15 | Lavender

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Earline

„Wie lauten die drei letzten Monarchen von Jregon?"

Ich unterdrückte einen erleichterten Seufzer. Meine ehemalige Klassenkameradin Alaia hatte eine verrückte Obsession, was Herrscher und Königsfamilien betraf, gehabt und in diesem Moment war ich ihr für Ihre Predigen dankbar.

„Adair Lockheart, Vladiz Cardale und Zahid van Huldson."

Ohne eine Regung auf ihrem Gesicht zu zeigen, fuhr die Brünette meine Befragung fort. Ich kam mir mittlerweile nicht mehr wie in einem Casting, sondern wie in einer Gefängsniszelle, vor.

„Wie würden Sie den Begriff Gerechtigkeit für sich definieren?"

Diese Frage brachte mich dann doch ins Stocken. Gerechtigkeit. Ein ziemlich starkes Wort, welches man wahrhaftig nicht mühelos in Worte fassen konnte.

„Gerechtigkeit ist nicht die Abwesenheit von Unrecht und auch nicht die völlige Gleichheit, sondern lediglich der Versuch alles nach einem gleichen Muster zu bewerten."

Die junge Frau sah für einen kurzen Augenblick von ihrem Klemmbrett auf und notierte sich mit schnellen Handbewegungen etwas.

„Wie sieht dieses Muster ihrer Meinung nach denn aus?", hakte sie nach.

Ich runzelte die Stirn. „Ich dachte, Nachfragen sei nicht erlaubt."

Sie sah mich verärgert über den Rand ihrer dicken Hornbrille an. „Für Sie, ja. Aber ich stelle hier die Fragen. Also würden Sie mir bitte antworten?"

„Das Muster variiert anhand der Gegenstandsbereiche", erwiderte ich schulternzuckend.

Sie schien mit dieser Antwort nicht zufrieden, fragte aber nicht weiter nach. „Was ist ihrer Meinung nach das Schönste auf der Welt?"

„Liebe", antwortete ich prompt. Das nachsichtige Lächeln ihrerseits ließ erkennen, dass dies eine ziemlich häufige und naive Antwort war.

„Erwiderte, ehrliche, pure, bedingungslose und sprachlose Liebe."

„Meinen Sie nicht, dass die Liebe auch sehr verletzbar macht?"

Ich lächelte. „Natürlich. Doch was wäre Liebe, wenn man nicht dieses Vertrauen aufbringen müsste? Absicherung hat nichts mehr mit purer Liebe zu tun. Wenn man es zulässt eine Person zu lieben, tut man dies bedingungslos."

„Und trotzdem denke ich nicht, dass Liebe das schönste auf der Welt ist. Es kann genau so das schrecklichste sein", sagte sie herausfordernd.

Ich nickte. „Dagegen kann man wohl nichts sagen."

Etwas verärgert, dass sie mich nicht hätte aus der Reserve locken können, huschte ihr Bleistift über ihr Papier und schließlich kam sie zu der letzten Frage. „Glauben Sie an Gott?"

Ich sah überrascht auf. „War dies hier nicht eigentlich ein Wissenstest?"

„Nicht ausschließlich", erklärte sie knapp.

„Wie kann man jemanden nach seinem Glauben bewerten?", fragte ich beharrlich.

Sie klopfte ungeduldig mit ihrem Stift auf den Tisch. „Sie werden nicht nach ihrem Glauben bewertet, sondern lediglich nach ihrer Überzeugung und ihrem Auftreten."

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt