendung buchstabiert wird? Du hast früher nie deine Buchstabensuppe aufgegessen." Er zog die Augenbrauen zusammen.

Ich seufzte. „Dann lass mich wenigstens auch mal sehen", murrte ich und stieß ihn etwas unsanft zur Seite, um einen besseren Blick auf den großen Bildschirm zu bekommen.

„Wir greifen hiermit ziemlich in ihre Privatsphäre ein, das ist euch doch bewusst oder?" Joas. Natürlich. Immer der perfekte Gentleman, aber nichts im Hirn.

Ohne Lyndon zu sehen, wusste ich, dass er die Augen verdrehte.

„Komm mal runter, Joas", eriwderte ich und drehte mich zu ihm herum, „Wir beobachten sie ja nicht beim kacken oder masturbieren."

Joas lachte empört. „Das wäre ja noch schöner", murmelte er.

„Ich finde auch, dass wir genug gesehen haben", sagte Decan schließlich und stieß sich von seinem Platz in Nähe der Wand ab, „Sollte noch etwas Wichtiges passieren, informieren Sie uns bitte." Der letzte Satz war an den älteren Herr am Schaltpult gerechnet, welcher selbstverständlich nickte und dann wieder vollkommen in seine Arbeit vertieft zu sein schien. Ich grinste verstohlen. Er war auch froh, uns loszuwerden.

„Dann kannst du dein schönes Bad ja nun nachholen", meinte Lyndon spöttisch an mich gerichtet, als wir aus dem Raum traten.

Ich nickte gelassen. „Solltest du auch mal ausprobieren. Man bekommt da einen freien Kopf, das würde dir gut tun."

„Ach lass mal", Lyndon winkte ab, „Man kann an dir ja sehen, was ein leerer Kopf alles anrichten kann."

„Euch beiden könnt es nicht lassen, was?"

Wir drehten uns synchron um und blickten dem italienischen Holzkopf in die Augen. Ich stöhnte und machte mir keine große Mühe, meine fehlende Begeisterung zu verbergen. „Caesar, was verschafft uns die Ehre?"

Lyndon grinste breit bis an beide Ohren, während Nero matt lächelte sich nicht beirren ließ. „Ich würde dir raten, deine schlechten Witze zu unterlassen. Frauen stehen auf Männer und keine Bubis."

Etwas an der Weise wie er Bubis aussprach, brachte mich zum Lachen. Auch Lyndon schien die ganze Situation äußerst amüsanz zu finden. „Und ich würde dir einen Englischkurs raten, Bubi. Es heißt 'Ihr beiden könnt es nicht lassen'. Nominativ." Das war gemein und das wusste Lyndon auch. Außerdem völlig ungerechtfertigt, immerhin sprach Nero wirklich gutes Englisch und wir beiden kein Wort italienisch.

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt