Wilhelmina XXXI | tränenreicher Abschied

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19 Jahre zuvor

Wilhelmina zurrte entschlossen ihre Tasche zu und schaute dann auf das spärliche Gepäck, welches sie eilig zusammengesucht hatte. Der Gedanke daran, was es bedeutete, erschreckte sie nicht mehr. Sie würde das Leben, welches sie seit ihrer Geburt gekannt hatte, hinter sich lassen. Sie würde ihre Pflichten hinter sich lassen. Doch vor allem würde sie ihre Familie verlassen.

Sie straffte ihre Schultern und band ihre braunen Wellen in einen strengen Pferdeschwanz. Ein Blick in den Spiegel zeigte eine von Entschlossenheit gezeichnete Frau, deren junges Gesicht durch Sorgenfalten älter erschien als es war. Ihre dunkelgrünen Augen erschienen trüb und die Lippen schmal.

Wilhelmina galt in Iléa als Schönheit. Die Männer bewunderten sie und die Frauen beneideten sie. Und sie selbst bemitleidete sich. Sie war eine junge, hübsche Frau mit zwei Kindern und einem Ehemann. Sie würde eines Tages Königin werden. Sie war beliebt und lächelte stets in die Kameras. Sie lebte den Traum eines jeden Mädchens.

Es klopfte an der Tür. Schlagartig rang Wilhelmina sich ein leichtes Lächeln ab und bat das junge Dienstmädchen einzutreten.

„Ich habe noch eine Nachricht von Ihrem Ehemann für Sie", sagte sie, nachdem sie Wilhelmina die Dinge gebracht hatte, um die sie gebeten hatte.

Wilhelmina schaute auf und spürte für einen Moment Panik in ihren Augen aufflackern. Sofort bemühte sie sich wieder um eine ausdruckslose Miene. „Leg Sie bitte hier auf den Tisch", bat ich und nickte ihr zum Abschied zu.

Nachdem das Mädchen verschwunden war, griff ich mit leicht zittrigen Händen nach dem dünnen Papier, welches mit dem königlichen Siegel verschlossen war. Galle stieg in meinem Hals hoch. Doch ich hatte zu spät erkannt, mit welchem Menschen ich es zu tun hatte, um zu verhindern, dass ihm dieses Siegel zustand. Es war bereits zu spät.

Ich werde für Maelle einen privaten Lehrer einstellen. Sie sollte nicht in einem Raum mit den Dorfkindern unterrichtet werden. Für meinen Sohn habe ich ebenfalls jemanden arrangiert, weil er immer noch nicht spricht. Er sollte es so schnell wie möglich lernen. Es wäre eine Schande für das Königshaus, einen unterentwickelten Prinzen zu haben.

Bitte denk heute an unseren gemeinsamen Pressetermin und lass dir etwas Hübsches anziehen. Das gelbe Kleid vom letzten Mal hat dich blass und breit wirken lassen.

Gadriel

Wilhelmina atmete langsam aus und wurde sich bewusst, dass sie die gesamte Zeit über die Luft angehalten hatte. Sie schloss die Augen und erfuhr einen kurzen Moment der Schwäche. Womit hatte sie dies verdient? Wie hatte sie sich nur so täuschen können? Jedes Wort des Briefes löste Abscheu in ihr aus und sie fragte sich zum wiederholten Male, wie sie diesen Mann jemals hatte heiraten können. Wie sie ihn auch nur hatte mögen können.

Abgesehen von der Unverschämtheit, dass er sich herausnahm, die wichtigen Entscheidungen über die Erziehung ihrer Kinder zu treffen, setzte er Wilhelmina herab. Er behandelte sie, als wäre sie ihm untergeordnet. Dabei hatte sie die gesamte Sorge für ihre Kinder übernommen und war schließlich immernoch selbst die Kronprinzessin. Gadriel jedoch benahm sich, als wäre er bereits König.

Ein schwaches Lächeln trat auf ihre Lippen, als sie an den verärgerten Gesichtsausdruck dachte, den er zeigen würde, wenn sie nicht zu dem Pressetermin erscheinen würde. Denn faktisch war Gadriel ohne Wilhelmina nichts. Würde sie nicht entscheiden Königin zu werden, würde er ebenfalls niemals König werden können. Und deswegen hatte sie bereits vor einer langen Zeit erkannt, dass sie niemals den Trohn besteigen würde. Das könnte sie ihrem Land nicht antun.

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt