Wilhelmina II | ein liebenswerter Sturkopf

974 57 4
                                    

23 Jahre zuvor

„Er glaubt, Sie mögen ihn nicht." Wilhelmina lehnte sich neben Eamon an den Zaun der Koppel, blickte aber nicht das Pferd, sondern den Mann selbst an.

Eamon wandte ihr den Blick nicht zu. „Dann hat der Mistkerl eine verdammt gute Intuition."

„Aber Sie mögen ihn doch." Wilhelmina stemmte sich hoch, um sich auf den Zaun zu setzen. Wüsste ihre Mutter, dass sie gerade ihr neues Tageskleid beschmutzte, würde sie lachen. Anders als ihre Kammerdame und liebe Freundin, McKenna. „Sie sind Reiter. Kein Reiter auf der Welt könnte dieses wunderschöne Pferd anschauen, ohne sich zu verlieben. Außerdem haben sie beide einen ähnlichen Charakter."

Eamon stemmte die Füße in den Boden und vergrub die Hände in den vorderen Hosentaschen. „Das können Sie also nach dieser kurzen Bekanntschaft so sagen, ja?"

„Ja." Wilhelmina schloss die Augen und genoss die warme Sonne auf ihrer Haut. Es waren die ersten Sommertage. Sie dachte, sie könnte stundenlang so dort sitzen. „Mit ihm habe ich mittlerweile ziemlich viel Zeit verbracht, um das sagen zu können und Sie", sie blinzelte etwas, „zeigen ihr Wesen deutlich nach außen."

Als Wilhelmina ihre Augen wieder öffnete, nachdem er keine Antwort gegeben hatte, bemerkte sie, dass er sie nun offen musterte. „Sie haben meinen Rat befolgt, wie ich sehe."

Zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine Falte. „So?"

Sie nickte lächelnd. „Er steht auf der Koppel."

„Die ersten Sonnenstrahlen konnte ich nicht einmal dem größten Sturkopf verwehren."

Eamon sagte nichts, als der Hengst beinahe beiläufig näherkam und sich so dicht vor Wilhelmina stellte, dass er sie mit den Nüstern beinahe berührte. Das Pferd, dachte Eamon, schaute die Frau an, als wüsste sie die Antwort auf alle Fragen.

„Haben Sie eigentlich schon einen Namen?"

Die Prinzessin schüttelte den Kopf. „Er wird ihn sich selbst aussuchen."

Eamon zog eine Augenbraue hoch. „So nach dem Motto, Sie nennen einen Namen und wenn er wiehert, bedeutet das Ja?"

„Vielleicht", Wilhelmina lächelte amüsiert, „Oder haben Sie eine bessere Idee?"

„Sie reiten gut", sagte er statt einer Antwort.

Wilhelmina fiel auf, dass es gut war, dass sie auf dem Zaun saß - sonst hätte sie Eamon wohlmöglich noch gedankt und ihn umarmt, wie Maera fünf Minuten, nachdem sie das erste Mal auf ihrem neuen Pferd geritten war.

„Haben Sie mich beobachtet?"

„Allein die Tatsache, dass Sie noch nicht im Krankenhaus gelandet sind, sagt genug."

„Vielleicht sagt es auch nur etwas darüber aus, wie gut wir uns verstehen." Wilhelminas Stimme war unbeschwert, als würde ihr die Zweideutigkeit der Worte nicht auffallen. Für einen Moment meinte sie in Eamons Blick etwas flackern zu sehen, was allerdings auch noch Irritation hätte sein können.

Eine Sekunde später trat er vom Gatter zurück und klopfte sich die Hose ab. Sein Blick war der alte, verschlossen und ausdruckslos. Dann nickte er Wilhelmina zu. „Lassen Sie sich das gute Wetter bloß nicht zu Kopf steigen." Dann wandte er sich ab und ging.

Sie lächelte und wandte sich ihrem Hengst zu, als sie eine andere Stimme hörte. „Dafür ist es anscheinend schon zu spät." Ihre Mutter.

Die Königin kam den breiten Sandweg entlang geschlendert und strahlte das gute Wetter förmlich nach außen. Sie war der Inbegriff von Eleganz und Anmut und das auf eine derart unbeschwerte Weise, die sie beinahe jugendlich wirken ließ. Wilhelmina fragte sich häufig, wie sie einmal aussehen würde, wäre sie im Alter ihrer Mutter. Hätte sie die gleichen kleinen Fältchen um die Augen herum? Die gleichen grauweißen Strähnchen durch die Haare gestreut? Ihre Mutter sah toll aus, keine Frage. Wilhelmina bewunderte sie heimlich nicht nur für ihre inneren, sondern auch äußeren Werte. Doch diese ganze Schönheit wurde von einer Müdigkeit getrübt, die sich über sie legte. Ihre Augen waren fröhlich, doch strahlten nicht mehr. Würde-

Blind Selection - never give up 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt